Schmeckt der Kaffee von kleinen Röstereien besser als der von den großen? Und sind „Industrieröster“ eigentlich die schlechteren Röster? Und ab wann ist eine Rösterei überhaupt groß? Wir wollten mehr verstehen, wer eigentlich wie röstet und haben mit Kleinst- und Großröstereien gesprochen. Die Ergebnisse fassen wir hier in einer Übersicht zusammen. Kurzum: vieles ist nicht so, wie es scheint.
Beim Kaffee rösten wird Rohkaffee über eine bestimmte Zeit mit bestimmten Temperaturen erhitzt. Dabei durchläuft der Kaffee verschiedenste physikalische und chemische Prozesse. Aus den vormals grünen Bohnen werden braune Bohnen, die dann gemahlen und extrahiert werden.
So reduziert der Röstprozess hier geschildert wird, so einfach stellt er sich dar. Aus grün wird braun. Die Prozesse, die während einer Kaffeeröstung abfolgen, sind die gleichen – ob nun 50g Kaffee, 5kg oder 500kg geröstet werden. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Intensität, der Dauer und der Präzision.
Viele dieser Aussagen muten wie Wahrheiten an, und zwar deshalb, weil sie immer und immer wieder wiederholt werden. Und wenn wir die gleichen Aussagen immer wieder hören, dann fühlen sie sich wie eine Wahrheit an (in der Psychologie als Wahrheitseffekt bekannt).
Zum Beispiel die “800°-Röstung für zwei Minuten”. Auch bekannt als high yield Röstung der ganz großen Röstereien. Ja, es wurde derart geröstet, und teilweise finden wir diesen Röststil auch heute noch vor, aber wohl deutlich weniger verbreitet, als angenommen wird. Nicht jeder Supermarkt bietet miesesten Kaffee an und nicht jede Kleinrösterei das Gelbe vom Ei.
Wir wollten es genauer wissen und sprachen mit ganz kleinen und ganz großen Röstereien. Aldi, Melitta, UCC Switzerland und die Delica haben uns ihre Röstphilosophie erklärt. Hochstrasser und Rast Kaffee erläuterten, wie sie rösten, wie auch die Nano-Röstereien Birchbach Coffee oder die Röststube Lübeck. Zudem öffnen wir auch unsere Röstnotizen und erklären, was wir eigentlich tun, zum Beispiel hier.
Wider Erwarten trafen wir auf äusserst offene Ohren. Die wenigsten Röstereien haben unser Anliegen nicht behandelt. Es scheint so, dass es vor allem bei den großen Röstereien den Bedarf gibt, die eigene Perspektive zu schildern. Viele sahen es wohl auch als Möglichkeit, bloße Vermutungen zu korrigieren und auch mal scharf zu kontern – was jedoch teilweise im Nachgang von den Marketingabteilungen noch abgeflacht wurde. Einige grosse Röstereien waren am Ende des Tages doch deutlich vorsichtiger.
Viel zu oft hören und lesen wir die gleichen, wenig präzisen Aussagen zu großen Röstereien. Es werde mit 500° bis 800° in zwei Minuten geröstet, der Rohkaffee baue keine Chlorogensäure ab und die Rohkaffeequalität ist mies. Demgegenüber wird dann das Konzept der kleinen Röstmaschinen präsentiert, die mit kleineren Chargen, deutlich längeren Röstzeiten und mit weniger Temperatur rösten. “Schonend” soll es sein und dadurch besser.
Als Kaffeemacher haben wir grosse Freude an kleinen Projekten, die mit Herzblut vorangetrieben werden, an handwerklicher Arbeit und dem echten Interesse, Dingen auf den Grund zu gehen. Den obigen Aussagen können wir aber wenig abgewinnen. Der Informationsgehalt ist dünn und die Verunglimpfung des einen Röststils dient der Überhöhung eines anderen Röstansatzes. Dazu kommt, dass die Diskussionen um Industrie- und Kleinröstereien oft sehr emotional geführt werden.
Oft scheint es so, als gäbe es auf der einen Seite die kleinen Röstereien, die mehrheitlich mit Trommelröstern arbeiten, und dann wären da auf der anderen Seite des Spektrums die sogenannten Industrieröstereien, die irgendwas rösten würden. Als würde die Kaffeewelt nur aus klein und groß, aus weiss und schwarz, aus gut und böse und aus mit Milch oder ohne Zucker bestehen. Doch sie ist deutlich komplexer.
Kritik an den großen Röstereien – in Sachen Kaffeequalität – hören und lesen wir oft von kleineren Röstern. Dabei hätten es viele Röster gar nicht nötig, sich abwertend über andere Röstansätze zu äussern.
Mirjam Baumgartner installiert die ganz grossen Röstmaschinen für Bühler, einem der führenden Hersteller von industriellen Röstanlagen. Baumgartner hält hier nicht mit ihrer Einschätzung zurück:
Die Qualität des Kaffees hängt nicht von der Größe der Rösterei ab sondern von der Qualität des Rohmaterials und vom Verständnis des Handwerkes. Und dies ist eine Frage der Philosophie der Rösterei.
Mirjam Baumgartner
Und weiter sagt sie:
“Schonende Langzeitröstung”, von “Hand geröstet” oder nach “traditionellen Trommelröstverfahren” geröstet sind etwa so spezifische Aussagen, wie wenn man jemanden als “Hipster” bezeichnet. Man weiss zwar ungefähr was damit gemeint ist, aber es ist einfach nicht klar definiert. Solche Aussagen sind ein Versuch, sich von der Großindustrie zu distanzieren.
Mirjam Baumgartner
Und damit hat Baumgartner recht. Eine Differenzierung durch Herabwertung ist einfach, blendet aber aus, dass unterschiedliche Röstansätze, Kaffee- und Rohkaffeequalitäten den Markt bereichern und notwendig sind.
Dieser Artikel versucht, ein differenziertes Bild von Röstereien aller Art zu zeichnen. Gleichzeitig ist er ein Plädoyer und eine Bitte an Röstereien, in der eigenen Bewerbung lieber eigene Stärken zu kommunizieren und damit selbstbewusst zu sein, als sich durch abwertende Differenzierung zu profilieren.
2007 hat Probat im Standardwerk “Industrielle Kaffeeveredelung” eine eigene Definition für die Industrie-Rösterei vorgenommen:
“Von ‘Industrieröstern’ spricht man ab einem Fassungsvermögen des Röstbehälters von 60 Kilogramm, dem Standardgewichte eines Rohkaffeesacks entsprechen”
Probat, 2007
Coffee Circle in Berlin röstet auf einem 60kg Probat-Röster, wäre also nach der Probat-Definition, die hier nur die Menge berücksichtigt, ein “Industrieröster”. Bringt uns das also weiter? Nicht wirklich. Denn Coffee Circle definiert sich ganz anders und dürfte sich nicht als “Industrieröster” sehen. Der Begriff hat sich zudem in den letzten Jahren massiv aufgeladen, vor allem mit abwertenden Noten.
Eine Einteilung in kleine und grosse Röstereien, oder eben in sogenannte handwerkliche und industrielle Betriebe, bleibt oberflächlich. Wir unternehmen hier den Versuch, Röstereien anhand präziser Kriterien neu einzuordnen und dabei neu zu benennen. Wir vergleichen nach Größe und Röstmaschinen.
Röstereien sind durch die Kundennachfrage, die Auswahl des Röstapparates oder durch die bewusste Entscheidung für eine maximale Produktionsmenge in der Größe begrenzt. Je nach Größe verbinden Röstereien ähnliche Prozesse und Herausforderungen. Das macht eine Einteilung in Größe-Gruppen sinnvoll. Eine Einteilung in fünf Gruppen erleichtert die Kommunikation über Röstereien und bietet sich aufgrund ähnlicher Prozesse und Herausforderungen auch inhaltlich an.
Damit können wir die kleineren Röstereien und das Mittelfeld besser differenzieren, und lösen uns vom emotional besetzten Begriff der “Industrie-Rösterei”. Wir schlagen vor: Nano-, Mikro-, Meso-, Makro- und Mega-Röstereien.
Eine Nano-Rösterei röstet zwischen einer und fünf Tonnen Kaffee. Die Röstinfrastruktur besteht aus einem 500g – 2,5kg Röster oder einem nur an wenigen Tagen ausgenutzten grösseren Röstapparatur.
Das Röstereiprojekt wird neben einem Hauptberuf geführt oder wächst in ein bestehendes Unternehmen hinein (Café, Rösterei, Verkaufsladen). Die meisten Prozesse wie das Abpacken werden händisch ausgeführt. Das Rohkaffee-Sortiment ist eher klein, da auf dem Markt in der Regel 60 bzw. 69kg Säcke verfügbar sind und diese in vielen kleinen Chargen zunächst verröstet werden müssen.
