Kaffee aus dem Supermarkt gibt es zu Dumpingpreisen. Wie schaffen es Supermärkte, so billigen Kaffee anzubieten? Was ist da eigentlich drin? Und können solche Kaffees überhaupt fair produziert sein? Eines ist sicher: wenn Supermärkte nur wenig besser machen, ist das viel.
Immer wieder werden wir gefragt, ob wir mal Supermarktkaffees testen könnten. Nein, das machen wir nicht, das wäre viel zu einfach. Denn wenn Kleine einfach nur auf Grosse zeigen, wäre das für niemanden zielführend. Was wir aber unternehmen können, ist der Versuch, die Kaffees aus dem Supermarkt zu kontextualisieren. Warum sie so oft spottbillig sind, warum viele gleich schmecken und ob überhaupt noch jemand daran verdient.
Ebenfalls gilt es hier klar herauszuarbeiten, welche Chancen Supermarktkaffee bieten kann – für Konsumierende, wie auch Produzierende. So können wir uns jetzt fragen:
Was ist die Aufgabe von Supermarktkaffee?
Warum sind die Kaffees oft so günstig?
Und Welches Potenzial haben Supermärkte, die sonst kaum jemand hat?
Die Aufgabe von Kaffee in Supermärkten ist in vielen Fällen mal die, dass Menschen in Supermärkte gelockt werden. Kaffee im Supermarkt funktioniert oft so wie Waschmittel – dann, wenn es Aktionen gibt. Kaffee gibt es dann oft im Sparpack und das zu fix definierten Aktionszeiten, die schon lange geplant sind.
Es dürfte wenig überraschen, dass sich viele Supermarktkaffees geschmacklich sehr ähnlich sind. Dafür gibt es primär zwei Gründe: erstens braucht es Kaffees in grosser Menge, die immer etwa gleich schmecken. Das limitiert die Auswahl der Ursprungsländer des Rohkaffees. Zweitens, und das ist der Umkehrschluss, kommen Kaffees mit spezielleren Aromen kaum in den Supermarkt, weil diese seltener und vor allem teurer sind.
Je grösser eine Kaffeemarke ist, umso weniger speziell ist der Geschmack. Denn eine Marke muss ihr Versprechen halten, immer gleich zu schmecken. Und dafür sorgen ähnliche Kaffees in immer ähnlicher Zusammensetzung.
Umso günstiger die Kaffees werden, umso fieser werden sie qualitativ. Kaffee ist eines der wenigen Produkte, die mit sinkendem Preis wirklich schlechter schmecken. Teure Kaffees müssen nicht, können aber viel besser schmecken. Hier braucht es dann die sensorische Analyse um zu erfahren, was einen guten Kaffee von gut gemeintem Marketing unterscheidet.
Günstige Kaffees die nach Kaffee schmecken haben natürlich ihre absolute Berechtigung. Nicht alle möchten Kaffees, die extrem aromatisch riechen und nach allen Dingen, ausser Kaffee schmecken. Jedoch sollte man die Erwartungen an sensorische Höhenflüge bei günstigen Kaffees nicht zu hoch stecken. Qualität bei Kaffee kostet.
Das klingt zwar etwas gewagt, habe ich beileibe nicht nur annähernd alle Supermarktkaffees getrunken. Warum versteige ich mich zu so einer Aussage? Wegen dem Preis und der Kundschaft, die ein Supermarkt anpeilt.
Supermarktkaffees sind in der Regel Blends, also Mischungen. Durch diese können sensorische, preisliche und liefertechnische Schwankungen eingeebnet werden. Es ist nicht so, dass viele verschiedene Rohkaffees viele verschiedene Aromen in den Supermarktblend bringen; nein, sie bringen Stabilität. Und sie senken den Preis.
Supermarktkaffees sind preislich und geschmacklich stabil. Es braucht also Kaffees, die genau diese Anforderungen erfüllen können. Also kommen viele aus Regionen, wo viel produziert wird, ein Grossteil der Produktion mechanisiert ist und die Nachernteprozesse extrem effizient gestaltet sind.
Das sind – mit Ausnahmen – vor allem Arabicas aus Brasilien, Honduras, Peru und Mexiko, sowie Robustas aus Vietnam, Westafrika und vermehrt auch Indien.
Die meist verwendenten Rohkaffees in Supermarktkaffee
In den erwähnten Ländern wird viel Kaffee produziert und das zum Teil zu extrem niedrigen Preisen, die, ausser in Brasilien, wenig bis gar nichts mit den realen Produktionskosten zu tun haben.
Die Standardqualitäten aus diesen Herkünften gibt es in grossem Volumen und erfüllen die meisten Zwecke, die Supermarktkaffee erfüllen will.
