Supermärkte haben mit ihren Einkaufsentscheiden einen riesigen Einfluss. Im Beispiel von "Lenca", einem Kaffee aus dem Coop-Sortiment, wird ein Supermarkt seiner Verantwortung bewusst, macht Investitionen vor Ort und bezahlt die korrekten Preise. Wir durften das Projekt begleiten und freuen uns über das fertige Produkt.
In einem kürzlich publizierten Blogartikel und Video haben wir die Chancen und die Versäumnisse von Supermärkten in Bezug auf Kaffee diskutiert. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Blends, den Mischungen. Bei den Mengen, die in Supermärkten verkauft werden, geht es in aller Regel um die günstigen Rohkaffees. Und weil die eine Commodity sind, ein auswechselbarer Rohstoff, werden die Kaffees je nach Verfügbarkeit und Preise ersetzt, so dass es die Konsumierenden nicht merken.
Es geht aber auch anders: und das wäre die Verpflichtung für einen bestimmten Kaffee, für eine bestimmten Produzentengruppe, für die langfristige Investition an einem Ort. Solche Projekte unterstützen wir gerne, sie können einen Leuchtturm-Charakter haben. Und das Lenca-Projekt von Coop ist genau so eines.
Ende 2018 kamen wir in Kontakt mit einer Projektgruppe von Coop. Ihr Ziel war es, analog den Kriterien ihres erfolgreichen Schokoladen-Projekts in Honduras, ein Kaffee-Projekt zu starten: Spezialitätenkaffee im Supermarkt, korrekt bezahlt, sensorisch deutlich anders als die Masse, produziert von einer Kooperative, die an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert ist.
Chocolat Halba, der Schokoladen-Arm von Coop, verfügte schon über lokale Mitarbeiter mit Erfahrungen in der intensiven Zusammenarbeit mit Kleinproduzenten. Sie waren es dann auch, mit denen ich im Sommer 2019 eine sogenannte fact finding mission in Honduras machte.
Wir besuchten verschiedene Kooperativen, die für das Projekt in einer sorgfältigen Vorauswahl bestimmt wurden. So spannend eine solche Aufgabe ist, so präzise muss sie betreut werden. Denn eine Auswahl bedeutet auch immer ein Ausschluss.
Die Auswahlkriterien waren also vielschichtig. In einem meiner ersten Ursprungsprojekte mit Kleinproduzenten habe ich von meinem Mentor gelernt, dass man gerade in einem Findungsprozess mit großer Behutsamkeit vorgehen muss, gerade bei den ersten Abklärungen - da keine voreiligen Versprechungen macht, offen ist, aber in der Konkretisierung doch noch etwas zurückhaltend. Mit dieser Maxime besuchten wir in einer Woche verschiedene Kooperativen in Honduras und suchten einen Partner für das Projekt.
Fündig wurden wir bei COSAGUAL, eine Kooperative in Gualcinse, an der Grenze zu El Salvador. COSAGUAL war bereits Fairtrade- und Bio-zertifiziert, war sehr stark aufgestellt im Community-Building und hatte grosses Interesse, das gemeinsame Projekt anzugehen.
Gualcinse liegt in einer sehr trockenen Gegend. Das Klima wird stark vom Pazifik beeinflusst. Die Wolken entleeren sich in der Regel ca. 50km weiter östlich. Dadurch tat sich die Möglichkeit auf, trocken aufbereitete Kaffees zu produzieren. Nur war die Infrastruktur noch nicht bereit dafür - COSAGUAL hat zwar gerade zum ersten Mal ein Microlot von 600kg Naturals gemacht, für eine grosse Produktion aber fehlte es am entsprechenden Setting.
Wer es mit einem Projektkaffee ernst meinst, muss vor Ort investieren. Und zwar langfristig. Da es vor allem an Trocknungskapazitäten fehlte, hat sich Coop dazu verpflichtet, die Investitionen für ein Trocknungshaus zu tätigen. Tim Willems, unser Projektleiter der Kaffeemacher:innen Farm Santa Rita in Nicaragua, war zur Stelle. Tim hat schon mehrere Trocknungssysteme realisiert und konnte nun auch dieses Projekt in Gualcinse mitbetreuen.