Aus der Praxis
Als wir mit unserer Kaffeemacher-Rösterei begonnen haben, konnten wir im ersten Jahr sieben Tonnen Kaffee rösten. Da hat die Bezeichnung “Nano-Rösterei” gut gepasst. Wir rösten mittlerweile im 4. Jahr und nähern uns den 30 Tonnen pro Jahr. Hier passt die Bezeichnung “Nano” schon länger nicht mehr, kennen wir doch Dutzende Röstereien, die kleiner sind und erst gerade begonnen haben. Flavio Lissandrello von Birchbach Coffee nennt sein Projekt “Nano Roastery”, weil er auch gar nicht viel größer werden möchte. Flavio röstet auf einem Bullet, einem 1kg-Röster
Beispiele: Birchbach Coffee, Röststube Lübeck
Die Arbeitsprozesse werden über die Jahre professionalisiert und das Sortiment hat sich gefestigt. Die Rohkaffee-Einkaufsstrategie wird verfeinert und mehr Kunden haben differenzierte Bedürfnisse. Je nach Produktionsstandort und Kostenstruktur wird pro ca. 15 Tonnen eine feste 100%-Stelle geschaffen und finanziert. Die Rösterei ist kein Nebenprojekt mehr, sondern gefestigt – wir sprechen von einer Mikro-Rösterei. Viele Röstereien überlegen sich an dieser Schwelle, wie lange sie noch mit der ersten Maschine weiter rösten wollen, und wann ein Upgrade auf einen grösseren Röster ansteht. Ein stabiles Kundenportfolio hilft bei dieser Entscheidung und oft rüsten Röstereien dann gleich richtig auf. Von 5kg auf einen 15kg, einem 12kg auf einen 35kg-Röster, oder von 15kg auf 45kg Röster.
Beispiele: Kaffeemacher, Adrianos, Miro, Vertical Coffee, Günter Coffee Roasters
Wer nun so viel Kaffee röstet, hat schon einige Vollzeitstellen schaffen können. Mit einer grösseren Maschine wird mehr Kaffee in kürzerer Zeit geröstet, die Produktionskosten beginnen zu sinken. Bei dieser Menge wird der Kaffee immer weniger manuell abgepackt. Förderanlagen, volumetrisch-elektronische Vorportionierer und Software-Schnittstellen zwischen Bestellung und Produktionsplanung helfen, den Workflow zu optimieren und den Fokus immer mehr auf das post-roasting zu legen. Das Rösten an sich läuft oft automatisiert – ein Programm, das von den Röstmeister:innen gemacht wurde, wird jetzt oft vom Computer nachgefahren. Das erlaubt mehr Freiheit und noch mehr Kontrolle. Der Fokus bei Meso-Röstereien geht immer mehr zur Verpackung und zum Versand. Die Logistik wird wichtiger und muss immer präziser koordiniert werden.
Eine Makro-Rösterei röstet oft in mehreren Schichten und holt aus einem 250kg-Röster gut 1500 t pro Jahr raus. Solche Röstereien verfügen in der Regel über weitere, kleinere Röster (25-100kg), mit denen auch auf Private-Label Angebote eingegangen werden kann. Die Röstmaschine selbst nimmt bei einer Makro-Rösterei einen kleineren Platz ein. Die Peripherie rund herum, also Mischsilos, das Beladen des Rösters, das Entsteinen, Transportrohre, Mahlanlagen und die Verpackungsanlagen erinnern nun viel mehr an einen gut durchdachten Arbeitsprozess. Auslastung wird hier zum Zauberwort – solche grossen Anlagen dürfen selten still stehen – gerade Röstereien in dieser Größenordnung bieten oft Private Label Angebote an, bei denen Kaffee für andere geröstet wird.
Beispiel: Hochstrasser Kaffeerösterei
Der Unterschied zu den ganz großen Röstereien ist vor allem der, dass immer mehr Prozesse mechanisiert werden. In einer Rösterei, die 20.000t jährlich röstet, arbeiten in einer Schicht gerade mal sechs Produktionsmitarbeiter – in Mikro-Röstereien, die ca. 1000x kleiner sind, arbeiten in einer Schicht ebenfalls drei bis vier Personen, wenn alles manuell abgepackt und rasch ausgeliefert werden soll. In Mega-Röstereien ist Kaffee kaum mehr sichtbar – er wandert nach dem Rösten durch verschiedene Kanäle, eventuell Mühlen, bis er dann über Abpackmaschinen verpackt wird.
Es liegt auf der Hand, dass größere Röstereien nur mit grösseren Röstmaschinen so viel rösten können. Im Gegensatz dazu rösten kleine Röstereien oft mehrere Jahre auf kleinen Maschinen. Die Anschaffung einer Röstmaschine ist für keine Rösterei ein Spaziergang. Schon ein 1kg Röster bedeutet eine Investition von bis zu 10000 CHF. 400kg Röster mitsamt der notwendigen Peripherie und Installation bedeuten eine Millionenschwere Investition.
Innerhalb der Größenordnungen der Röstmaschinen gibt es natürlich technische und qualitative Unterschiede. Am Ende des Tages ist eine Röstmaschine jedoch wie ein Auto. Jedes Auto bringt einen von A nach B, man muss nur genau wissen, wie. Es gibt mit dem Fokus auf potenzielle Röstqualität also nicht so etwas wie eine bessere oder schlechtere Röstmaschine. Der Anspruch an die Maschine, der Röststil, der Verlässlichkeits- und der Bequemheitsgrad machen hier die größten Unterschiede aus.
In den letzten Jahren kamen immer mehr Kleinströstmaschinen auf den Markt und so sehen wir auch immer mehr Nano-Röstereien, die so Kleinstmengen für ihr Klientel anbieten können. Diese Kleinstmaschinen rösten die Bohnen meistens mit heisser Luft, viel Bewegung und über eine kürzere Röstzeit. Es lohnt sich einfach kaum, viel Material für wenig Menge aufzuheizen und die Bohnen via Kontakthitze zu rösten. Stattdessen findet hier die Konvektion viel Beachtung. Dieser Röst-Ansatz mit einem Fokus auf die Hitzeübertragung durch viel heisse Luft, geht zurück auf Michael Sivetz’ Fluid-Bed Technologie von 1975. Kleine Mengen können präzise geröstet und repliziert werden.
Beispiele: Roest, Ikawa, Neotec, Aillio Bullet
Mikro-Röstereien versuchen, mit ihrem Handwerk für das “Echte” und das Handwerkliche zu stehen. Dazu gehört für viele eine mächtige Röstmaschine, bei der vieles von Hand gemacht wird. Einige Röstereien verzichten partout auf jeglichen Automatisierungsgrad, weil es für sie nicht der Vorstellung des Handwerks entspricht, für das sie stehen wollen. Gleichzeitig macht eine Röstmaschine, in diesem Fall ein Trommelröster, für viele Menschen einfach einen tollen Eindruck. Ein Stahlkoloss von min. 500kg, der noch etwas glänzt, steht meistens gut positioniert in einer Rösterei oder in einem Cafe, um zu zeigen: hier wird noch selbst geröstet.
Die Trommelröster sind hier für viele die erste Wahl. Ein äußeres Gehäuse wird durch direkte oder indirekte Hitze aufgewärmt und hält das System heiss. Im Innern dreht eine Trommel, je nach Hersteller im Uhrzeiger- oder Gegenuhrzeigersinn, in welcher der Rohkaffee von präzise geformten Finnen und Schaufeln bewegt wird. Die Hitze-Übertragung bei diesen Röstmaschinen ist eine Mischung aus dem Luftzug, der durch den Röster strömt, der Übertragung durch das heiße Material, und der Übertragung von Bohne zu Bohne.
Trommelröster klingen nach Geschichte und für viele für die echte Art des Röstens. Doch damit der Kaffee immer gleich schmeckt, braucht es ein präzises Verständnis über die Bedienung des Rösters, dessen Eigenheiten und Verhaltensweisen.
Diese Rösterei haben bereits eine zweite, oder sogar eine dritte Röstmaschine gekauft. In aller Regel macht es Sinn, von einer 15kg-Maschine auf eine min. 3x größere Maschine umzusteigen, da diese oft schnell wieder ausgelastet werden kann.
Wenn wir davon ausgehen, dass eine Rösterei 3-4 Chargen pro Stunde röstet, und das an 6 Stunden pro Tag, 5 Tage, bei voller Auslastung eines Rösters (15kg Röster = 15kg Rohkaffee), dann kann sie zwar ca. 60+ Tonnen pro Jahr rösten, allerdings wird jeden Tag geröstet, und die Belastung für die Infrastruktur und das Team ist hoch.
Eine Röstmaschine von 35kg beispielsweise, röstet in der Hälfte der Zeit 70 Tonnen pro Jahr und ist damit deutlich effizienter. Viele Röstereien steigen spätestens hier auf eine deutlich größere Maschine um.