Es geht dabei meistens um Markenstärkung, nicht um drastische Unterschiede in der Rohkaffeequalität. Ein Supermarkt braucht verschiedene Segmente, um verschiedene Kund:innen abzuholen. Das Gute dabei ist, dass jemand, der das Premium-Produkt einkauft, kaum die Billiglinie desselben Produkts einkauft. Im Warenkorb befinden sich also kaum der teuerste und gleichzeitig der günstigste Kaffee.
Und das ist ein riesiger Vorteil für einen Supermarkt: die Differenz im Blend, oder auch im Geschmack, muss nicht unbedingt gegeben sein, eventuell hilft auch schon eine hellere oder dunklere Art der Röstung. Und natürlich befinden sich die Packungen, die in verschiedenen Designs, Namen und Emotionen daher kommen, auch auch verschiedenen Höhen.
Die Premiumprodukte auf Augenhöhe, das mittlere Segment auf Bauchhöhe, und die Discountware auf Kniehöhe. Schaut euch beim nächsten Supermarktbesuch die Kaffeeregale mal etwas genauer an, sie sind voll mit einfachen psychologischen Tricks.
Vor allem darum, weil die Supermarktkaffees in grossen Mengen produziert werden. Skaleneffekte und Effizienz in der Röstung, der Abpackung, der Logistik und Lagerung sorgen für kleinere Preise, die an Konsument:innen weitergegeben werden können. Grosse Röstereien sind immer deutlich effizienter als kleinere und mittelgrosse Röstereien, was den Personalaufwand angeht.
aus unserem Blog: https://kaffeemacher.ch/wer-roestet-wie-kaffee/
Kleinere Preise werden oft, aber natürlich nicht immer weitergegeben, denn ein höherer Preis für Supermarktkaffee reflektiert nicht unbedingt die Rohkaffeequalität, sondern appelliert an die Emotionen, die eine Marke hervorrufen kann.
Der Rohkaffee selbst macht einen kleinen Teil in der finalen Kostenaufstellung der Supermarktkaffees aus. Der Overhead, also die gesamten Kosten für den Betriebsapparat, müssen von den Kaffees mitgetragen werden. Das ist natürlich nicht nur bei grossen Röstereien so, sondern bei jeder Unternehmung. Nur ist die Verteilung bei Supermarktkaffees deutlich grösser, weil so effizient produziert werden kann.
Die Rohkaffees werden für Supermarktkaffees in grossen Mengen eingekauft. Dafür braucht es eine Rösterei, und die Rösterei hat meistens einen Trader, der die Kaffees für die Rösterei organisiert. Und weil die Lebensmittelbranche eine Branche mit geringen Margen ist, geht es hier ums Volumen – mehr Volumen heisst mehr Marge. Diese Volumengeschäfte sind also auch für Handelshäuser interessant, so dass sie oft sehr gute Preise an grosse Röstereien weitergeben. Gleichzeitig ist das auch für grosse Kaffee-Produzenten, wie z.B. sehr grosse Kooperativen interessant. Mehr Menge geht weg, zwar zu einer kleineren Marge, aber die wird wieder über die grosse Menge reingeholt.
Das ist Kaufmacht. Wer viel kauft, ist begehrt.
Diese Frage können wir nicht beantworten, wir können aber mutmassen. Am besten fragt ihr einfach mal beim Kundendienst nach, welche Preise für die Rohkaffees in einer Mischung X im Supermarkt bezahlt wurden. Das dürfte eine interessante Diskussion auslösen – wenn Supermärkte ihre Einkaufspreise offenlegen würden.
Doch herrscht hier Stillschweigen – und nicht nur bei den Supermärkten, sondern bei der allergrössten Mehrheit der Kaffeeröstereien. Dem versucht der Transparency Coffee entgegenzuwirken und lädt ein, Rohkaffeepreise offen zu legen. Und, tut das weh? Nein. Es tut gut. Deswegen veröffentlichen wir unsere Einkaufspreise auch. Es braucht hier mehr Diskussion.
Gegenfrage: für wen? Für die, die einkaufen – ja. Und für alle anderen auf der Kaffeekette? Für diejenigen, die Kaffee produzieren, liefern, sortieren, tragen, befördern, im Regal einräumen? Das bleibt zu beantworten.
Grundsätzlich gilt, und das nicht nur bei Kaffee, sondern bei allen Lebensmitteln insbesondere:
Irgendjemand bezahlt, wenn wir nicht bezahlen.
Die Botschaft, dass Kaffee günstig sein muss, ist also eine falsche. Kaffee muss etwas kosten, weil die ganze Arbeit dahinter kostet. Wenn Kaffee wenig kostet, dann ist das kein zukunftsfähiger Ansatz.
