Was ist eigentlich dieses Mundgefühl, von dem Kaffeemenschen immer wieder sprechen?
Das „Mundgefühl“ ist der vielschichtige, haptische Sinneseindruck eines Lebensmittels. Mit der Zunge, und weniger mit dem Gaumen, erforschen wir die Beschaffenheit der Esswaren oder Flüssigkeiten.
Der Begriff „Mundgefühl“ ist eine etwas unglückliche Lehn-Übersetzung aus dem Englischen mouthfeel[1]. Die in der Wein-Sensorik verwendete Textur beschreibt den gleichen Effekt wie das Mundgefühl und kann an dessen Stelle problemlos ersetzt werden.
Die Unterschiede der haptischen Sinneseindrücke zwischen Knäckebrot, Austern und Teig sind enorm. Das Vokabular, um diese Unterschiede zu beschreiben, ist ebenfalls sehr breit: knackig, glitschig, zäh, etc.
Beim Kaffee verhält sich das anders. Kaffee als Getränk ist flüssig und somit ist das Breite-Spektrum der Intensität eingeschränkt: dünnflüssig – flüssig – dickflüssig. Statt in die Breite, müssen wir hier in die Tiefe gehen, und die Qualität der Intensität beschreiben, um Kaffee zu kommunizieren. Von Tee-ähnlich, seidig, samtig, saftig, über rund, cremig, sirupartig etc. steht uns eine grosse Palette an Beschreibungen zur Verfügung.
Zahlreiche Faktoren sind mitverantwortlich für das Getränk. Die Reife der Kaffeekirsche, deren Aufbereitung, die Art und Weise, wie wir den Kaffee rösten und seine daraus resultierende Lösbarkeit – kurz geröstete Kaffees sind in der Regel weniger löslich als länger geröstete Kaffees.
Die nun durch die Extraktion gelösten Stoffe sind für die Qualität des Mundgefühls mitverantwortlich. Das verwendete Wasser spielt hier ebenso eine grosse Rolle, da die Zusammensetzung der im Wasser enthaltenen Mineralien mit dem Kaffee reagieren und somit lösliche Stoffe herausarbeiten.
Die Beschaffenheit des Kaffees beeinflusst unsere Wahrnehmung erheblich. Wenn ein Kaffee eine sirup-artige Konsistenz aufweist, und länger auf der Zunge verweilt, habe ich auch mehr Zeit, den Kaffee zu analysieren. Die Geschmacksnoten (flavours) erscheinen uns intensiver. Wenn hingegen ein wässeriger Kaffee schnell von der Zunge verschwindet, befinden sich darin weniger gelöste Stoffe. Die geringe Intensität und ihre kurze Verweilzeit führen dazu, dass die Geschmacksnoten nur unzureichend wahrnehmbar sind.
Die Qualität des Mundgefühls spielt in der sensorischen Beurteilung eines Kaffees eine wichtige Rolle. Auch wenn der Kaffee tolle Aromen und komplexe Säuren aufweist – wenn das Mundgefühl nicht mitmacht, ist der Kaffee weniger geniessbar und die Geschmacksnoten weniger lesbar.
[1] Da viele Begriffe in der Kaffee-Sensorik aber aus dem Angelsächsischen stammen (nicht zuletzt durch die Grundlagenarbeit der SCAA – Specialty Coffee Association of America), hat sich der Begriff durchgesetzt.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
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