Größere Röstmaschinen erfordern gleichzeitig aber auch eine größere Förderanlage, effizientere Luftfilter, Zyklone und evtl. einen Nachbrenner oder eine anderen Luftfilter. Wir reden hier dann nicht mehr nur von einer Röstmaschine, sondern von einer ganzen Röstanlage, bei der die Röstmaschine an sich nur noch ein Drittel des Platzes ausmacht.
Die “klassischen” Röster-Marken wie Probat, Joper oder Giesen haben sich auf diese Grössen von Röstereien eingependelt und bieten da ganze Anlagen an. Diedrich hat eine Zwischenlösung mit einem 25kg-Röster im Sortiment, der diesen Größenübergang abdecken soll.
Makro-Röstereien funktionieren technisch ähnlich wie Meso-Rösteien, nur ist einfach alles etwas größer. Ein größerer Trommelröster, eine effizientere Transportanlage, ein größerer Rohkaffeelift, eine größere Verpackungsanlage – der Goliath der noch handwerklich aussehenden Röstereien.
Trommelröster von 140 bis knapp 300 kg pro Charge funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie deren kleinere Ausführung, jedoch brauchen sie deutlich mehr Energie. Wer 300 kg Rohkaffee in 15min in einem Trommelröster rösten möchte, benötigt viel Gas und eine entsprechende Zuleitung oder Tanks.
Theoretisch könnte das Trommelröster-Prinzip noch grösser gemacht werden, jedoch verliert das System immer mehr an Effizienz. Und grosse Röstereien sind auf Effizienz getrimmt – also ist das Trommelröster-Verfahren fehl am Platz.
Die Chargengrößen reichen bis 500 kg oder sogar mehr. Und hier ist das Rösten mit heißer Luft deutlich effizienter. Diese Röstanlagen blasen und schieben den Kaffee in Ellipsen über größere Strecken hinweg. Ein heißer Luftstrom umzieht die Bohne und kann sie in kurzer Zeit aufheizen. Diese Tangential- oder Schalenröster nehmen viel Platz ein und brauchen viel Energie. Allerdings rezyklieren sie die heisse Abluft wieder teilweise, so dass das System die Wärme behält.
Die Temperaturen bei diesen Anlagen sind auch deutlich höher, als bei einem klassischen Trommelröster. Nochmals Mirjam Baumgartner von Bühler hierzu:
Die Lufttemperaturen hängen immer vom Luft-zu-Bohnen-Verhältnis ab. Wichtig ist jedoch die übertragene Wärmemenge auf die Bohnen und die Temperaturentwicklung der Bohne. Die geschmacksbildenden chemischen Reaktionen laufen ja in der Bohne ab und nicht in der Umgebungsluft. Entsprechend kann man auch mit 450°C in 3 Minuten rösten sofern man das möchte und genügend Luft zur Verfügung hat. Einige der weltweit kommerziell erfolgreichsten Kaffeeprodukte nutzen Kurzzeit-Röstungen. Röstlufttemperaturen liegen überall zwischen 450°C und 280°C.
Mirjam Baumgartner
Die äusserste Extrem-Form der schnellen und effizienten Röstung ist die sogenannte konsekutive Röstung. Im Gegensatz zu den Chargenröstmaschinen, in denen der Kaffee in festen Chargen verarbeitet wird, wird beim kontinuierlichen Rösten ständig Kaffee auf der einen Seite zugegeben, und Röstkaffee auf der anderen Seite entnommen. Probat schreibt hierzu:
“Kontinuerliche Röster ermöglichen infolge des hohen Konvektionsanteils eher kurze Röstzeiten bei geringem Einbrand. (…)
Bei meinen Kontaktversuchen mit den ganz grossen Röstereien mit kontinuierlichen Röstern war ich bislang noch nicht erfolgreich. Der kontinuierliche Röster hat neben der schnellen Abfertigung von grossen Volumen einen weiteren Vorteil, wie auch dieses Zitat aus dem Probat-Buch zeigt:
Da die Trommel bei diesem System nicht perforiert ist, können zudem Rohkaffees mit hohem Bruchanteil problemlos verarbeitet werden.”
S. 37, Industrielle Kaffeeveredelung, 2007)
Bruchanteil, schnell rösten, mahlen – da geht es in erster Linie um die effizienteste Verarbeitung, mehr oder weniger gleichbleibenden Geschmack, und nicht mehr um Qualität.
Für mich unterscheiden sich gute und weniger gute Röstereien vor allem darin, ob diese konstant arbeiten. Ob alle Chargen wie gewünscht schmecken, oder ob es zu unvorhergesehenen Malheuren kommt. Wiederum: das Verständnis der eigenen Maschine ist hier das A und O.
Je kleiner die Charge, umso größer ist das Potenzial für Abweichungen, und umgekehrt.
Grosse Röstereien sind hier also deutlich im Vorteil, wenn es um die Unterschiede zwischen den einzelnen Röstungen geht. Grosse Systeme sind träger, weil sie mehr Masse bewegen – wer sich dies aber zu Nutze machen kann, röstet unheimlich konstant.
Kleine Röstmaschinen sind anfälliger für mehr Schwankungen – das wenige Material speichert weniger Energie als größere Systeme. Temperaturschwankungen in der Rösterei können die kleinen Trommel ebenso beeinflussen, wie ein etwas anderer Luftdruck. Natürlich ist es auch möglich mit Kleinströstern präzise und konstant zu arbeiten, allerdings erfordert es eine intensive Auseinandersetzung mit den technischen Eigenheiten der Maschinen – und hier sehe ich viel Potenzial in der Kleinrösterszene.
Wenn wir nur die Konstanz anschauen, dann hatte ich bisher deutlich konstantere Röstungen von Meso-, Makro- und Mega-Röstereien vor mir. Die unkonstantesten Röstungen hatte ich bisher immer von Nano- und Mikro-Röstereien.
Es ist offensichtlich unzureichend, die Röstereien-Welt in Mikro- und industriell aufzuteilen. Es gibt verschiedene Größenordnungen dazwischen und diese sind in ihrer Funktion teils deutlich industrieller (effizienter, größer, technischer, automatisierter), obwohl sie immer noch den Anblick einer handwerklichen Rösterei haben.
Es scheint, dass der hohe Automatisierungsgrad bei großen Röstereien den Industrievergleich herholt. Der Automatisierungsgrad, der die Röstmeister:innen scheinbar nur noch auffordert, vor einem Bildschirm die Röstkurven zu überwachen, aber nicht mehr aktiv einzugreifen.
Mit mehr Automatisierung geht auch ein Teil der Romantik verloren, die so viele Röstereien erst dazu gebracht hat, selber zu rösten. Das Manuelle, das Handwerkliche, das Risiko, das manchmal etwas schief gehen kann, weil wir als Menschen falsch reagiert haben – die Garantie, dass nie alles so funktioniert wie gewünscht, ist für viele zum Inbegriff eines echten Handwerks geworden.
Bei der Frische punkten die kleinen Röstereien, die direkt oder über einen eigenen Shop verkaufen, deutlich besser. Die ganz großen Röstereien verkaufen ihren Kaffee in Retailern, die wiederum ein eigenes Zwischenlager haben. Bis der Kaffee von der Rösterei übers Zwischenlager dann im Regal steht, vergehen mehrere Wochen.
Es gibt Unterschiede, zwischen klein und gross. Und wer mehr röstet, versorgt mehr Menschen mit Kaffee, macht mehr Freunde und hat aber auch mehr Kritiker. Mehr Menge riecht nach mehr Konstanz und diese nach mehr Einheit. Einheit im Prozess und oft auch Einheit bis Einheitsbrei im Geschmack.
Im Optimalfall schmecken Kaffees von kleineren und mittleren Röstereien vielfältiger, als die von ganz grossen Röstereien. Die Nano-, Mikro- und Mikro-Röstereien mit ihren kleineren Trommelröster können kleinere Chargen rösten. Die kleineren Chargengröße lädt dazu ein, auch Kleinstmengen, sogenannte Nano-Lots, zu rösten. Das sind bisweilen höchst experimentelle Rohkaffees, die für einen Boutique-Markt gemacht wurden.
Diese kleinen Mengen sind arg limitiert und deshalb auch wertvoll – wie gemacht für eine Röstmaschine von 1 bis 15kg. Doch die kleine Chargengröße garantiert nicht unbedingt die perfekte Röstung auf Anhieb. Zwei bis drei Chargen gehen in der Regel für das Erstellen eines Röstprofils drauf, manchmal auch mehr.
