Wir haben eine neue Kaffeeverpackung. Dafür haben wir viel geforscht und haben den Beutel selber mit entwickelt. Unsere jetzige Lösung hält den Kaffee noch länger frisch und verursacht weniger Emissionen. Eine Verpackung ist ein stetiger Optimierungsprozess, und deswegen entwickeln wir uns auch hier immer weiter. Was wir alles gelernt haben, welche Verpackungen nachhaltig sind und worauf ihr beim Kaffeekauf achten könnt, beschreiben wir hier.
In einer optimalen Welt bräuchten wir keine Verpackungen. In unserem Kaffeekosmos verschicken wir jedoch mehr Kaffee, als wir in unseren beiden Cafés in Basel physisch verkaufen. Eine Verpackung ist für unsere Zwecke ein Muss, den Kaffee überhaupt verschicken zu können, die Qualität zu erhalten und die Lebensmittelsicherheit zu garantieren.
Gleichzeitig dient eine Verpackung als Trägerin von Informationen: ein Marken-Design brennt sich in die Erinnerung ein und über die Etiketten können wir die Kaffees beschreiben, ihre Geschichten transportieren und Lust auf den Genuss machen.
Unsere "Neuen" - 250g und 1000g aus Monomaterial: 60% nachwachsende Rohstoffe nach Massenbilanz, 30% rezykliertes Plastik nach Massenbilanz und 10% neues Plastik.
Wenn wir heute auf die Verpackungen in der Kaffeewelt schauen, sehen wir gerade in der Spezialitätenkaffee-Branche unterschiedlichste Auffassungen darüber, was eine Kaffeeverpackung kann und soll.
Wir sehen pragmatische Ansätze bei Verpackungen, die einfach genau das tun, was sie sollen - den Kaffee transportierbar zu machen. Wir sehen Ansätze, wo es mehr um pures Design geht: vor allem dann, wenn viel Material verwendet wird. Und dann sehen wir immer mehr Ideen, wie eine Verpackung mindestens recyclingfähig, aber noch besser zirkulär gemacht werden kann.
In der besten aller Welten gäbe es eine Verpackung, die auf alle genannten Kriterien eingeht:
dicht, angenehmen zu halten, zirkulär und schick.
Mit dieser Idee sind wir auf eine lange Lernreise gestartet. Sie ist ist noch nicht abgeschlossen, aber wir haben ein klares Bild und eine klare Haltung entwickeln können, welche Eigenschaften eine gute Kaffeeverpackung haben muss, und was für uns keinen Sinn ergibt.
Wir haben einen Fokus auf die kontinuierliche Verbesserung in allem, was wir tun. Auch bei der Verpackung steht bei uns die Nachhaltigkeit im Fokus.
In der Gesamtberechnung unserer Emissionen von einem 1kg Röstkaffee bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Kaffeebeutel unsere Rösterei verlässt, macht die Verpackung selbst nur gerade etwa drei Prozent der gesamten Emissionen aus.
In unserem Fall: die Verpackung beträgt "nur" 3% der Kaffee-Emissionen
In der ersten Grafik schauen wir auf die Emissionen, die wir in der Basler Rösterei verursachen. 2023 beliefen sich alle verwendeten Verpackungen auf 16,7% aller Rösterei-Emissionen.
Emissionen der Kaffeemacher:innen Rösterei in Basel, 2023
Die Zahlen beziehen sich auf die Ernte 22/23 auf Santa Rita, Nicaragua.
Wir wissen genau, wo wir die grössten Hebel haben, um die Emissionen auf einer Kaffeekette zu senken: im Anbau, und nicht bei der Kaffeeverpackung. Aber: da wo wir sind, können wir mit dem, was wir wissen, schnellen Wandel herbeiführen. Und deswegen müssen wir auch die Verpackung stets verbessern.
