Warum schmeckt Kaffee so, wie er schmeckt? Anbaubedingungen und Varietäten sind ein Teil der Antwort. Der andere ist die Rolle der Fermentation in der Geschmacksbildung. Wie unterscheiden sich gewaschene Kaffees von Honeys, Naturals und experimentellen Fermentationen geschmacklich? Wir ordnen Begrifflichkeiten ein und erklären, woher Aromen im Kaffee kommen können.
“Dieser Kaffee zeigt Noten von Kirschen und Milchschokolade.” Wer sich mit Kaffee auseinandersetzt, trifft irgendwann auf immer präzisere Beschreibungen, wie der Kaffee schmecken könnte. Was früher eher eine Lieblingsdisziplin von Spezialitätenröstereien war, wird heute auch von traditionellen und ganz grossen Röstereien gepflegt.
Eine präzise sensorische Beschreibung soll den Konsumenten helfen, einen guten Eindruck über den Kaffee zu gewinnen und schon vor dem ersten Schluck die Sensoren zu schärfen, um Neues oder bisher Unbeachtetes im Kaffee entdecken zu können. Dabei gilt es zu beachten, dass jeder sensorische Eindruck individuell ist und von der eigenen Biographie geprägt ist.
Wenn etwas nach Apfel schmeckt, haben wir sofort ein Bild vor dem geistigen Auge. Ob der Apfel nun aber gelb, rot oder grün ist, hängt von unseren eigenen Erfahrungen ab.
In der Kaffee-Sensorik reden wir gerne von einem Vokabular, das uns dabei zur Verfügung steht, unsere Eindrücke präzise ausdrücken zu können. Das Vokabular finden wir zum Beispiel im Flavor Wheel der SCAA, das 1995 erstellt und 2016 erneuert wurde.
Version 2016 des SCA Flavor Wheel
Die Version von 1995
Die Sammlung an beschreibenden Worten ist vielfältig. Das Flavor Wheel gruppiert zuerst Aromagruppen, bevor es dann ausgehend von den großen Gruppen in die Ausdifferenzierung geht. Während fruchtige und nussige Noten positiv konnotiert sind, können Noten wie Petrol oder Medizin den Genuss stören.
Das Aromenrad gibt uns eine Auswahl an Aromen, die öfter oder seltener im Kaffee geschmeckt werden können, unabhängig ob sie positiv oder negativ sind. Doch woher kommen diese Aromen eigentlich? Und wie kommen sie in den Kaffee rein?
Wenn wir uns Kaffee wie ein Puzzle vorstellen, bemerken wir unzählige kleinere Teilchen, die es braucht, damit alles stimmig zusammen passt. Das trifft sowohl auf einen perfekt gebrühten Espresso wie auch auf den Rohkaffee zu.
Vor der Aussaat einer Kaffee-Varietät gilt es zu beachten, ob der Boden die Nährstoffe zur Verfügung hat, die er braucht. Ebenso, ob die gewählte Varietät den Sonnen- oder Schattengrad bekommt, den sie für ein ausgewogenes Wachstum benötigt. Und wenn Kaffeekirschen am Baum sind, entscheidet die Produzentin, wann genau sie gepflückt werden - denn rot ist nicht immer gleich rot.
Wie eine Verkehrsampel zeigt die Farbe der Kaffeekirsche, ob sie schon reif ist.
Dabei gibt es grosse Unterschiede in der Art der roten Farbe, was sich auf den Geschmack des Kaffees auswirken kann.
Ab dem Zeitpunkt, wenn eine Kirsche gepflückt wird, sprechen wir vom Nachernteprozess oder auch processing. Sobald die Kirsche vom Stiel getrennt wird, klafft dort eine kleine Wunde im sogenannten Exocarp.
Bakterien und Hefen können nun schon reagieren und den Stoffwechsel aktivieren, die Frucht kommt in den Austausch mit Sauerstoff und die Öffnung zieht mit ihren süsslichen Aromen Insekten an, die wiederum Bakterien und Hefen mit sich tragen. Jedes Stadium, in dem sich die Kaffeekirsche nun befindet, hat potenziell einen Einfluss auf die Qualität und damit auch den finalen Geschmack des Kaffees.
Der Nachernteprozess beginnt also nicht erst mit der Trocknung der Kirsche, dem Entpulpen oder einer Fermentation, sondern genau dann, wenn die Kirsche vom Stil getrennt wird.
Worauf es nun ankommt, damit alle in der Kaffeekirsche angelegten, positiven Eigenschaften in einen guten Geschmack münden, klären wir in den folgenden Abschnitten.
