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Kaffee-Sensorik. Was bedeuten Körper und Textur bei der Beschreibung von Kaffee?

Kaffee-Sensorik. Was bedeuten Körper und Textur bei der Beschreibung von Kaffee?

Wenn wir Kaffees beschreiben, geht es um mehr als nur die Identifikation von Aromen und Geschmacksnoten. Besonders die beiden Kategorien von Körper und Textur, bei denen wir fühlen und nicht schmecken, helfen uns, Kaffee noch besser zu verstehen und richtig gute Qualität zu erkennen.

Kaffees sensorisch zu beschreiben hat etwas Lustvolles. Es macht Spass, Aromen zu identifizieren, einzuordnen und sich in den Kaffee rein zu denken. Es ist ein vielschichtiger, teils kreativer Prozess. Verkostet man Kaffees mit Anderen, wird es noch bunter - Menschen mit verschiedensten Hintergründen, die auch alle ein anderes Vokabular zur Beschreibung der Kaffees mitbringen, tauschen sich über den gleichen Kaffee aus.

So entsteht ein Katalog an Beschreibungen, von denen wir die uns nützlichsten aufnehmen und speichern können. In der nächsten Verkostung können wir uns an eben diese Beschreibungen erinnern und erweitern ständig unseren Katalog.

Vom riechen, schmecken und fühlen

Gerade in Verkostungen mit Anderen fällt meistens auch auf, wie verschieden Kaffees im Bezug auf Aromen und Geschmacksnoten beschrieben werden können. Wenn von einer grünen Apfelsäure, gesalzenem Karamell und reifen, roten Trauben die Rede ist, dann würden die meisten Konsumierenden vielleicht den Kopf schütteln und den gleichen Kaffee eher als „anders, speziell, und ungewohnt“ beschreiben. Für Kaffeemenschen aber kann genau da der Ansporn liegen, immer präziser die Aromatik eines Kaffees zu beschreiben.

Nun sind präzise Beschreibungen der Aromatik aber immer Assoziationen mit Dingen, die uns schon bekannt sind. Wir können nur Gerüche und Geschmacksnoten im Kaffee wieder erkennen, die wir schon kennen. 

Wir müssen also zuerst Karamell kennen, und dann versuchen, die Ähnlichkeiten von Karamell in einem Kaffee zu finden. Das braucht etwas Übung, doch noch leichter ist es, wenn jemand einem hier Hilfestellungen gibt. Zum Beispiel helfen Kaffee-Beschreibungen der Röstereien. Wenn Kaffees präzise nach einer Frucht oder Süssigkeit beschrieben werden, dann können wir probieren, das Attribut rauszuschmecken. Es wäre genial, wenn die Beschreibung immer mit der Empfindung identisch wäre.

Riechen und schmecken ist höchst individuell und hängt zu einem grossen Teil davon ab, was wir schon kennen. Insofern lohnt es sich, Kaffees nicht nur der Aromatik nach zu beschreiben, sondern auch so, wie sie sich anfühlen. Denn da kommt die Stärke von uns allen hervor: wir fühlen meistens besser, als wir riechen und schmecken. Doch sind wir uns das nicht wirklich bewusst, weil wir uns nicht die ganze Zeit darauf konzentrieren. Aber: fühlen ist etwas, was uns angeboren ist. Wir können fühlen, was weich oder rau ist, ohne es vorher zu kennen. Wir können aber keine grüne Apfelsäure erkennen, wenn wir noch nie einen grünen Apfel gegessen haben.

Cupping Kaffeemacher Sensorik

Den Kaffee fühlen

Die Beschaffenheit des Kaffees beeinflusst unsere Wahrnehmung erheblich. Wenn ein Kaffee eine sirupartige Konsistenz aufweist, und länger auf der Zunge verweilt, haben wir auch mehr Zeit, den Kaffee zu analysieren. Die Geschmacksnoten (flavours) erscheinen uns intensiver. 

Wenn hingegen ein wässriger Kaffee schnell von der Zunge verschwindet, befinden sich darin weniger gelöste Stoffe. Die geringe Intensität und ihre kurze Verweilzeit führen dazu, dass die Geschmacksnoten nur unzureichend wahrnehmbar sind. Das Element, was hier also entscheidend zur Qualität eines Kaffee und dessen Lesbarkeit beiträgt, ist der Körper und das Mundgefühl/die Textur.

Das Mundgefühl / mouthfeel

Die Qualität des Mundgefühls spielt in der sensorischen Beurteilung eines Kaffees eine wichtige Rolle. Auch wenn der Kaffee tolle Aromen und komplexe Säuren aufweist – wenn das Mundgefühl nicht gut ist, bleibt der Kaffee weniger geniessbar und die Geschmacksnoten sind weniger lesbar.

Das „Mundgefühl“ ist der vielschichtige, haptische Sinneseindruck eines Lebensmittels. Mit der Zunge, und weniger mit dem Gaumen, erforschen wir die Beschaffenheit der Esswaren oder Flüssigkeiten. Der Begriff „Mundgefühl“ ist eine etwas unglückliche Lehnübersetzung aus dem Englischen Wort mouthfeel. Die oft in der Wein-Sensorik verwendete Textur beschreibt den gleichen Effekt wie das Mundgefühl und kann an dessen Stelle problemlos ersetzt werden.

Die Unterschiede der haptischen Sinneseindrücke zwischen Knäckebrot, Austern und Teig sind enorm. Das Vokabular, um diese Unterschiede zu beschreiben, ist ebenfalls sehr breit: knackig, glitschig, zäh, etc. 