Meso- und Makro-Röster können gar nicht solche kleine Mengen rösten, weil ihre Röstanlagen auf eine größere Kapazität abgestimmt sind. Grosse Röstanlagen müssen mindestens mit 70 % ihrer möglichen Maximallast geladen werden. Die grösseren Röstereien können es sich nicht leisten, ein paar Röstprofile für Top-Kaffees zu machen oder etwas auszuprobieren, was sie noch nie gemacht haben. Der Wareneinsatz verbietet es – oder wer macht schon gerne Experimente mit 140 kg Rohkaffee?
Grosse Röstereien setzen deshalb also auf Grund ihrer Größe auf Rohkaffees, die günstiger und sensorisch oft weniger charakteristisch sind. Sie brauchen Kaffees, die ein stabiles Profil aufweisen und in grosser Menge verfügbar sind. Dieser Ansatz definiert die ganze Warenkette anders als es eine kleine Rösterei machen würde: Mega- statt Microlots, Container statt Jute-Sack, Stabile Profile statt Überraschungen.
Praktisch gesehen limitieren sich die großen Röstereien durch ihre Größe selbst, sensorisch komplexe Kaffees rösten zu können, zu experimentieren und grosse Sprünge zu machen. Allerdings limitieren sich viele Kleinröstereien ebenfalls, indem sie zwar das Röstereihandwerk kommunizieren, dann aber die gleichen Rohkaffees wie die ganz Grossen rösten.
Dass Kleinröstereien aber alles besser machen, sieht Flavio Lissandrello von Birchbach Coffee überhaupt nicht so.
“Meiner Meinung nach ist oft das Gegenteil. Kleinröstereien machen leider oft, aufgrund Unerfahrenheit, Mangel an Geldern und Technologien, vieles schlechter als die grossen. Ja, meiner Meinung nach gibt es auch gute Grosse.”
Flavio Lissandrello
Auch Mirjam Baumgartner von Bühler sieht oft, dass die grossen Röstereien oft professioneller ausgerüstet sind.
Der Nachteil der grossen Röstereien ist oft, dass das Rohmaterial für die beliebten Produkte auch in grossen Mengen verfügbar sein muss. Andererseits sind grosse Röstereien häufig professioneller unterwegs was Kaffeewissen und –verständnis angeht und können sich bessere Ausrüstung leisten. Beispielsweise sind Kleinröstereien meistens auf die Trommelrösttechnologie beschränkt, da sie gar nicht die Möglichkeit haben, andere Technologien zu nutzen. Grosse Röstereien können in vielfacher Hinsicht höher entwickelte Technologien nutzen (z.B. Vielfalt der Röstprofile, auto-korrektive Profilröstsysteme, Grünkaffee-Vorwärmung, etc.). Aber es gibt natürlich wie immer auch Ausnahmen.
Mirjam Baumgartner
Knud Buck von der Röststube Lübeck, bestätigt dies. “Manchmal ist da mehr human error als mir lieb ist.” Knud röstet auf einem 1kg Giesen-Röster hauptsächlich für sich selbst.
Die Fehlbarkeit des Röstens sieht er für sich aber auch als Vorteil:
“Da ich das Rösten nur für mich selber betreibe, bin ich nicht auf Reproduzierbarkeit angewiesen. Ich habe keinen Kundenstamm, der sich auf immer gleichen Kaffeegeschmack verlässt. So bleibt mir die Freiheit, immer wieder zu experimentieren. Im Prinzip ist keine Röstung, wie die andere. Auch wenn ich mich darin übe, besonders gelungene Röstungen nachzurösten.”
Knud Buck
Experimentieren im ganz kleinen Rahmen liegt drin, aber nochmals, bei einer Chargengröße von 150 kg und mehr muss der Grund für ein Experiment richtig gut sein.
Wer gross ist, kann günstig produzieren und Tiefpreis-Märkte anpeilen – und diese Märkte sind riesig. Doch die Größe einer Rösterei selbst ist noch nicht entscheidend, ob sie nun sauberen (Defekt-freien Kaffee) einkauft oder nicht. Es hat mit dem Ansatz und dem Qualitätsverständnis zu tun.
Nespresso, die wohl weit über 100,000t pro Jahr rösten, kaufen keinen defekten Kaffee – es widerspricht dem Qualitätsversprechen und Markenbotschaft. Andere wiederum, die weit weniger rösten, aber Tiefpreismärkte anpeilen wollen, greifen durchaus auf sensorisch minderwertigen Kaffee zurück.
Für diejenigen, die “einfach einen Kaffee” oder noch besser “einen Koffeinschub” brauchen, spielt die Qualität keine entscheidende Rolle. Und die Kaffeequalität widerspiegelt das ganz genau; you get what you pay for.
Günstiger Rohkaffee ist oft schlecht sortiert, mit viel Bruch, etc., während besserer Rohkaffee auch teurer wird. Diese Gleichung ist einfach. Wer also unbedingt wenig für Kaffee bezahlen möchte, kriegt den Ausschuss. Und ja, da finden sich dann bisweilen die Qualitäten drin, die auch Laien optisch als schlechten Kaffee qualifizieren würden. Nur, dieser Kaffee kommt nicht in der Bohnenform daher, sondern gemahlen, als Instant Coffee oder in vorportionierten Einheiten.
Ich selbst habe noch nie von einer kleinen Rösterei gehört, die fiesen Kaffee erfolgreich verkauft. Diese Rösterei wäre wohl auch schnell weg von der Bildfläche. Die richtig fiesen Geschmäcker lassen sich bei den ganz grossen Röstern finden welche die Tiefpreismärkte anpeilen – aber Hand aufs Herz: wer würde denn ernsthaft beste Qualität zu günstigsten Preisen erwarten?
Wenn wir also davon ausgehen, dass die ganz großen Röstereien günstigen Rohkaffee rösten, und dies möglichst effizient, also viel Kaffee in wenig Zeit, dann kommt nicht das optimale, fein ausgetüftelte Profil zur Anwendung.
In der Regel sind es one-size-fits-all Profile, die den Kaffee über die gleiche Zeit, aber mit mehr oder weniger Endtemperatur (= heller oder dunkler) geröstet werden. So resultiert oft, dass günstiger Kaffee von großen Röstereien deutlich dunkler geröstet ist. Die starke Röstung kann Defekte übertünchen und ebnet Unterschiede ein.
Aber große Röstereien rösten natürlich auch helle Kaffees, die oft dann die “Milden” und die “Harmonischen” sind. Die Rösttiefe, oder auch der Röstgrad genannt, markiert oft den grösseren Unterschied bei den Kaffees der ganz grossen als völlig andere Mischungen. Es werden auch oft die gleichen Blends mal heller, mal dunkler geröstet, um ein eigenes Produkt zu schaffen.
Die Röstprodukte der ganz großen Röstereien sind mehr standardisierte, sensorisch anspruchslose, aber äußerst konstante Kaffees, die für die grosse Mehrheit den Zweck erfüllen.
Und da haben grosse Röstereien die knifflige Aufgabe, Kaffees genau zu verkosten, selbst zu mischen oder mischen zu lassen, so dass die immer gleich schmecken. Das ist sensorisch eintönig, aber nicht minder anspruchsvoll, als die komplexesten aller Kaffees zu verkosten.
Es ist erstaunlich, wie viele von einem “Röstgeheimnis” sprechen – von der speziellen Art und Weise, wie grüne Bohnen braun gemacht werden. Ebenso erstaunt hat mich, dass gerade die großen Röster offen über ihre Art, Kaffee zu rösten, gesprochen haben. Viele sahen es wohl auch als Fenster, mal mit den Gerüchten von “800° und zwei Minuten” aufräumen zu können. Wir haben nachgefragt, bei ganz klein und ganz gross.
Knud Buck ist wohl das, was einem Nano-Röster am Nahesten kommt. Wer seinem Instagram-Channel folgt, sieht, wie akribisch Knud versucht, jeden Parameter des Röstens, aber auch der Zubereitung zu perfektionieren. Ein richtiges Labor. Er röstet auf einem 1kg Giesen Röster, die Chargen liegen bei 750g.
“Diese Menge lässt sich hervorragend kontrollieren und ich kann doppelt so viele Röstungen machen, also doppelt so viel Erfahrung sammeln, als würde ich immer das Chargenmaximum wählen”, so Knud.
Das absichtliche Unterfüllen der Rösttrommel lässt einem die Röstzeit drastisch kürzen. Die kleine Rösttrommel hat aber auch ihre Schwächen, so Knud. “Größere Röstanlagen haben bauartbedingt eine größere thermische Masse, was, zumindest theoretisch, für mehr Stabilität im Röstverlauf sorgen könnte.”
Für ihn ist das Rösten von Kaffee ein Hobby, aber eines, das er wohl so präzise wie wenige Kleinröstereien betreibt.
“Ich verbinde Kleinröster mit Handwerk, mit mehr Liebe, mit mehr Hingabe und somit im Endeffekt mit mehr Qualität in der Tasse. Das muss aber nicht immer stimmen!”