Ein Aspekt, den wir bei der Entwicklung einer nachhaltigen Verpackung nicht ausser Acht lassen wollen, ist das look and feel. Welche Emotionen wir erfahren, wenn wir eine bestimmte Verpackung sehen, in der Hand halten und fühlen, beeinflussen unsere Kaufentscheide.
Und das ist bisweilen etwas absurd:
Wir suchten also eine Verpackung, deren Erscheinung mit dem Inhalt übereinstimmt. Nachhaltiger Kaffee muss in eine nachhaltige Verpackung rein.
Aluminium schneidet in Sachen Emissionen am schlechtesten ab, hat aber die beste Frischhaltekapazität. Design: Tobias Milz, Datensatz von ecoinvent
Im November 2022 haben wir einen Blog zu unserer neuen Verpackung geschrieben, dass diese nun nachhaltiger sei. Wir sind damals vom weit verbreiteten Papier-Kunststoff-Verbund auf Mono-Kunststoff umgestiegen, mit der Idee, dass Beutel aus Monokunststoff recycelt werden und wir damit ein bessere Klimabilanz hätten.
Unser Verpackungs-Upgrade vom November 2022
Ungefähr zur gleichen Zeit sind wir auf einen Artikel des DIW gestoßen und es machte sich Ernüchterung breit. Die thermische Verwertung von Kunststoffen verursacht ca. 2,7 kg CO2e, was die Emissionen auf die gesamte Lebensdauer betrachtet ungefähr verdoppelt. Tobi meinte dann salopp:
“Tja, das war ein Griff ins Klo.”
Weil wir viel neues Material verbrauchten, sogenanntes virgin material, basierend auf fossilen Rohstoffen. Die alte und die neue Verpackung waren gleich schwer, knapp 13 Gramm. Aber die neue Verpackung, die zwar recyclingfähig war, weil sie aus Mono Kunststoff bestand, verbrauchte doppelt so viel virgin material wie die alte Verpackung.
Die Menge des verwendeten Materials ist entscheidend, ob die Emissionen gering sind. Wir sehen immer mehr recyclingfähige Kaffeeverpackungen. Das ist eigentlich ein Fortschritt, die Verpackungen so zu gestalten, dass sie in der Theorie für einen anderen Zweck rezykliert werden können. Aber: Wenn nur ein kleiner Prozentsatz weltweit (9%) recycelt wird und der Rest verbrannt oder in der Umwelt landet, ist der Gedanke dann zielführend?
Anekdote:
Wir haben uns mit einem Innovationsmanager eines Energieerzeugers zum Lunch verabredet.
“Macht nicht noch mehr Plastik”
war sein Input. Sein Unternehmen verbrennt Haushaltsabfall zur Produktion von Fernwärme, Dampf und Strom. Jedoch sei der Haushaltkehricht heute “zu sauber”, weil Menschen ihre Plastik- und Verpackungsabfälle trennen.
Der Haushaltkehricht verfüge nun über zu wenig Brennmasse, so dass eben genau der Plastik- und Verpackungsabfall wieder zur Verbrennung hinzugefügt werden muss, dass die Verbrennung überhaupt funktioniert. Alternativ zum Plastikabfall wird der Abfallberg auch mit einem Erdöl-Derivat besprüht.
“Kein Recycling ist aber auch keine Lösung”
hörten wir aus verschiedenen Ecken, die sich sonst vehement widersprachen. Es gibt da also so etwas wie einen Konsens in der Wissenschaft und der Industrie, dass rezykliert werden muss, das ganze System aber noch viel zu wenig weit ist, und der Plastikverbrauch weiter steigt.
Recycling ist noch kein funktionierendes System. Und trotzdem müssen wir es tun. Die gesetzlichen Bestimmungen werden schärfer, das Recycling flächendeckender und der Druck auf Veränderungen grösser.
Und trotzdem fragten wir uns, ob Recycling für uns passt, da wir dabei noch mehr Kunststoff verbrauchen? Oder arbeiten wir mit einer Verpackung, die gar nicht erst recycelt werden muss?