Beim Kaffee verhält sich das anders. Kaffee als Getränk ist flüssig und somit ist das Breite-Spektrum der Intensität eingeschränkt: dünnflüssig – flüssig – dickflüssig. Statt in die Breite, müssen wir hier in die Tiefe gehen, und die Qualität der Intensität beschreiben, um Kaffee zu kommunizieren. Von Tee-ähnlich, seidig, samtig, saftig, über rund, cremig, sirupartig etc. steht uns eine grosse Palette an Beschreibungen zur Verfügung.

So zum Beispiel auf dem Flavor Wheel von Counter Culture Coffee:

Counter Culture Flavor Wheel


Der Körper / body, das Gewicht

Der Körper eines Kaffees gibt uns einen Eindruck, wie schwer oder leicht ein Kaffee sein kann. Gerade in Sensorikkursen habe ich immer wieder gemerkt, wie schwierig es sein kann, den “Körper” einer flüssigen Substanz zu beschreiben. Es ist etwas abstrakt, verschiedene, scheinbar nicht zusammenhängende Konzepte zusammen zu bringen, und dann das noch bei Kaffee, den wir trinken, und nicht nur anschauen möchten.

Wenn wir Körper aber als Gewicht übersetzen, dann hilft das Vielen, das Konzept einfacher zu erfassen. So können wir uns schon lange vertraute Worte wie leicht oder schwer zur Beschreibung der Haptik des Kaffees zu Hilfe nehmen.

Auf dem Flavor Wheel von Counter Culture Coffee wird das Gewicht des Kaffees in drei Stufen runtergebrochen. Das ist reduziert und reicht für die Analyse von Kaffees.

Das Gewicht x Das Mundgefühl

Wenn wir jetzt beide Konzepte miteinander vermischen, befähigt uns das zu einer präzisen, dennoch einfachen und verständlichen Beschreibung von Kaffees.

  • Wir können also einen leichten (Gewicht) Kaffee vor uns haben, der rund und seidig (Mundgefühl) ist.
  • Oder wir trinken einen schweren (Gewicht) Kaffee, der sirupig und cremig (Mundgefühl) ist.

Wir verbinden zwei unterschiedliche Kategorien, nehmen uns bekannte Worte und beschreiben einfach aber präzise, wie sich ein Kaffee anfühlen kann. Was nun genau leicht, mittel und schwer ist, und was eine seidige Textur von einer samtigen unterscheidet, braucht Übung - und diese bekommt ihr vor allem im Austausch mit anderen, die den gleichen Kaffee trinken und evaluieren.

Warum ist das Mundgefühl ein Qualitäts-Indikator?

Das Mundgefühl bei gutem Kaffee unterscheidet sich stark von mittelmäßigem, und noch stärker von Kaffee tieferer Qualität. Dafür sind mehrere Faktoren mitverantwortlich, hauptsächlich aber einer: die Reife und die Uniformität der Kaffeekirschen. Reifere Kaffeekirschen deuten durch ihre Farbe an, dass der Samen (die spätere Kaffeebohne) fertig ausgereift ist, die notwendigen Nährstoffe bekommen hat und bereit für die Ernte ist. Die Farbe der Kirsche ist vergleichbar mit einem Ampelsystem - nur, dass hier die rote Farbe äusserst positiv ist.

kirschen

Samen von reiferen Kirschen sind weicher in der Textur, weil sie ausgereift sind. Samen von unreifen Kirschen sind harscher, weil ihnen die nötige Süsse fehlt.

Die Art der Röstung kann diese Ausgangslage positiv nutzen, oder aber zu Nichte machen. Kürzere Röstungen behalten die schon vorhandene Textur bei, und kann mit einer gestreckten Maillard-Phase sogar noch etwas betont werden. Hingegen reduzieren längere Röstungen, die dann oft einen gebackenen Charakter aufweisen, die Textur immer mehr und höhlen sie förmlich aus. Das Mundgefühl beschreiben wir dann oft als leer und hohl - obwohl das Gewicht von der hohen Löslichkeit der Röstung noch schwer sein kann.

Philipp Schallberger
Philipp Schallberger
Philipp Schallberger ist Co-Geschäftsführer der Kaffeemacher. Er leitet die Rösterei und ist verantwortlich für den Rohkaffee-Einkauf und die Projekte im Kaffee-Ursprung. Er ist Q-Arabica Grader und jurierte während mehrere Jahren Barista-Weltmeisterschaften. Die Erfahrung aus Stiftungsarbeit für Kleinproduzenten und in der Forschung und Entwicklung einer grossen Rösterei gibt Philipp auch als Berater weiter. Er führt den Kaffeemacher Podcast Coffea, gründete den ersten Schweizer Bio-Haferdrink "Gutsch" mit und wenn er keinen Kaffee machen würde, dann wäre es wohl Wein.

2 Kommentare

Noé
Noé
Hallo, danke für den Artikel! Ich habe eine (etwas dumme) Frage zum Körper: Wenn man zur gleichen Menge Milch einen Kaffee mit weniger Körper trinkt, spürt man den Kaffee dann weniger raus? (Bzw. sollte man dann verhältnismässig mehr Kaffee dazugeben?)
Pascal Rutz
Pascal Rutz
Hey Noé, da liegst du richtig. Ein leichter Kaffee geht in einem Milchgetränk mehr unter als ein schwerer Kaffee. Entweder weniger Milch oder du magst es etwas leichter.

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