Kaffee ist ein Halb-Frischeprodukt. Ist er zu frisch, schmeckt er nicht. Ist er zu alt verliert, er an Intensität. Dazwischen liegt das Alter, welches die meiste Aromatik und die beste Balance verspricht. Doch wann und wie sind Alterserscheinungen spürbar? Wir haben das mit unseren Kaffees getestet: Leica, Henrique und Dreispitz auf dem Prüfstand.
Seit 2019 empfehlen wir auf unseren Kaffeepackungen, dass der Kaffee zwischen zwei Wochen und zwei Monaten nach der Röstung getrunken werden soll. Das ist eine Empfehlung, da uns in dieser Zeitspanne der Kaffee am besten schmeckt. Gleichzeitig wissen wir, dass unsere Kund:innen den Kaffee eher schnell trinken, und ihn nicht horten. Somit glauben wir, dass eine Mehrheit unsere Kaffees zwischen einer und drei Wochen trinkt.
Doch: Warum schmeckt frischerer Kaffee nicht noch besser? Bleibt der Kaffee zwischen 2 Wochen und 2 Monaten nach der Röstung stabil? Und ist er danach untrinkbar?
Wir haben unsere Empfehlungen bei drei Kaffees aus unserem Sortiment überprüft – mit dem Leica, dem Dreispitz und dem Henrique. Die Kaffees haben verschiedenartig auf das Altern reagiert. Lasst mich zuerst erklären, warum Kaffee altert.
Kaffee wird alt, weil er noch lebt. Genauer gesagt, weil sogar im getrockneten Rohkaffee immer noch Feuchtigkeit vorhanden ist (oft zwischen 9 – 12%). Der Embryo im Rohkaffee ist zwar eingeschläfert, aber immer noch keimfähig. Rohkaffee ist theoretisch noch lange haltbar, sobald er geröstet wird, tickt die Uhr aber rasant.
Wir reden immer von altern, oder Alterserscheinungen, aber nie von verdorbenem Kaffee. Dass Kaffee aus gesundheitlichen Gründen untrinkbar werden soll, hätte dann mit einer extremen Lagerung zu tun – einer hohen Feuchte und schliesslich Schimmelbefall, das ist natürlich nicht zu empfehlen. Es würde wohl auch kaum jemand verschimmeltes Brot essen. Alter Kaffee aber gefährdet die Gesundheit nicht, eher erfüllt er nicht die Erwartungen an das, wie wir Kaffee eigentlich verstehen.
Kaffee sensorisch und chemisch zu analysieren, stellt besondere Herausforderungen, da Kaffee immer ein moving target ist (Beeman et. al, 2011). Kaffee ist per se nicht stabil, er verändert sich vor allem nach der Röstung rasant. Somit sind sensorische und chemische Analysen immer aufwendig, da sich das Untersuchungsobjekt stets wandelt – Kaffee lebt, und das auch nach der Röstung.
Verschiedene physikalische und chemische Reaktionen während der Röstung verändern die Beschaffenheit der Kaffeebohne und sind mitverantwortlich für das Altern des Kaffees. Durch das Rösten wird die Bohne poröser und verliert volatile Verbindungen (mehrheitlich Aromen) schneller. Durch Maillard-Reaktionen beim Rösten entstehen Verbindungen, welche wiederum anfällig für Fettsäureoxidationen sind.
Diese Fettsäureoxidationen kennen wir als ranzigen Kaffee. Viele von uns haben schon mal eine schon gemahlene Kaffeepackung geöffnet, die sich irgendwo in einem Schrank versteckt hat. Da strömt ranziger Geruch heraus. Durch das Mahlen wird der Alterungsprozess massiv beschleunigt, da Mahlen die Oberfläche des Kaffees potenziell vergrössert.
Es gibt vor allem zwei Gründe, welche gerösteten Kaffee schneller oder langsamer altern lassen. Es sind die Verpackung und die Lagerungstemperatur.
Kaffeeverpackungen werden zunehmend bunter, kreativer und damit eingängiger, die Hauptaufgabe aber bleibt die gleiche: die Frischhaltung des gerösteten Kaffees. Grundsätzlich kann Kaffee in einem Papierbeutel gepackt werden, wenn er sehr rasch konsumiert wird. Wenn das Ziel eine forcierte Alterung ist, dann kann Röstkaffee offen gelagert werden.
Soll Röstkaffee aber gelagert werden, dann braucht es eine Sauerstoff-Barriere. Das sind in aller Regel Polyethylen-Schichten (PE) auf Papier, oder Aluminiumpackungen. Aluminium zeigt bisher die besten Eigenschaften, Kaffee lange frisch zu halten – es ist jedoch Aluminium, gegen das wir uns aus ökologischen Gründen entschieden haben . Wir haben uns für PE-beschichtetes Papier entschieden. Das hält den Kaffee zwar weniger lange frisch als Aluminium, da wir ihn aber nicht im Supermarktregal verkaufen, sind die Dauer von der Röstung zur Konsumation viel kürzer.