Wir machten uns auf die Suche und führten mehr als drei Dutzend Gespräche mit Forschenden, Entwicklern, Herstellern, Recyclern, Zertifizierern, anderen Röstereien und Innovationsmenschen. Unser Projekt hiess intern: “die beste aller Verpackungen”.
Wir haben aber gelernt: die beste Verpackung existiert nicht. Sie ist immer eine Momentaufnahme und muss immer wieder überprüft werden.
Wir hatten früh einen Austausch mit einem Startup, das aus Nebenströmen der Tofuproduktion Folien herstellen kann. Das klang alles sehr gut, die Entwicklung vom Labor auf größere Mengen aber dauert Jahre. Wir sind zuversichtlich, dass in wenigen Jahren neue Materialien für Folien im Einsatz sind und auch für die breitere Industrie verfügbar werden.
Wir entscheiden uns für eine Form und die Eigenschaften des Beutels, bleiben aber flexibel, was die Verwendung des Materials angeht. Da passieren gerade enorme Fortschritte.
Über mehr als eineinhalb Jahre haben wir verschiedenste Anbieter von Materialien kontaktiert und Austausch gehabt.
Während wir also Ausschau nach revolutionären Materialien hielten, hinterfragen wir auch unsere Ansprüche und unsere Prozesse.
Durch eine Community-Umfrage über Instagram erkannten wir, dass unsere Kaffees in der Regel nach acht Wochen getrunken werden. Jede Kaffeeverpackung braucht von Gesetzes wegen ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Wir geben auch eines an, aber empfehlen gleichzeitig, sich am Röstdatum zu orientieren und den Kaffee nach wenigen Wochen und maximal zwei Monaten zu konsumieren.
Da wir das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht ausreizen, wie das bei einer Grossproduktion für Supermärkte oft der Fall und der Kaffee im Regal dann bis zu 18 Monaten alt ist, können wir das Thema Barriere neu denken. Wir haben keinen Anspruch auf ein überlanges shelf-life. Die Barriere unserer Beutel sollte also Kaffee für etwas drei Monate top-frisch behalten, das würde reichen. Das spart an eingesetztem Material - so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Dazu haben wir drei verschiedene Kaffees vom selben Stichtag über acht Wochen lang auf den Sauerstoffgehalt überprüft.
Bei der Prüfung des Sauerstoffgehalts stellte sich heraus, dass nicht alle Packungen gleich dicht waren und wir zum Teil bis zu 17% Sauerstoff (von möglichen 21%) in der Packung vorfanden.
Wir analysierten Kaffeeverpackungen von mehr als einem Dutzend Kaffeeröstereien und mehr als zwei Drittel hatten das gleiche Problem: die Packung war nicht dicht.
Deutlich langsamer: der Kaffee zeigte mehr Charakter, mehr Aromen und wirkte allgemein runder
Wir lernten durch Beobachtungen, Tests und vielen Verkostungen. Mit den Learnings aus unseren Vortests suchten wir die Gespräche mit Herstellern. Mit jedem Gespräch lernten wir mehr und merkten schnell, dass die allermeisten Hersteller umdenken müssen.
Diejenigen, welche bereits mit neuen Materialien arbeiten, haben aber noch Kapazitätsengpässe oder fehlende Berechtigungen für den Gebrauch mit Lebensmitteln, die ihnen die Skalierung erschwert.
Unser neuer Beutel ist aus einem Monomaterial und dadurch recyclingfähig. Der alte Beutel war das nicht. In der Zusammensetzung besteht unser neuer Beutel aus
Im Sinne des Massenbilanzverfahrens bezahlen wir für nachhaltigere Materialien. Diese sind rechnerisch im Beutel vorhanden, physisch wenn überhaupt nur marginal. Unsere Verpackung kann also aus 100% neuem Plastik bestehen.