Knud Buck
Die Röstzeiten liegen bei Knud zwischen 7 und 15 Minuten mit maximalen Bohnentemperaturen von 205°. Diese Temperaturangaben sind immer mit Vorsicht zu geniessen, da sie nicht verglichen werden können.
Knud röstet wie viele andere von mir befragte Röster in einer Facebook-Umfrage nach dem 1. Crack und der Entwicklungszeit.
“Bei den meisten Filterröstungen versuche ich, den First Crack (FC) nach 9:00 Minuten zu erreichen und rechne ab da mit einer Entwicklungszeit zwischen 12 und 18%, je nach Kaffee. Ein weiterer Anhaltspunkt ist die Temperaturentwicklung vom FC bis Endtemperatur, hier geht meine Range von +4°C bei hellen Filterröstungen bis zu +10°C für Espressi. Dunkler röste ich nicht.”
Auch die Rate of Rise ist für Knud massgebend: “Gerade wenn man sich mit anderen Röstern austauscht und über Röstprofile spricht, ist die RoR wesentlich aussagekräftiger, als der Vergleich der absoluten Temperaturen. Für mich ist die RoR die entscheidende Größe zur Beurteilung von Röstprofilen.”
Unsere Röstphilosophie hängt stark mit den Rohkaffees zusammen, die wir einkaufen. Schwerere Kaffees benutzen wir tendenziell für einen Espresso und florale und fruchtige Kaffees rösten wir eher für Filterkaffees.
Jeden Kaffee behandeln wir etwas anders. Nicht, weil wir das einfach so wollen, sondern weil der Kaffee es so verlangt. Ein Kaffee aus Brasilien von der Kooperative APAS z.B. verhält sich in der Rösttrommel anders als ein Kaffee von unserer Finca Santa Rita in Nicaragua.
Hätten wir ein Röstdogma, würde es wohl so ausschauen:
Wir füllen die 12 kg-Trommel für Filter mit 4-5kg, für Speciality Espresso mit 8-11kg und für etwas entwickeltere Espressi mit 12kg. Die volle Auslastung der Trommel verlangt einen anderen Gasaufwand, als eine weniger gefüllte Trommel. Ebenso verlängern wir damit die Röstzeiten.
Wir rösten mit der Röstsoftware von Cropster und analysieren dabei live, wie wir rösten. Wir folgen den selbst erarbeiteten Röstkurven und können so sicher gehen, dass die Röstung – theoretisch – gleich schmeckt. Dazu kommt, dass wir die Chargen verkosten und so den Kaffee sensorisch mit der Röstkurve abgleichen können.
Über die Zeit hinweg, in der ein Rohkaffee bei uns im Lager ist, ist es gut möglich, dass wir das Röstprofil mehrmals anpassen. Wenn wir einen Kaffee im Hochsommer bekommen, und den bis Weihnachten rösten, müssen wir das Profil entsprechend der Außentemperatur anpassen. Das macht das Rösten von Kaffee nie langweilig.
Beatrice Rast von der Kaffeerösterei Rast schreibt mir folgende Zeilen.
„Ich finde es allgemein schwierig wertende Unterschiede zwischen groß/klein zu machen; wir überlassen eine Beurteilung (auch über Manufaktur / Industrie) lieber dem Kunden und konzentrieren uns auf unsere Arbeit, d.h. wir setzen den Fokus lieber auf uns und haben den Ansporn, uns stetig weiterzuentwickeln und den Kunden, von unserer Arbeit, unserem Kaffee, Service und Qualität zu überzeugen.
Wir rösten in Ebikon auf Probat-Trommelröstern, diese in verschieden Grössen (5, 12, 45 & 90kg). Dies macht uns sehr flexibel und wir können so auf unsere Kunden besser eingehen, um Ihnen unsere Röstfrische zu garantieren. Der Röstkaffee wird bei allen Maschinen mit Luft gekühlt.
Unsere Röstzeiten und Temperaturen variieren je nach Maschine, Rohkaffee, Röstprofil. In der Regel rösten wir um ca 15 – 20 Minuten, da wir von hell über medium bis dunkel alles im Sortiment haben, sind natürlich auch die Endtemperaturen sehr unterschiedlich und variieren dementsprechend.
Durch unsere tendenziell lange Röstzeit kann sehr viel Chlorogensäure abgebaut werden, was den Kaffee eher bekömmlich macht, aber natürlich aufgrund des hohen Zeitaufwandes auch kostenintensiver ist.
Geröstet wird nach von uns entwickelten Röstprofilen, Zeiten, Farben, End- und Entwicklungszeiten. Beim Rohkaffee-Einkauf oder beim Einkauf von Materialien streben wir langjährige Partnerschaften an und wollen hier in enger Beziehung mit unseren Partner sein.”
Bei der Hochstrasser AG Kaffeerösterei in Luzern sprach ich mit Produktionsleiter Kevin Heer und Röstmeister Andy Strittmatter. Hochstrasser gehört zu den zehn größten Röstereien in der Schweiz und röstet ca. 1500 Tonnen Kaffee jährlich.
Auf vier Röstanlagen (5kg, 60kg, 120kg und 240kg) kann Hochstrasser verschiedensten Wünschen gerecht werden. Das Unternehmen röstet schon länger nicht mehr nur für sich, sondern erfüllt verschiedenste Private Label Wünsche.
Je größer die Röstereien, umso wichtiger wird das Private Labelling – es hilft der Rösterei, die grossen Kapazitäten effizient zu nutzen. Für Private Label Kunden ist es wiederum attraktiv, da konsistent und günstig Kaffee fremd produziert werden kann.
Kevin Heer sagt: “Wir rösten ausschliesslich mit Trommelröstern des Branchenführers Probat. Des Weiteren sind wir sehr leistungsfähig und können grosse Aufträge in hoher Qualität ausführen und wir sind auch flexibel genug um Kleinstaufträge auszuführen.”
Der größte Trommelröster von Probat ist fast so groß wie ein kleiner Lastwagen. Mit der Peripherie rund herum, den Abluft- und Zuluftrohren, den Leitungen für den Röstkaffeetransport und dem Nachbrenner, nimmt die Anlage den Platz eines kleinen Einfamilienhauses ein.
Mit dem Trommelröster verlängern sich auch die Röstzeiten. So röstet Hochstrasser zwischen 13 und 17 Minuten, also Zeit-technisch sehr ähnlich, wie wir Kaffeemacher auch. Die Röstmeister bei Hochstrasser überwachen den Röstvorgang auch am Monitor, dieser steht jedoch beim Röster. Die physische Nähe zum Röster selbst ist da gegeben, vor allem dann, wenn Spezialaufträge nach den Eckpunkten wie dem 1. oder 2. Crack geröstet werden sollen. Diesen markieren die Röster manuell.
Die Rösttemperaturen (die Heissluft-Durchflusstemperatur) liege zwischen 230 und 250 Grad. Die grösseren Anlagen bergen einige Vorteile, so Heer:
“Bei grossen Röstanlagen hat man eine viel grössere Konstanz, auch durch die vielen Einstellmöglichkeiten der Anlage.”
Zur schonenden Langzeitröstung betont Heer, dass vor allem die Energiezufuhr auf die Bohnen schonender ist, wenn sie über viel heisse Luft geheizt werden, und nicht direkt durch die Kontakthitze der Trommel.
Grosse Röstereien wie Hochstrasser quenchen den Kaffee teilweise, “aber nur mit so viel Wasser, dass der Röstkaffee kein Wasser aufnimmt”, so Heer.
“Aus unserer Sicht wird die Qualität durch die Röstzeit, die Röstkurve durch die Röstanlage definiert. Wenn alle diese Faktoren stimmen ist es mit einer grösseren Röstanlage möglich mehr Konstanz zu erhalten. Weitere wichtige Faktoren für uns sind die Rohkaffeequalitäten, die Qualitätskontrollen vom Roh und Röstkaffee (mittels Cuppings) und anschließend eine optimale Verpackung um den Röstkaffee zu schützen.”
Auch mit der Produktionsleitung von Melitta konnte ich ein interessantes Gespräch führen. Der Umgang mit den Röstinformationen war sehr offen. Später wurde mein Text, den ich auf der Basis eines Interviews geführt habe, nochmals abgeändert und den Richtlinien des Unternehmens angepasst. So resultiert nun ein Text, dessen Grundlage meiner ist, dann aber noch abgeändert wurde.
Freigegebener Text von Melitta
Im Gespräch mit Dörte Lämmerhirt (Leitung Produktion im Geschäftsbereich Kaffee von Melitta) wurde klar, dass man sich auch dort mit der Entwicklung im Spezialitäten- und Kleinröster-Segment beschäftigt.