In Supermärkten finden sich fast ausschliesslich Aluminimumbeutel, die sogar noch mit Stickstoff begast sind. Diese Kaffees dürfen mehrere Monate keine allzu deutlichen Alterserscheinungen zeigen. Die Kombi Alu-Stickstoff erfüllt diese Aufgabe bisher am besten. Transparente Kaffeepackungen sind zwar optisch interessant, lassen UV-Licht eindringen und beschleunigen den Alterungsprozess.
Wir wissen, dass höhere Temperaturen chemische und physische Reaktionen beschleunigen – und umgekehrt. Da auch Röstkaffee ein immer noch sich wandelndes Produkt ist, kann der äussere Umstand der hohen Temperatur den Kaffee schneller altern lassen.
Aroma-Verbindungen werden durch hohe Lagerungstemperaturen schneller aus der Verpackung gedrängt, ebenso das noch vorhandene und beim Rösten entstandene CO2, das den Kaffee in der Packung frischer hält. Das riecht zwar im Moment gut, aber in der Tasse schmeckt es dann weniger.
Das Gegenteil ist auch der Fall – Kaffee muss nicht zu kühl gelagert werden. Wenn Kaffee im Kühlschrank gelagert wird, dann für den Gebrauch in Raumtemperatur zurück kommt, führt das entstandene Kondenswasser zu einer schnelleren Alterung, aber vor allem zu einer ungleichmässigen Mahlverteilung.
Michel hat dies in einem kurzen Video besprochen:
Yeretzian und Blank untersuchen diese Faktoren genau in ihrem öffentlich zugänglichen Paper: Protecting the Flavors – Freshness as a Key to Quality. Mit Chahan Yeretzian haben wir auch ein Video gemacht, wie lange Kaffee eigentlich frisch sein kann.
In einem Kaffee, der nur wenige Tage zuvor geröstet wurde, ist die Menge an CO2 noch sehr hoch. Das ergibt zwar eine schöne Crema, ein optisches Merkmal, das viele Kaffeeaficionados suchen. Was es mit den Crema-Mythen auf sich hat, haben wir hier genau beschrieben.
Dieses CO2 in hoher Konzentration jedoch verhindert eine hohe Extraktionsrate. Kurz und bündig erklärt: das CO2 verhält sich im Kaffee wie ein Imprägnierungsspray für Schuhe. Es lässt das Wasser hält das Wasser fern, bei hoher Belastung aber wird der Schuh auch innen nass.
Kaffee, der noch viel CO2 aufweist, wird von diesem umhüllt. Das Wasser kann während der Extraktion weniger aus dem Kaffee rauslösen, da es am CO2 „abperlt“. Eine genaue Untersuchung dazu sind wir euch noch schuldig.
Während der Extraktion löst das Brühwasser zuerst Säuren aus dem Röstkaffee. Backyard Coffee hat das in diesem Video schön illustriert. So sind kürzere Extraktionen immer säuerlich, da die Kontaktzeit sehr kurz war. Wenn wir jetzt an unseren „imprägnierten“ Kaffee denken, der diese CO2-Hülle trägt, passiert folgendes: das Wasser dringt weniger intensiv in das Innere des Kaffeekorns vor, so wird das am einfachsten Lösliche extrahiert: die Säure.
Frischer Kaffee hat also immer eine intensive, volle Crema, ist aber tendenziell sauer und hat weniger Textur, da diese (Zucker und Fasern) erst durch längere Extraktionen gelöstet werden können, oder eben dann, wen das CO2 mehrheitlich nicht mehr vorhanden ist.
Natürlich hat das mit individuellen Geschmacksvorlieben zu tun, ranzige Kaffees aber sind vielen ein Dorn im Auge. Ich war mal einem Sensorikpanel bei Nespresso eingeladen, bei dem wir bis zu fünf Jahre alte Kapselkaffees verkostet haben. Ich war erstaunt, wie sensibel das Nespresso-Personal war, wenn es darum ging, geringste Anzeichen von altem Kaffee zu entdecken, die ich als noch nicht alt empfunden hätte. Die Nespresso-Sensoriker:innen sind äusserst gut auf ranzigen Kaffee trainiert.
„Ranzig“, wie oben schon erwähnt, ist oft eine Beschreibung für alten Kaffee. Wir kennen das von Ölen, die abgestanden sind. Ranzig zu umschreiben, ist nicht ganz einfach – wir benutzen öfters Lehnwörter wie: Stallig, Pferdestall, matt, holzig, stechend – was fällt euch dazu noch ein? Ihr könnt gerne in den Kommentaren eure Beschreibungen teilen.