Aus einfachen Trocknungstischen wurde innert Monaten ein solides Trocknungshaus, das gut belüftet ist. Im ersten Jahr konnte die Produktion von 1 auf 8 Tonnen gesteigert werden, für diese Saison sind 12 Tonnen geplant.
COSAGUAL mit Standard-Drying Tunnels im Sommer 2019
Die Baustelle im 2020
Das fertige Trocknungshaus Ende 2020
Auf sieben Stockwerken werden die Kirschen getrocknet
Eine Investition nützt nichts, wenn nicht auch das Know How geschult wird. Ein lokaler Kaffeetrainer hat das COSAGUAL Team geschult. Coop hat einen Ikawa-Sampleröster finanziert und so können die Qualitäts-Teams in Honduras und der Schweiz die selben Röstprofile verkosten und früh schon, gemeinsam die Qualität bestimmen.
Tim Willems hat zudem geholfen, den Nachernteprozess festzulegen. Die Kaffeekirschen werden bei der Ankunft nun zuerst gewaschen und gefloatet, danach auf vordefinierte Trocknungsbetten ausgelegt. Zuerst sind sie im Trocknungshaus weiter oben, mit zunehmenden Trocknungsgrad wandern sie nach unten und trocknen so in mehr als 20 Tagen auf den gewünschten Restfeuchtegehalt.
Der resultierende Kaffee ist sehr schwer, üppig fruchtig mit Noten von Kirschen, einer saftigen Säure und einem tief schokoladigen Grundgerüst.
Die Kirschenqualität, die es für so einen Spezialitätenkaffee braucht, muss hoch und uniform sein. Reife und Uniformität sind unabhängig von Höhenlage. Das heisst, dass dieses Projekt Produzierende von verschiedenen Höhenlagen mit einbezieht, und nicht tiefere Farmen ausschliesst.
Coop fragte uns, wie der Preis für so einen Rohkaffee angesetzt werden sollte? Es ist nicht unsere Aufgabe, den Preis zu bestimmen, sondern die Produzenten zu fragen, was sie brauchen. So definierte COSAGUAL den Preis und Coop bezahlte. So einfach. Kein Handeln. Coop finanzierte den Kaffee vor, was gerade auch in der Corona-Situation mehr als wichtig war.
Der Kaffee von COSAGUAL wurde im Beneficio Santa Rosa in Copán exportfähig gemacht. Mit algrano haben wir für Coop einen Partnerin gefunden, die den Kaffee in die Schweiz geliefert hat. Von Basel ging es dann weiter zu Hochstrasser nach Luzern, wo der Kaffee rund um das Team von Kaffeetrainer und Röster André Strittmatter geröstet wird.
Solche Projekte, die verschiedenste Bereiche wie Community Building, Ausbildung, korrekte Preise, langfristiges Engagement, eigene Direktinvestitionen und Abnahmegarantien vorsehen, unterstützen wir als Kaffeemacher:innen gerne.
Supermärkte und grosse Röstereien haben die Hebel, mit einem einfachen Kurswechsel einen grossen Impact zu schaffen.
Wie wir sonst über Supermarktkaffee denken, haben wir hier detailliert besprochen:
Lenca, der Projektkaffee aus Honduras, ist für uns ein tolles Beispiel, das genau die oben erwähnten Punkte aufzeigt. Jedoch ist Lenca nur ein Kaffee im Coop-Sortiment, das auf diese Art und Weise funktioniert. Der sensorische Aspekt beim Lenca-Kaffee ist hier ein Grundpfeiler, so ist auch der Aufwand deutlich grösser als für andere Kaffees.
Die anderen Kaffees im Sortiment sind sensorisch weniger komplex und stammen (noch) nicht aus Projekten, bei denen Coop so stark in die Eigenverantwortung geht. Wir wünschen uns, und motivieren alle Supermärkte, diesen Weg einzuschlagen. Mehr Eigenengagement, Verantwortung übernehmen, neue Lieferketten aufsetzen und selber eine direkte Beziehung anstreben. Nur so gelingt es, Perspektiven für Kaffeeproduzierende zu schaffen. Das stetige Auswechseln auf die günstigsten Rohkaffees im Angebot ist ein Teufelskreis, der steil abwärts führt und niemandem hilft. Lenca sehen wir als Leuchtturm-Beispiel, wie vieles anders gemacht werden kann.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
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