Melitta röstet auf verschiedenen Röstern, unter anderem auf Trommel- oder Kammerröstern. Die mögliche Chargengröße liegt bei bis zu knapp 10 Kaffeesäcken.
Wer sehr große Mengen Kaffee röstet, benötigt große Chargen, das ist klar. Das geht laut Lämmerhirt nicht auf die Kosten der Röstzeit: „Die high yield Röstungen von wenigen Minuten verfolgen wir nicht – und ich bin mittlerweile fast eine Dekade mit an Bord“. Die Röstzeiten bei Melitta liegen zwischen sieben und bis zu 20 Minuten – je nach Sorte und Kaffeesegment. So haben zum Beispiel dunkle Espressi eine sehr lange Röstzeit.
„Nichts von zwei Minuten bei 800 Grad“. Lämmerhirt betont, dass guter Kaffee Zeit braucht. Melitta röstet vor allem nach der Röstfarbe und der Endtemperatur. Die Röstanlagen werden aus einer Zentrale bedient, von wo aus die Kaffee-Röst-Profile exakt angesteuert werden.
Große Maschinen erlauben Melitta, den Kaffee sehr konstant und in gleichbleibend guter Qualität zu rösten. „Dies hat auch mit der hohen Qualitätserwartung unserer Konsumenten an unsere Produkte zu tun, die wir damit jederzeit erfüllen.“ Der Human Error geht da gegen Null, da vieles automatisiert ist. „Wir reden viel über Kaffee”, so Lämmerhirt, „und der ist nicht immer gleich”. Rohkaffee ist ein Naturprodukt, das trotz Spezifikation keine standardisierten und immer gleichen Eigenschaften mitbringt. „Bei Melitta stellen wir uns mit den Röstprofilen individuell auf jeden einzelnen Rohkaffee ein.“
Die Röstung an sich ist nicht nur für große Röster mit ein wichtiges Thema, so Lämmerhirt. Ist die Röstung doch allgemeinhin Ausdruck für hohe Qualität, die das Unternehmen Melitta seit über 111 Jahren verfolgt. Es ist allerdings auch klar, dass der Manufakturgedanke und Spezialitätenkaffees bei den Konsumenten immer häufiger etwas Positives auslösen.
Allerdings ist dies verallgemeinert: „Es gibt hervorragende und schlechte Röstungen – bei den ganz Kleinen und bei den ganz Großen.”
Auch bei der Delica kennt man die Argumente und auch Behauptungen anderer Röstereien, dass die Grossen nicht gut rösten würden. Nicole Gisi, Projekt Manager, ehemalige Röstmeisterin und Autorin des Buches «Kaffee. Genuss-Passion-Wissenschaft» dazu:
“Da stehen wir drüber, da wir die Wahrheit kennen. Schlussendlich ist jeder selber von sich überzeugt, das Richtige zu tun. Wir in der Delica AG sind stolz, dass wir mit unseren Röstverfahren den gewerblichen Röstern ebenbürtig sind. Es ist nicht die Größe der Rösterei, sondern die Erfahrung, das Röstverfahren und die Qualität des Rohkaffees, wie auch die Mahl- und Extraktionmethode das guten Kaffee macht.”
Gisi führt weiter aus, dass Klein und Gross weder gut noch schlecht ist: “In meinen Augen gibt es weder Vor- noch Nachteile, denn man muss sich der Situation anpassen und entsprechende Vorkehrungen treffen.”
Gisi und ihr Team röstet auf Tangential und einem Zentrifugal Röster. Die Chargengrößen liegen zwischen 140 – 500 kg, jährlich rösten sie so etwa 17’000 Tonnen Kaffee.
Sie hält nichts von den 2 Minuten und 800° Behauptungen – “wir rösten mindestens 7 Minuten, die längsten Röstzeiten sind 20 Minuten”.
Zur schonenden Langzeitröstung macht Gisi klar, dass es hier nicht um Qualität geht, sondern nur um die Vermarktung eines Röststils:
“Das sind Marketingaussagen, mit wenig Aussage über die Qualität.
Nicole Gisi zur schonenden Langzeitröstung
Natürlich gibt es in Bezug auf Röstdauer Parameter, welche auf hochwertige Qualität hinweisen. «Handgeröstet» ist für mich kein Qualitätsmerkmal. Der Röster steht neben dem Röster und beendet die Röstung manuell – je nach Erfahrung, Lichtverhältnissen und Tagesform des Rösters werden die Röstungen anders schmecken und riechen, da der Prozess nicht standardisiert ist – dies ist auch eine Philosophie, doch wenn der Kunde stets dasselbe Resultat erwartet, ist eine Standardisierung des Prozesses nötig.” (Handwerk beinhaltet Menschen und erhöht somit das Risiko für Fehler. Je höher der Automatisierungsgrad, desto weniger Überraschungen – aber auch umso weniger Mut).
“Wir versuchen die Fehlerquote so tief wie möglich zu halten auf allen Stufen, damit der Konsument stabile Endprodukte bekommt.”
Zum Thema Chlorogensäure äußerte sich Gisi ausführlich.
“Unter Chlorogensäure wird eine Gruppe von Estern aus Hydroxyzimtsäure und Chinasäure verstanden. Die Chlorogensäure sowie ihre Abbauprodukte tragen bedeutend zur Geschmacks- und Aromabildung sowie zur Farbbildung im Kaffee bei. Da die Chlorogensäure thermisch instabil ist, wird diese während des Röstprozesses durch Hydrolyse zu Chinasäure und Kaffeesäure abgebaut. Bei starken Röstungen kann ein nahezu vollständiger Abbau zu verschiedenen phenolischen Verbindungen stattfinden. Ihre Abbauprodukte können sauer und adstringierend sein. Bei einer unvollständigen, resp. sehr hellen Röstung bleiben größere Mengen an Chlorogensäure in der Bohne. Sie kann bei empfindlichen Menschen zu Unverträglichkeit und Magenbeschwerden führen.”
Im Gespräch mit Michael Körnig von der NewCoffee GmbH, der Aldi Kaffeerösterei, erfuhr ich ebenfalls vieles über die jüngste Geschichte des Röstens auf großer Skala.
Ich wollte aber zuerst von ihm wissen, wie er zu kleineren Röstereien steht?
“Ich freue mich immer, wenn ich bei kleinen Spezialitätenröstern besondere Microlots entdecke. Die kleinen Röstereien haben hier Möglichkeiten, die wir als großer Betrieb nicht haben. Sie können geschmackliche Details herausarbeiten und sind sicher eine Bereicherung für die Kaffeelandschaft.”
Michael Körnig, NewCoffee GmbH
Körnig machte wie Wenige klar, dass es vor allem technische Unterschiede gibt, die Spezielles zulassen oder nicht. Er unternahm nicht den Versuch, dies weg zu diskutieren, sondern spürte viel eher den Möglichkeiten nach.
“Ich sehe bei kleinen Röstereien viel Gutes, aber auch wir Großen haben unsere Vorteile. Die Abnahme von Microlots ist für uns allerdings nicht möglich, da wir keine Kleinstmengen verarbeiten können. Wir benötigen Kaffeemengen, die für die Belieferung von rund 1940 Filialen ausreichen.”
Im krassen Gegensatz dazu: wir haben als Kaffeemacher gerade ein Nanolot von 70kg gekauft. Davon machen wir ca. drei Proberöstungen und verkaufen danach noch 55kg – für uns lohnt sich das, da wir Filterkaffee als 5 kg-Chargen rösten. Für alle etwas größeren Röster wird es da schnell kompliziert bis unmöglich.
Zwar sei es für die NewCoffee schwierig, Kleinstmengen zu verarbeiten. Die Verwendung unterschiedlicher Profile sei jedoch möglich. “Unser Geschäftsmodell unterscheidet sich einfach.” Er sieht den Hebel der Großen vor allem beim Automatisierungsgrad in der Abpackung: “Wir können unter anderem preiswerter verpacken. Das senkt die Arbeitskosten und versetzt uns in die Lage, qualitativ hochwertige Kaffees zu günstigen Preisen anbieten zu können.”
NewCoffee röstet für ALDI sowie weitere externe Kunden an zwei Standorten – in Ketsch und Mülheim an der Ruhr.
Bei den Röstzeiten unterscheidet NewCoffee zwischen Mahlkaffees und Kaffees für Kaffeepads, die zwischen 6-9 Minuten liegen und Bohnenkaffees, die in der Regel 12 Minuten und in Ausnahmen auch mal 15 Minuten geröstet werden. Für große Röstereien sind das Zeiten, die man sich so wohl nicht vorgestellt hätte.