Alter Kaffee hat nach unserer Erfahrung generell die Eigenschaft, dass:
Mehr zu Frische und anderen Kriterien im Kaffee werden hier besprochen.
Mit diesem Vorwissen wollten wir drei von unseren Espressi genauer untersuchen. Wir haben die Kaffees über 12 Wochen jeweils im Abstand von zwei Wochen verkostet.
Das Setting des Experiments war wie folgt:
Ein Honey-Espresso von der Finca Santa Rita in Nicaragua. Ein besonderer Kaffee für uns, weil er der erste Speciality Espresso von der eigenen Farm war, und wir mittlerweile einen Standardprozess entwickeln konnten. Wir versuchen, jedes Jahr etwas mehr von Leica zu produzieren. Fruchtig wie Kirschen, viel Süsse und eine weiche Textur kennzeichnen diesen Kaffee.
Zeit nach der Röstung | Kommentare |
2 Wochen | Noten von Limette, mittleres Gewicht, spritzige Säure, limitierte Süsse, limitierte Balance |
4 Wochen | sehr rund, ausgewogen, konzentrierte, sirupartige Süsse, cremig |
6 Wochen | Aromatik begrenzt, Textur angenehm weich und cremig, dicht, dominante Säure, herber Nachgeschmack |
10 Wochen | wenig intensive Geschmacksnoten, belegend am Gaumen, gute Textur, angenehme, etwas einfache Säure |
12 Wochen | Amarena-Kirschen, keinerlei Röstnoten, seidige, dünne Textur, leichte Salzigkeit, bitterer Nachgeschmack, qualitativ angenehme Säure, nicht näher spezifizierbar |
Der Kaffee nach vier Wochen war unser Favorit. Nach drei Wochen schon ist er aber auf seinem Peak, der dann für gut zehn Tage hält. Ist der Kaffee sehr frisch, dominiert die Säure. Mit gut drei Wochen nach der Röstung, ist die Balance da, die fruchtigen Kirschnoten sind präsent, und die Süsse ist deutlich intensiver.
Die Aromatik verfliegt dann nach sechs Wochen schneller, bevor sie – interessanterweise – nach 12 Wochen wieder auftaucht, in einer hohen Klarheit. Dafür fehlt es dem drei Monate alten Kaffee an einer weichen, dichten Textur, die Espresso für uns ausmacht.
Leica-Trinkempfehlung: nach 20 Tagen auf dem Peak
Unser Signature-Blend für alle Espresso Liebhaber. Ausgewogen und unkompliziert für alle gängigen Zubereitungsarten. Ein vollmundiger, schokoladiger Espresso, getragen von einem cremigen Körper und einer feinen Säure.
Zeit nach der Röstung | Kommentare |
2 Wochen | dunkle Schokolade, limettige Säure, angenehme Robusta-Note, sehr rund, angenehmer Nachgeschmack, voller Körper |
4 Wochen | medium Textur, etwas wässrig, dezente Säure gut eingebunden (simple but clean), sauberer Robusta-Nachgeschmack |
6 Wochen | intensive Robusta-Noten, langer Robusta-Nachgeschmack, kräftig, gut integrierte Säure, simple but clean; cremig-schwerer Körper |
10 Wochen | Altersmilder Espresso bei dem die Säure stärker wirkt. Etwas in Einzelteile zerlegt, eher leicht, Robustanoten wieder integriert, Balanciert, wird intensiver beim beim abkühlen. |
12 Wochen | Wenig Aroma, Duft leicht wie Natural-Robusta, Textur vorhanden, Süße fehlt, Robusta-Weinigkeit. Es fehlt an Intensität und an Ausgewogenheit der Attribute. Wie ein Marathonläufer, der losläuft und hinfällt. |
Der Kaffee nach zwei Wochen war unser Favorit. Er hält sich dann gut für eine Woche, bevor die Textur etwas abnimmt. Wer gerne die Robusta-Noten stärker mag, dürfte nach sechs Woche gut bedient sein. Der Geschmack verändert sich dahingehend, dass der Kaffee aus Nicaragua etwas in den Hintergrund tritt und der Robusta übernimmt. Ein interessantes Spiel, dass wir so auch das erste Mal richtig intensiv wahrgenommen haben.
Dreispitz-Trinkempfehlung:
1. Peak: nach 12 Tagen
2. Peak: nach sechs Wochen
Henrique aus Brasilien ist der schokoladig-nussige Espresso mit vollem Körper und langem Nachgeschmack. Als Espresso eine Praline, mit Milch ein Dessert. Der kann was, der Henrique. Und hat Wumms.
