Mit der Silvia Pro X bringt Rancilio eine Dualboiler-Maschine auf den Markt, die wie die große Schwester, die kultige „Miss Silvia“, daherkommt. Es gibt viel Altbewährtes, jedoch auch einige Neuerungen. Gelingt Rancilio mit der Silvia Pro X der Sprung ins neue Jahrtausend, ohne den Kultstatus zu verlieren? Wir haben sie getestet! Wie immer haben wir die Maschine selbst gekauft und können so frei Schnauze unsere Meinung sagen. Natürlich geben wir euch auch noch ein paar Tipps an die Hand, wie ihr mit der Silvia Pro X leckeren Espresso zubereitet.
Viele weitere Dualboiler stehen auf der Testliste und andere Espressomaschinen stehen auf der Testliste.
Hier geht es zu unseren beiden Testvideos auf YouTube.
Da unser Testvideo wieder etwas länger geworden ist, haben wir das Video noch einmal verkürzt zusammen gefasst.
Die Silvia Pro X ist kein Designwunder. Rancilio bleibt sich selbst treu und hat eine Maschine entworfen, die vom Design her auch ins Jahr 1998 gepasst hätte: zweckmäßig, solide und unaufgeregt. Der Vergleich mit einem alten Volvo ist da nicht so weit hergeholt. Wer sich einen alten Volvo kauft, möchte nicht mit Design protzen, sondern ein solides und sicheres Auto fahren.
Die Silvia Pro X hat eine Breite von 25,5 cm und ist damit relativ schmal. In der Höhe misst sie 40,5 cm und in der Tiefe 42,2 cm. Selbst mit eingespanntem Siebträger kommt sie auf eine Gesamttiefe von nur 51,5 cm, sodass sie auf jede Arbeitsplatte passt. Mit einem Gewicht von 20 Kilogramm steht sie solide auf dem Tisch und bewegt sich dort auch nicht.
Im Inneren der Silvia Pro X befinden sich zwei Boiler: ein kleiner 0,3-Liter-Espressoboiler und ein zuschaltbarer 1-Liter-Dampfboiler. In unserem Fall war der Dampfboiler bei der Auslieferung sogar deaktiviert und musste zunächst aktiviert werden.
Bei unserer Maschine gab es keinen nennenswerten Offset, sodass die angezeigten Werte durchaus stimmten. Trotzdem empfehlen wir euch, euren Fachhändler beim Kauf nachmessen zu lassen. In der Maschine ist keine Volumetrik verbaut, daher ist eine Waage unter den Espressotassen Pflicht!
Alles in allem macht die Maschine einen hochwertigen Eindruck. Die Metallkanten sind an den Seiten umgebogen, sodass keine scharfen Kanten entstehen. Auch die Spaltmaße halten sich in Grenzen, und das Zubehör fügt sich in das runde Gesamtbild ein – zweckmäßig und solide. Die Siebe sind ordentlich und gut dimensioniert. Zudem gibt es ein Blindsieb zur Reinigung sowie einen wirklich schönen, gut passenden Tamper.
Der mitgelieferte Siebträger wirkt ebenfalls solide. Ästhetisch spaltet sich die Home Barista Welt. Leider ist der Siebträger aufgrund seiner großen Masse „kopflastig“ und liegt nicht wirklich ausgewogen in der Hand. Außerdem sind die Ausläufe sehr eng beieinander, sodass man genau zielen muss, um bei zwei Espressotassen nicht den Rand einer Tasse zu treffen.
Das alte Design der Maschine ist zwar robust und lange erprobt, birgt jedoch einige Nachteile. So kommt der 2,2 Liter große Wassertank mit zwei Schläuchen daher, die das Wasser ansaugen. Wer nicht genau aufpasst, sitzt mit diesem System schnell auf dem Trockenen. Beim Nachfüllen und Reinigen des Tanks muss man stets darauf achten, dass beide Schläuche im Wasser liegen. Was früher gang und gäbe war, findet man bei modernen Maschinen heute kaum noch.
Ein weiterer erheblicher Nachteil ist die winzige Tropfschale. In sie passt fast gar nichts hinein. Das ist sehr ärgerlich, da nicht nur Wasser aus den Spülshots, sondern auch das Wasser aus dem Entlastungsventil dort entleert wird.
Im Alltag bedeutet das, dass man nach gefühlt jedem zweiten Espresso die Tropfschale leeren muss. Der Mechanismus zum Entleeren der Tropfschale ist zudem so wackelig, dass man dabei immer etwas verschüttet. Hinzu kommt, dass das Gitterdesign nicht wirklich durchdacht ist und heruntertropfendes Wasser darauf stehen bleibt. Zwar gibt es im Internet bereits alternative Tropfschalen mit Gittern zu kaufen, aber dieser Kritikpunkt hätte von Rancilio leicht vermieden werden können.