Ökostrom und Biogas funktionieren nach dem gleichen Prinzip: man bezahlt für die alternativen Materialien, die dann vom Hersteller eingekauft werden. Man kauft bilanziell erneuerbare Produkte, aus der Steckdose oder der Leitung kommt aber ein Mischprodukt.
In den folgenden Grafiken gehen wir deswegen von einem rechnerischen Best Case Szenario und einem Real Case Szenario aus.
Best Case Szenario:
zeigt, welche Emissionen unser Beutel theoretisch hätte, wenn die 60/30/10 Mischung genau so im Beutel wäre. Es zeigt den rein rechnerischen Idealwert.
Real Case Szenario:
zeigt, welche Emissionen im realen Fall hat, wenn 0% von den nachhaltigeren Materialien in einem Beutel vorhanden sind.
Das Real Case Szenario schneidet dennoch besser ab als der alte Beutel, weil wir knapp vier Gramm weniger Material verwenden.
Neuer Beutel, theoretisches Best Case Szenario: Material, Herstellung, Entsorgung ohne Recycling
Wenn unser Beutel nicht wieder verwertet wird, haben wir Gesamtemissionen von 92g CO2e pro 250g Beutel.
Neuer Beutel, theoretisches Best Case Szenario: Material, Herstellung, Entsorgung mit 35% Recycling
Bei Kunststoffen (PE und PP) aus denen in der Regel die Kaffeeverpackungen sind, handelt es sich um Downcycling. Die Quote weltweit liegt bei 9%, in Deutschland wird ca. 35% zu verwertbaren Granulat.
Alter Beutel: Material, Entsorgung
Unser bisherige Beutel, der im April und Mai 2025 rollierend auf den neuen Beutel wechselt, emittiert mehr. Wir verbessern uns dabei um knapp 25%.
Neuer Beutel: detaillierte Berechnung im Best Case Szenario
Je länger wir uns mit dem Thema auseinandergesetzt haben, desto mehr Fragen haben sich aufgetan. Zeitweilig fühlten wir uns wie Forscher oder investigative Journalisten - aber eigentlich waren wir auf der Suche nach einer Verpackung für unsere Kaffeebohnen.
Das Verpackungsthema ist komplex und zu oft zu eng verzahnt mit technologischer Rückständigkeit und zu laschen rechtlichen Handelsanweisungen.
Minimale Verbesserungen wurden uns als “Weltneuheit” präsentiert und was die Einen als “smarten Ansatz” betitelten, hätten wir wohl unter gesundem Menschenverstand eingeordnet. Das Thema der Verpackungen ist emotional und pragmatisch gleichzeitig.
Man kann sich schnell über die in Plastik eingepackte Bio-Gurke stören, einzelne Kaffeebohnen aber kann man nicht transportieren. Wir müssen unsere Optik schärfen, wo Verpackungen Sinn machen und welche Eigenschaften sie wirklich oder gar nicht benötigen.
Bei diesen Learning gab es ein paar Dinge, die weh getan haben, aber auch solche, die uns zuversichtlich gestimmt haben.
Recyclingfähig heißt nicht mehr, als dass es recycelt werden kann. Was je nach Stoff besser oder schlechter funktioniert. Ca. 35% der im gelben Sack gesammelten Abfälle werden wieder zu verwertbarem Rohstoff.
Der Rest wird verbrannt, exportiert oder landet in der Umwelt.
Unser neuer Partner für die Kaffeeverpackungen ist die Firma O.Kleiner mit Sitz in Wohlen, Schweiz. Wir suchten einen Partner, der sowohl die Entwicklung als auch die Produktion abdecken kann. In verschiedenen Gesprächen haben wir uns den Zielvorgaben genähert und haben zusammen eine neue Verpackung für Kaffee entwickelt.
Andreas Platz von O. Kleiner (links) und Philipp Schallberger, Kaffeemacher GmbH (rechts)
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
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