Zeit nach der Röstung | Kommentare |
2 Wochen | sehr dunkle Haselnuss, mittlere Textur, Röstnoten spürbar, wenig Säure |
4 Wochen | sehr harmonisch, ausgewogen, definierte, milde Säure (delikat), sehr dunkle Schokolade, Mandel-Noten |
6 Wochen | sehr dunkle Schokolade, helle säure, intensivere Röstnote, Alter macht sich etwas bemerkbar |
10 Wochen | etwas in Einzelteile zerlegt, mittleres Gewicht. Noten von Lakritz bis klassisch dunkel Schokoladig, leicht röstig im Nachgeschmack |
12 Wochen | in sich nicht mehr stimmig. Schnellere Extraktion: 19g in 40 out in 24 sec Verlust an Dichte, Klarheit, Süße, Eine kürzere Extraktion tut den alten Kaffees gut |
Der Henrique gehört zu unseren dunkelsten Espressi, was sich im Geschmack abbildet. Die Röstnoten sind präsent, vor allem nach zwei Wochen. Nach drei bis vier Wochen ist der Kaffee auf seinem Höhepunkt – er ist balanciert, die Röstnoten sind weg und geben den schokoladigen Noten Vorrang. Nach zehn Wochen spürt man das Alter im Kaffee schon etwas, die Balance ist nicht mehr so hoch wie zu Beginn.
Henrique-Trinkempfehlung: nach 20 Tagen auf dem Peak
Wir mögen es so:
Filterkaffee:
mindestens 7 Tage nach der Röstung, 10 Tage ist besser, bei Naturals und anderen intensiven Fermentationen eher 12 Tage warten
Espresso:
mindestens 10 Tage nach der Röstung, bei leichten Röstungen etwa 14 Tage, bei Naturals eher 21 Tage warten
Gegenfrage: was ist zu alt? Wir empfehlen, unsere Kaffees zwischen zwei Wochen und zwei Monaten nach der Röstung zu konsumieren. Das ist unsere Vorstellung, wie die Kaffees schmecken sollten. Alle, die sich ausserhalb dieses Zeitfensters begehen, machen keinen Fehler, sondern folgen ihren eigenen Vorlieben.
In unserem Langzeittest wurde deutlich, dass unsere Kaffees in der nicht-Alu-Verpackung die ersten Altersnoten nach ca. 10 Wochen zeigen, also über der Empfehlung von zwei Monaten. Es gibt aber auch immer wieder Überraschungen, wie zum Beispiel der Dreispitz, der sich nach einem Anfangshoch und einer darauffolgenden Baisse wieder gefangen hat und nach sechs Wochen auf seinem zweiten Peak ist.
Kann Kaffee zu alt sein? Ja, wenn es sensorisch keinen Spass mehr macht. Alter Kaffee hat aber keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit. Die ranzigen, stalligen, talgigen Noten können übernehmen, die leichteren, vor allem floralen Noten, schwinden. Wir reden hier aber nicht von einem Defekt, sondern von einem normalen Alterungsprozess.
Kaffee hat, im Gegensatz zu Wein, ein sehr kleines Genuss-Zeitfenster. Weine hingegen können mit dem Alter gewinnen. Kaffee ist also so etwas wie Snapchat, einfach für Geschmack. Wein ist eher das YouTube-Video, das mit zunehmenden Alter wichtiger wird.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
12 Kommentare
Auch wenn der Artikel schon älter ist: In einem Video beschreibt Ihr, dass es am Besten ist, wenn der original verschlossene Beutel im Kühlschrank in einem luftdichten Behälter gelagert wird und vor dem Öffnen der Verpackung an die Raumtemperatur angeglichen wird. So mache ich es mit den 250G-Tüten. Der Kühlschrank ist ein No-Frost-Gerät und daher relativ trocken. Hier würde mich mal ein Geschmackstest interessieren.
Und ich beziehe mich auf Eure 250G Tüten. Ich hoffe, dass die so dicht sind, dass sie keine Feuchtigkeit reinlassen, wenn sie original verschlossen sind.
Ich kann aus dem wissenschaftlichen Artikel entnehmen, dass in erster Linie die Temperatur und Sauerstoff, ebenfalls die Luftfeuchtigkeit; Einfluss auf die Frische des Kaffees hat. Schade, dass keine
Testreihe im Kühlschrank gemacht wurde. Die Ergebnisse implizieren eine kühle Lagerung mit geeigneter Verpackung - ausser ich habe etwas nicht gelesen - Text nur überflogen. Nichtsdestotrotz guter Beitrag. Vielen Dank.
Wenn ich ein Paket Bohnen aufmache und immer nur eine geringe Menge Bohnen in die Mühle gebe und die Packung sofort wieder verschließe, wie lange halten sich die Bohnen?
Aktuell nutze ich viel 250g Packungen, würde aber natürlich lieber 1kg. Nutzen.
Was denkst du?