Wer uns Kaffeemacher:innen kennt, der weiß, dass wir jede Maschine bis ins kleinste Detail ausmessen. Besonders wenn es um die Temperatur und Temperaturkonstanz geht.
So viel vorweg: Die Rancilio Silvia Pro X macht einen wirklich guten Job!
Wer nur Espresso trinken möchte, kann den Dampfboiler abschalten. Das hilft einerseits, den ohnehin schon geringen Stromverbrauch der Maschine weiter zu reduzieren, und verkürzt zudem die Aufheizzeit. Der Espressoboiler erreicht nach etwa 8 Minuten die Temperatur und verbraucht beim Aufheizen nur 0,13 Kilowatt pro Stunde. Das ist ein Wert, der auch in der Thermoblock-Liga mitspielen kann!
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir nach 10 Minuten plus Spülbezug zur Durchwärmung des Siebträgers eine ausreichende Brühtemperatur erreichen (siehe Grafik oben).
Bei der Messung mit dem WBC Protokoll haben wir festgestellt, dass bei einer höheren Taktung die Maschinen aus dem Temperaturgleichgewicht kommt und mal heißer und mal kälter brüht. Dennoch ist die Standardabweichung der Silvia Pro X mit 1,22 Grad in einem mittleren Bereich.
Die besten Ergebnisse haben wir erzielt, wenn wir zwischen einzelnen Espressobezügen 90 Sekunden Zeit gelassen haben. Dann hat sich die Temperatur der Silvia Pro X sehr gut stabilisiert und konstante Ergebnisse geliefert.
Wer sich oder seinen Gästen einen Cappuccino anbieten möchte, sollte die Maschine direkt mit eingeschaltetem Dampfboiler starten und etwa 11 bis 12 Minuten warten. Zwar gibt Rancilio an, dass die Maschine bereits nach 5 Minuten die Zieltemperatur erreichen soll, unseren Messungen zu Folge liegen wir dann jedoch erst bei ungefähr 70 Grad. Mit dieser Temperatur lässt sich noch kein trinkbarer Espresso zubereiten. Wir empfehlen euch daher unbedingt, der großen Silvia ihre Zeit zu geben! Die Maschine verbraucht für das Aufheizen beider Boiler etwa 0,24 Kilowatt pro Stunde, was ebenfalls ein sehr guter Wert ist und viele Maschinen in den Schatten stellt.
In unserem WBC-Protokoll haben wir die Temperaturkonstanz der Silvia Pro X unter extremer Last getestet. Dabei stellten wir fest, dass eine zu hohe Frequenz die Maschine überfordern kann. Das ist jedoch nicht weiter schlimm, da wir hier schließlich nicht von einer Gastronomiemaschine sprechen.
Und dann gibt es etwas Neues! Rancilio bietet uns die Möglichkeit, bei der Silvia Pro X eine Preinfusion einzustellen. Dabei wird der Kaffeepuck zwischen 0 und 6 Sekunden lang mit heißem Wasser benetzt. Die Vibrationspumpe läuft während der Preinfusion nicht mit, sondern springt erst danach an.
Wofür ist die Preinfusion gut? Gemahlener Kaffee hat eine hydrophobe, also wasserabstoßende Oberfläche. Pumpt man Wasser mit hohem Druck durch das Kaffeepulver, kann es vorkommen, dass einige Bereiche des Kaffeekuchens das Wasser früher „akzeptieren“ und durchlassen, während andere Bereiche später reagieren. Dabei kann so genanntes Channeling auftreten. Beim Channeling verläuft die Extraktion des Espressos nicht gleichmäßig; es bilden sich kleine Kanäle im Kaffeekuchen, durch die das Wasser zu schnell fließt. Die Folge ist eine unbalancierte Tasse Espresso.
Bei der Preinfusion wird der gesamte Kaffeekuchen mit Wasser benetzt. Er kommt also ohne Druck mit Wasser in Kontakt und wird quasi „überredet“, das kommende Wasser leichter durchzulassen. Wenn die Vibrationspumpe anspringt und das Wasser mit Druck durchläuft, ist die Extraktion gleichmäßiger.
Eine Preinfusion ist kein Muss! Einige Kaffees, vor allem hellere Röstungen, profitieren mehr davon als andere. Dennoch ist die Preinfusion eine Neuerung, die wir sehr begrüßen. Es macht einfach Spaß, noch ein bisschen mehr mit den verschiedenen Kaffees herumzuexperimentieren. Wenn man uns fragt, hätten es auch ruhig 10 Sekunden sein können, aber die 6 Sekunden, die Rancilio anbietet, sind ebenfalls in Ordnung!
Eine Espressomaschine soll guten Espresso machen – und das tut die Silvia Pro X! Richtig eingestellt brüht sie uns wirklich leckeren Espresso in gleichbleibender Qualität. Durch die Preinfusion und die PID-Steuerung können wir alle Parameter exakt einstellen und eine möglichst perfekte Extraktion erreichen. Das macht Spaß!