Körnig dazu: “Ein Grund für längere Röstzeiten, vor allem bei den Mahlkaffees, war die Acrylamid-Problematik. Ist diese zu kurz, wäre der Acrylamid-Pegel zu hoch. Deswegen liegt bei uns keine Röstzeit unter sechs Minuten.“ ”
Körnig nennt, wie auch Gisi zur Chlorogensäure, konkrete Fakten zu Themen, zu welchen große Röstereien immer wieder angesprochen werden. Kleinere und mittlere Röstereien treffen Untersuchungen und Proben zu Acrylamid, Furan sowie OTA und Rückständen im Kaffee deutlich weniger bis gar nicht – obwohl alle vier Themen da nicht auszuschließen sind.
Auch zum “High Yield Verfahren” äußert sich Körnig präzis – “das haben wir nie gemacht”. Nach Internetrecherchen wurde bei dem Verfahren Kaffee in 90 Sekunden geröstet. Das Volumen des Kaffees nahm viel mehr zu als sonst, die Dichte war gering, plötzlich brauchten 400g Röstkaffee den Platz von 500g Röstkaffee. Hier nachzulesen in einem Artikel von 1984 vom Spiegel.
Es ist also doch was dran mit den 90 Sekunden Röstungen – die Frage aber ist, ob das heute immer noch so ist? Ich bin überzeugt, aber an die Röstereien bin ich noch nicht rangekommen.
Die “schonende Langzeitröstung” sieht Körnig differenziert:
“Was ist schonend? Die Langzeitröstung bringt ein anderes Geschmacksprofil mit sich, aber es werden auch Säuren abgebaut. Ungewollte und Gewollte. Kaffee schmeckt dann oft einfach gebacken.”
Michael Körnig
Auch zur Chlorogensäure äußert sich Körnig: “Chlorogensäuren sind in Kaffees enthalten, aber vor allem bei ganz kurzen Röstungen. Da wir mindestens sechs Minuten lang rösten, taucht das Problem bei uns kaum auf. Aber wir rösten zu 90 Prozent Arabica und kaum Robusta – und da der Anteil der Chlorogensäure im Robusta deutlich höher ist als im Arabica, betrifft uns das nicht so stark.”
UCC, die Ueshima Coffee Company aus Japan, röstet in der Schweiz in Zollikofen bei Bern. UCC röstet viel Private Label, unter anderem gehören große Retailer der Schweiz zu den größten Kunden. Benjamin Schütz von UCC hat mit mir über ihren Röststil gesprochen.
Schütz sieht die Vorteile bei den grossen Röstanlagen bei der Konstanz. “Wir definieren 12 bis 13 Eckpunkte in einem Profil und der Röster fährt diese ab, komme was wolle.” UCC röstet auf zwei Röstern der Firma Lilla aus Brasilien mit je 500 kg Kapazität.
Die Chargengrößen belaufen sich zwischen 400 und 500 kg. Die Lillas sind Trommelröster, also andere Systeme, als wir bei Aldi, Delica oder Melitta angetroffen haben. Trommelröster sind weniger effizient wie Heissluftsysteme, und so sind auch die Röstzeiten im Durchschnitt deutlich länger: zwischen 12 und 16 Minuten dauert eine Röstung bei UCC.
So grosse Trommelröster funktionieren deshalb, weil die heisse Abluft z.T. rezykliert wird und wieder ins System geführt wird. So muss diese “neue” Luft nicht mehr aufgeheizt werden. Würde nur Frischluft angesaugt, wäre das schnelle Rösten mit so einer Maschine nicht möglich.
Pro Stunde röstet UCC vier bis fünf Chargen, was sich auf gut 7000 Tonnen pro Jahr gerösteten Kaffee beläuft. In einer Schicht arbeiten neben dem Röstmeister noch etwa vier weitere Personen, die sich um die nachgelagerten Prozesse wie das Mahlen und das Verpacken kümmern.
Die Taktierung der Röstungen ist sehr hoch, das heisst, dass die Zeit zwischen den Chargen sehr kurz ist. Nur ca. 10 Sekunden ist der Röster leer, bevor neuer Rohkaffee eingefüllt wird.
UCC röstet dann bis zur gewünschten Farbe, nach welcher sie das Ende der Röstung bestimmen. Auch hier spielen der 1st Crack, die Entwicklungszeit und die Rate of Rise keine Rolle. Ganz anders bei Röstereien mit kleineren Systemen, wo diese Orientierungshilfen viel mehr benutzt werden.
Zur schonenden Langzeitröstung äussert sich Schütz wenig diplomatisch. “Das ist doch wie Niedergaren. Beim Fleisch aber schmeckts.” Was er zur Aussage denkt, dass Kaffee “von Hand geröstet” wird, muss er schmunzeln. “Ja, Röstmaschinen können von Hand betätigt werden. Aber das wäre es dann auch.”
Wie bei vielen grösseren Röstereien wird auch bei UCC gequencht, also den Röstkaffee direkt nach dem Austritt aus der Rösttrommel mit Wasser gekühlt. 70 bis 74 l werden für einen 500 kg Batch Kaffee gebraucht, was dann ca. 3 -3.5% Restfeuchte in der Bohne bedeuten. Gequencht wird noch in der Trommel nach Erreichen der vorgegebenen Endtemperatur.
Schütz hat wie Gisi einen naturwissenschaftlichen Hintergrund und nimmt die Chlorogensäuren-Diskussion dankend auf.
“Der Magen muss Säuren aufnehmen können, das ist seine Funktion. Wenn Säure kommt, muss er es mit Basen auffangen. Wenn er aber schon übersäuert ist, z.B. durch tierische Eiweisse, dann hat der Körper viel mehr Mühe, saure Lebensmittel zu verarbeiten. Es kann zu Magenbrennen kommen.”
Benjamin Schütz, UCC Switzerland
Für Schütz ist klar, dass Chlorogensäuren alleine nicht magenschädlich sind, sondern dass die Ernährung generell die Aufnahmekapazität von Kaffee bedingt. Und, klar, ob jetzt noch Zucker in den Kaffee gegeben wird, hat auch einen Einfluss. Mehr Zucker heisst mehr Säure im Magen.
Die Informationen aus den Gesprächen haben wir extrahiert und zum Vergleich in einer Tabelle eingeordnet.
Nano | Nano | Mikro | Meso | Makro | Mega | Mega | Mega | Mega | |
Röststube Lübeck |
Birchbach Coffee |
Kaffeemacher | Rast | Hochstrasser | UCC Switzerland | Delica AG | Aldi / NewCoffee GmbH |
Melitta | |
geröstete Menge pro Jahr in Tonnen | <1 | 3 | 26 | k.A. | 1500 | 7000 | 17000 | k.A. | k.A. |
Anzahl Röstmaschinen |
1 | 1 | 1 | 4 | 4 | 2 | 3 | k.A. | k.A. |
Chargengrösse min. | 0.7 |
1 | 4 | 5 | 230 | 420 | 140 | k.A. | k.A. |
Chargengrösse max. | 0.7 | 1 | 12 | 90 | 280 | 500 | 500 | k.A. | 650 |
Röstzeit min. | 7:00 | 8:30 | 9:00 | 15 | 13 | 10:30 | 07:00 | 06:00 | 07:00 |
Röstzeit max. | 15:00 | 10:00 | 16:30 | 20 | 17 | 15:00 | 20:00 | 15:00 | 20:00 |
Definition Röstende | |||||||||
Zeit | x | x | x | x | x | x | |||
Endtemperatur | x | x | x | x | x | x | x | x | |
Farbe | x | x | x | x | x | x | |||
Priorität bei Röstphilosophie |
|||||||||
1. Crack | 1 | 3 | 1 | 1 | |||||
2. Crack | 3 | ||||||||
RoR (Rate of Rise) | 1 | 1 | 1 | ||||||
Endtemperatur | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | |||
Entwicklungszeit | 1 | 2 | 1 | 1 | |||||
Röstfarbe | 4 | 2 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Die Etappen der Röstung wird von den Röstereien verschiedenartig gemessen. Bei einer Umfrage auf Facebook haben mir die allermeisten Spezialitäten- und Kleinröster die folgende Reihenfolge genannt:
Die “totale Röstzeit” hat von den Stimmen im Röster-Forum keine einzige Stimme bekommen, die Endtemperatur auch nur drei.
Damit ist der Unterschied zu den grossen Röstereien klar: ab einer gewissen Grösse der Rösterei (Meso- und aufwärts) wird in der Regel nach Röstzeit, Endtemperatur und Röstfarbe geröstet. Der 1. Crack, die Entwicklungszeit und die Rate of Rise spielen wenn überhaupt eine nebensächliche Rolle. Umgekehrt verhält es sich bei Nano- und Mikroröstereien, die physisch näher beim Röster stehen, den 1. Crack hören, markieren und danach die Entwicklungszeit ableiten.
Mirjam Baumgartner von Bühler bestätigt diese Erkenntnisse:
Nach meiner Erfahrung orientieren sich nur kleine, händische Betriebe in der täglichen Produktion am 1st und 2nd crack. Diese Betriebe rösten mit viel Expertise und Aufmerksamkeit des Röstmeisters.