Die allergrössten zur Veränderung. Denn, machen Kleine alles besser? Beileibe nicht. Small ist vielleicht manchmal beautiful, aber um grosse Versprechen einlösen zu können, braucht es eben auch grosse Volumen. Und wo sind die? Bei den Supermärkten.
Die Marktmacht von Supermarktkaffee ist massiv. Der Kaffeemarkt für Röstkaffee ist extrem konsolidiert, wie diese imposante Grafik auf dem Hivos Coffee Barometer zeigt. Die Top10-Röstereien der Welt rösten min. 35% des Kaffees, der dann v.a. in Supermärkten verkauft wird.
Und worin besteht genau diese Macht, nebst dem, dass Preise gedrückt werden können, und Verantwortlichkeiten schwer nachverfolgbar sind?
Die mächtige Freiheit der Substitution. Kaffees dann auszuwechseln, wenn sie für Supermärkte zu teuer werden.
Blends, die haben wir vorhin besprochen, erlauben einer Rösterei, nebst sensorischer, auch finanzielle Stabilität zu bringen. Wenn der eine Kaffee nun viel teurer wird, weil Missernte, weil Inlandpreise infolge sozialen Unruhen steigen, kann dieser Kaffee ersetzt werden mit einem, der sensorisch ähnlich ist. Nur schon deswegen lohnt es sich kaum, sensorisch interessantere Rohkaffees in einem Supermarktblend zu packen.
So ist es also normal, dass ganze Blendanteile ausgewechselt werden können. Das klingt logisch, aber der ganze Rattenschwanz dahinter, ist massiv. Die ganzen Effekte, die sind weit weg und hier nicht spür- und in diesem Fall, schmeckbar. Wenn mehrere Container von einem Kaffee X ausgetauscht werden, dann hat das einen Effekt für alle, die an der Produktion und im Export tätig sind.
Stellen wir uns vor, dass eine Rösterei, die jährlich 50,000t Kaffee röstet – also eine Industrierösterei in Deutschland – jährlich etwa 3000 Schiffscontainer voll Kaffee importiert. In einem Container sind ca. 17 Tonnen Rohkaffee drin.
Eine Kooperative in Honduras macht vielleicht 5 Container im Jahr, 1 davon geht zur besagten Rösterei.
Das wären dann 20% der Menge der Kooperative, oder 0,03% der gerösteten Menge der Rösterei. Das ist fast Nichts für die Rösterei, und richtig viel für die Kooperative.
Wenn der Supermarkt nun beschliesst, mit dieser Kooperative diesen Kaffee in diesem Container anders zu bepreisen, zu vermarkten, zu bezahlen, etc., dann hat das einen riesigen Impact für die Produzierenden. Und für den Supermarkt ist es eine low-hanging-fruit. Mengentechnisch, marketingtechnisch („unsere Nachhaltigkeits-Range“ z.B.), und natürlich finanziell.
Nun gibt es – wenn auch in ganz kleinem Massstab, Supermärkte, die genau solche Ansätze wählen. Und diese Projekte gilt es zu unterstützen. Doch informiert euch selbst, fragt nach, seid kritisch. Wie langfristig die Projekte – der Name sagt es schon – angedacht sind, muss sich zeigen.
Ihr findet im Netz verschiedene Beispiele von Supermärkten, die ihre eigene Geschichte schreiben im Kaffee. Das gilt oft nur für einen Bruchteil ihres Kaffeesortiments, es ist jedoch ein Anfang. Und es wäre der Beweis, dass Marktmacht auch positiv genutzt werden kann.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
5 Kommentare
Ich habe den Artikel "Supermarktkaffee" auf kaffeemacher.ch gelesen und fand ihn sehr informativ und nützlich für alle, die daran interessiert sind, Qualitätskaffee in ihrem lokalen Supermarkt zu kaufen. Insgesamt denke ich, dass dieser Artikel eine großartige Ressource für Kaffeeliebhaber ist, die eine köstliche Tasse Kaffee zu Hause genießen wollen, ohne in ein spezielles Kaffeegeschäft gehen zu müssen. Abgesehen davon gefällt mir die Idee, meinen lokalen Kaffeeröster zu unterstützen, sehr gut, ganz abgesehen davon, dass der Kaffee dort besser ist.
I read the article on "Supermarket Coffee" on kaffeemacher.ch and found it to be a very informative and useful guide for those interested in buying quality coffee from their local supermarket. Overall, I think this article is a great resource for coffee lovers who want to enjoy a delicious cup of coffee at home without having to go to a specialty coffee shop. That being said, I really like the idea of supporting my local coffee roaster, not to mention that the coffee is better there.
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