Auch die Zubereitung von Cappuccino läuft gut. Da sie ein Dualboiler-System ist, benötigen wir keine Aufheizzeit zwischen dem Espressobezug und dem Milchschäumen. Der Dampf ist sofort verfügbar, und das kann einem bei mehreren Cappuccini hintereinander wirklich helfen!
Der Dampfdruck der Silvia Pro X ist nicht herausragend hoch. Selbst als wir die PID-Steuerung für den Dampfboiler auf das Maximum von 125 Grad eingestellt haben, hält sich die Dampfpower in Grenzen. Rancilio verwendet keine „Cool Touch“-Dampflanze. Außerdem pustet die Dampflanze nach dem Ausschalten noch kurz nach. Zieht die Lanze also nicht zu schnell aus dem Kännchen, da ihr euch sonst im letzten Moment große Blasen in den Milchschaum pustet!
„Alles, bloß nicht langweilig“. Und mit diesem Slogan der letzte Volvo Vergleich in diesem Blog. Doch auch dieser Vergleich stimmt. Ja, das Design wirkt unaufgeregt, fast ein bisschen altbacken. Die Tropfschale ist eine Katastrophe und der Wassertank ist alles andere als eine moderne clevere Lösung. Dennoch ist die Silvia Pro X ist eine wirklich interessante Maschine.
Die Maschine ist mit 8 bzw. 11 Minuten für einen Dualboiler sehr schnell betriebsbereit. Die Temperaturkonstanz ist hervorragend! Die Möglichkeit der Preinfusion lädt zum Experimentieren ein und holt aus vielen Kaffees noch mehr heraus. Und vor allem: Der Espresso schmeckt! Und zwar jeder Espresso, sobald die Maschine auf Betriebstemperatur ist.
Wirklich interessant wird es, wenn wir uns den Preis der Maschine ansehen. In Deutschland ist sie für rund 1400 Euro zu haben und in der Schweiz für 1600 – 1700 Franken. Für dieses Geld macht Rancilio ein wirklich gutes Angebot und liefert eine solide Maschine, mit der man eigentlich nichts falsch machen kann. Fast wie bei einem Volv… ok Schluss!
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
10 Kommentare
Ein Manometer brauchst du bei der Silvia Pro (X) nur zum Einstellen des Überdruckventils. Kaufst du dir ggf. für 20 EUR von Joe Frex.
Pre-Wetting ist nicht Präinfusion und kann in der realisierten Form gar nichts. Aber auch Präinfusion ist bei mittleren bis dunklen Röstungen unnötig bis nachteilig.
Der neuere Siebträger ist tatsächlich schöner (wertiger). Verwenden würde ich aber auch diesen nicht: Er ist wie üblich aus verchromtem Messing. Die Verchromung wird durch die Kaffeesäuren mittelfristig abgelöst und du trinkst sie mit. Entweder umrüsten auf Edelstahl (längere Aufheizzeit) oder besser: Bodenloser Siebträger.
Summa summarum: Silvia Pro mit oder ohne X: Beide super
vielen vielen Dank für das tolle Video, habe echt schon darauf hingefiebert. War super informativ und gut anzusehen, wo die Stärken und Schwächen und liegen.
Eine der Kritikpunkte ist ja der schmale Doppelauslauf. Kann hier vielleicht jemand die Frage beantworten, ob man den La Marzocco Siebträger verwenden könnte? Der ist ja wirklich wunderschön .. oder könnt ihr das vielleicht ausprobieren?
Ich wünsche euch noch ein paar besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch.
Macht im neuen Jahr weiter so =)
Stromverbrauch
Aufheizzeit bis zum optimales Espresso
Temperaturkonstanz bei 2-4 Espressi
Auch würde mich interessieren, wo/welche man andere Dampfdüsen mit 2 oder 4 Löcher bekommt (kein Händler weiß es) und wie man die Lautstärke der Vibrationspumpe irgendwie reduzieren könnte.
Bin zwar mittlerweile etwas spät an mit dem Kommentar, aber vielleicht interessiert es dich ja immer noch :D
https://youtu.be/csgTHwNywBA?feature=shared
In diesem YouTube Video hat Tate Mazer seine Silvia Pro bezüglich der Lautstärke intensiv gemoddet. Dabei hat er verschiedene Methoden mit unterschiedlichen Kosten- und Zeitinvestitionen angewendet. Vielleicht kannst du da ja etwas Inspiration finden.
LG
Simon
super, endlich! :-) Lieben Dank!
Es wäre auch sehr toll, wenn ihr einen Vergleich zwischen der Pro und der Pro X machen würdet.
Ich bin sehr gespannt! Verschneite Grüße aus Bayern
Was denkst du?