Bei einer grossen Rösterei ist natürlich vom 1st und 2nd crack die Rede wenn es um die Entwicklung einer neuen Röstung geht, es ist aber unvorstellbar, dass ein Röstmeister diese Parameter bei jeder Röstung 1:1 beobachtet. In diesem Fall verlässt man sich auf die Reproduzierbarkeit des Rösters und bricht in den meisten Fällen nach Temperatur ab. Dies kann durchaus auch bei kleinen Röstereien der Fall sein.
Mit anderen Worten: Wenn die Röstmaschine die Temperaturführung im Griff hat, dann finden 1st crack und 2nd crack immer zum genau gleichen Zeitpunkt statt. Der Röstmeister einer Grossanlage braucht in diesem Fall dem cracking keine Beachtung mehr zu schenken.
Es zeigt sich alle paar Wochen: grosse Röstereien werden noch größer, und das spüren auch die Röstmaschinen-Hersteller. Nochmals Baumgartner dazu:
Die Kernkompetenz von Bühler als Maschinenbauunternehmen ist der Anlagenbau, weshalb auch der Infinity Roast unser Flagship Röster ist. Er kommt in 180 kg, 360 kg oder 540 kg Chargengrößen, bietet volle Flexibilität und Reproduzierbarkeit durch variables air-to-bean-ratio und durch auto korrektives Profilrösten. Unsere größte Anlage produziert in den USA mit zwei Infinity Roast rund 6 t/h im Dauerbetrieb, wir haben aber weltweit grosse Röstereien als Kunden.
Unsere vorgeschlagene Einteilung in fünf Kategorien: Nano, Mikro, Meso, Makro, Mega, dürfte schon bald mit “giga” ergänzt werden – und dies trifft schon heute auf bestimmte Röstereien zu.
Gleichzeitig gibt es einen Gegentrend, die der Nano- und Mikroröstereien. Spannend wir hier zu beobachten sein, wie gross Nano-Röstereien werden, ob sich Mikroröstereien im Wachstum limitieren, oder zu einer Meso-Rösterei werden, oder sogar mit einer anderen Mikrorösterei fusioniert. Wir führen eine aktuelle Sammlung der Kaffeeröstereien in der Schweiz, Quijote Kaffee führt eine Sammlung der Röstereien in Deutschland.
Es macht immer mehr Freude, auswärts Kaffee zu trinken. Generell wird das Kaffeeangebot bunter – und hier reden wir nicht von Getränkekategorien, sondern von Geschmacksprofilen, die Konsument*innen heute bekommen können.
Immer mehr Nano- und Mikroröstereien setzen voll auf die Karte Spezialitätenkaffee. Aus ausführlich besprochenen Gründen können diese kleineren Röstereien den Fokus anders legen, als Grosse.
Jacobs und Dallmayr haben es vorgemacht, andere werden noch folgen. Grosse Röstereien setzen immer mehr auf kleinere Projekte, auf kleinere Röstereien, die ihnen dieses Segment erschließen sollen, welches sie sonst nicht angehen können. Die Grossen haben verstanden, dass der Manufakturgedanke eben nicht pures Marketing ist, sondern wirklich eine Botschaft, die für viele Konsument:innen das Gefühl auslöst, etwas Echtes in der Hand zu halten. Da helfen schöne Prospekte und Kampagnen nicht drüber hinweg – für viele ist das Kleine einfach das Echtere.
Die Frage bleibt, wie glaubwürdig die Klein-Projekte der großen Röstereien sein werden. Am Know-How, dem Zugang zu Rohkaffee und zum Röstverständnis wird es nicht scheitern – die Akzeptanz bei einem auf Spezialitätenkaffee gepolten Publikum allerdings sehe ich als limitiert an. Der grosse Name dürfte für viele immer noch über dem Dargebotenen stehen. Ich bin gespannt, wer das Produkt vom Namen wird trennen .
Diese Artikel über das Rösten wird von mir weiter ergänzt. Weitere Hersteller und Röstereien sollen hinzu kommen. Vielleicht ist auch noch die eine oder andere Rösterei bereit Röstprofile bei zu steuern.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
9 Kommentare
Aus der Perspektive der Kundenzufriedenheit haben Firmen unterschiedlicher Größen ganz andere Herausforderungen zu bewältigen. Eine kundenspezifische Spezialröstung in Kleinstmengen kann nicht mit einer größeren Röstcharge für unterschiedliche Abnehmer verglichen werden. Der Anspruch, mit einer größeren Röstcharge zahlreiche Kunden auf Basis ihrer Bedürfnisse zufriedenzustellen, ist genauso anspruchsvoll wie der eines Mikrorösters, der eine individuelle Kundenbestellung zufriedenstellen muss.
Oftmals liegt ein fehlbares Tassenprofil nicht einmal beim Röster, sondern am Mangel der Ausbildung und Fachkenntnisse des Cafetiers. Im Sinne der Kaffeemacher wäre es zielführender, wenn eine solche Berichterstattung die strategische Ausrichtung einer Unternehmung differenzierter darstellt. Diese Spiegelung obliegt ebenfalls dem Barista, wenn dieser innerhalb von 20 Minuten 300 Personen verpflegen muss. Eine solche Situation verlangt ein maßgeschneidertes Konzept mit höchsten Qualitätsansprüchen, punktuell auf das einzelne Konzept bezogen.
Ein solch differenzierter Ansatz würde der Komplexität und den individuellen Herausforderungen der verschiedenen Unternehmensgrößen gerecht werden.
Kompliment zu diesem ausführlichen Artikel. Gibt es eine Übersicht von Spezialitätenröstereien mit Ihren jeweiligen Röstmengen. Also eine Konkretisierung deiner Einstufung mit mehr Beispielen?
Herzliche Grüße
Markus
Schön, dass Du im obigen Text wieder ein bisschen Ordnung in unseren Kaffee-Kosmos bringst, mit weiteren (z.T. plumpen) Halbwahrheiten (zB Kleinrösterei = qualitätsbewusst, kompetent, "die Guten") aufräumst und ein Stück weit auch das Marketing einiger kleinerer Röstereien (<Mega) ansprichst - höchste Eisenbahn. Und ich möchte folgend ein wenig auf diesem Punkt rumhupen.
Es ist seit Jahren ein müssiges Thema, das ausgelutschte Werben vieler dieser (<Mega) Röster (DACH) mitanzusehen; 'Gross vs Klein' (ich kenne Kleinröster die schlechtere Qualitäten als die Grossen einkaufen), "Langzeit" vs "2min" (wtf!), "Zusätzliche Aromastoffee in Nespressokapseln" (c'mon), "100% arabica vs canephora" (Steinzeitdenken), "pseudo-wissenschaftliche Statements zu Chlorogensäuren" usw. Marketing mittels Diffamierung (und leider auch ungestrafter Lügen) ist sehr einfach - sich mit seinen eigenen, echten Stärken im Markt hervozuheben (u.a. mit qualitativen, reflektierten, selbstkritischen Texten wie ihr es macht), seine Schwächen sich einzugestehen und daran zu arbeiten ist einiges aufwändiger und angreifbarer. Natürlich machen die Mega-Röster vieles nicht richtig und deren Marketing ist auch nicht immer über alle Zweifel erhaben - aber es zeigt nicht mit dem Finger auf Andere bzw. ist auch nicht negativ konnotiert.
Die (<Mega)-Rösterszene geniesst aber auch im Bezug aufs Rösten eine nach wie vor viel zu hohe Narrenfreiheit: es fehlt an Konstanz (und das wohlgemerkt bei gleichem Verkaufspreis ("5.50 für eine sauer-salzige Pfütze (Offizielles Cup Profile: lemongras, almond, orange zest), oder zu Kohle verbrannte und dann gebrühte Bohnen (Offizielles Cup Profile: cacao, strong body) --> beides bekommt von mir Note 1! Formulierungen der Geschmacksprofile werden oft beschönigt und von ziemlich weit hergeholt und die Ernsthaftigkeit der Umsetzung von Hygienemassnahmen in vielen (<Mega) Röstereien (FehlendeKopfbedeckungen, Röstkaffee mit den Händen anfassen usw.) bewegt sich m.E. ebenfalls in einem dunkelgrauen Bereich.
Schön aber ist, dass das generelle Bewusstsein für Kaffee und das Röstwissen wächst. Nano bis Mega liefern dazu jeweils auf ihre eigene Art und Weise einen wichtigen Beitrag dazu. Beides hat seine Berechtigung, beides muss sich stetig verbesseren. Aber bitte damit aufhören, irgendwelchen Scheiss zu verzapfen.
Liebe Kaffeemacher, weiter so!
Was denkst du?