Folgende Punkte sollten beachtet werden, wenn die Kirschen vom Stil getrennt werden
Plastiksäcke mit entpulptem und gewaschenem Kaffee stehen auf einem Tarp und nicht direkt auf dem Boden.
oft werden Kaffees, die vor der Behandlung mit Wasser mechanisch entschleimt oder entpulpt werden, sehr zügig verarbeitet (am selben Tag)
v.a. ist es uns aus Kolumbien bekannt, dass Produzenten die Kaffeekirschen mit Ozon behandeln und so Hefen und Bakterien auf der Oberfläche eliminieren. Sie arbeiten in weiteren Verarbeitungsschritten nun mit den Mikroorganismen, die sich in der Kirsche drin befinden, oder geben Starterkulturen hinzu
in weiten Teilen Zentralamerikas existiert die Tradition der reposa, einer Lagerung der Kaffeekirschen von mehreren Stunden, bevor sie weiterverarbeitet werden
in Nicaragua z.B. setzen wir auf eine 16-Stündige Pause der Kirschen vor der Weiterverarbeitung. Im Gegensatz zum Kontrollsample, das sofort verarbeitet wird, stellen wir etwas mehr Süsse und Säure im gerösteten Kaffee fest
wir haben dies wissenschaftlich von der ZHaW begleiten lassen: ihr findet die Arbeit weiter unten
Ob der Kaffee nun eine reposa einlegte, oder ob die Kirschen kurz nach dem Pflücken weiterverarbeitet werden, hat für die folgenden Schritte keinen Einfluss. Es gilt nun zu entscheiden, was mit den Kaffeekirschen passiert: wird das Fruchtfleisch weggepresst, oder bleibt es intakt?
Dabei spielt die gepflückte und sortierte Qualität eine grosse Rolle. Wurden mehrheitlich halbreife Kirschen gepflückt, wird kaum ein direktes Trocknen der Kaffeekirschen (sog. Natural) angepeilt. Die Kirschen bringen zu wenig Zucker mit, die in einer intensiven Fermentation für neue Aromatik sorgen könnten. Sind die Kirschen sehr reif und uniform sortiert, bieten sich alle weiteren Verarbeitungsschritte an.
Mit allen weiteren Schritten kann nun eine Aromatik dem Kaffee hinzugefügt werden, die vorher nicht dagewesen wäre.
Durch eine zielgerichtete Fermentation entstehen Aromavorstufen, die dann während dem Rösten in Aromen umgewandelt werden.
Wird die Kaffeekirsche als intakte Kirsche getrocknet, oder wird die Pulpe (sog. mesocarp) entfernt? Dieser Entscheid definiert nicht nur das weitere Vorgehen, sondern auch die Absicht, welche Aromatik forciert werden soll.
*gerade zum Peak of the Harvest, also dann, wenn die meisten Kaffeekirschen in kurzer Zeit zur Verarbeitung angeliefert werden, sind die desmucilaginadores das verlässlichste und effizienteste Tool, um die Kirschen zu verarbeiten
**in dieser Verarbeitung findet keine Fermentation statt, es werden also keine neuen Aromen geschaffen, die nicht schon im Kaffeesamen als sogenannte aroma precursors (Vorstufen) vorhanden sind. Je nach sensorischem Anspruch wirken diese Kaffees oft etwas nüchtern. Hohe Qualitäten haben oft eine delikate, saubere Säure. Die Textur hängt vom Reifegrad der Kirschen ab, ebenso die Art der Aromatik. Da es hier aber oft um Volumenkaffees geht, landen weniger uniforme Kirschen in der Verarbeitung, was die aromatische Komplexität des Kaffees limitiert.
Durch den hohen Effizienzgrad und den tiefen Wasserverbrauch sind die demucilaginators mittlerweile weltweit im Einsatz. Neuere Generationen der Geräte erlauben es, dass die Menge mucilage, die am Kaffeesamen anhaften bleiben soll, präzise eingestellt werden kann. Besonders in Costa Rica haben Produzierende in den 2000er-Jahren diese Technik verfeinert und verschiedene Arten von Honeys erfunden.
Die Despulpadoras sind nicht darauf angelegt, das gesamte Fruchtfleisch und damit den Schleim zu entfernen, worauf sich der Prozess des Fermentierens als biologischer Prozess (= loslösen des Schleims) und des Waschens herausgebildet hat - dazu später mehr.
Bis um die Jahrtausendwende war die brennende Frage im Nachernteprozess: gewaschen, oder nicht gewaschen - Naturals waren Jahrzehnte lang die Art, wie Kaffees getrocknet wurden, jedoch reden wir da von einem anderen Level an Präzision, wie das heute gehandhabt wird. Mit steigender Effizienz im processing und neuen Marktanforderungen kam es in den 1970er Jahren zu einem steilen Anstieg von Wet Mills oder Beneficios, also Sammelstationen, wo Kaffeekirschen entpulpt und gewaschen wurden.
Die Möglichkeit, Kaffee zu entpulpen und zu waschen, war für viele Verarbeiter ein grosser Schritt zu mehr Konstanz. Die Prozesse konnten besser kontrolliert werden, die generelle Kaffeequalität stieg dadurch an, was schliesslich auch einen Massengeschmack mitformte.
Mit dem Aufkommen von Spezialitätenkaffee, der Suche nach immer neuen Geschmacksnoten, der Erforschung der Mikroorganismen in der Kirsche und das holistische Verständnis für Fermentation als Instrument zur Schaffung von neuen Aromen, stieg die Motivation und die Experimentierfreudigkeit von Produzenten.
Seit den 2000er-Jahren sehen wir einen steilen Anstieg an Nachernteprozessen, die sich zwischen den Polen von entpulpten und nicht entpulpten Kaffees bewegen.
wie kann mehr Wasser bei den Prozessen eingespart werden?
Wie kann auf wenig Platz viel Kaffee verarbeitet werden?
Und wie schafft man mit einfachen Mitteln komplexe Aromen?
Regelmässig erreichen uns Kaffees, die mit neuen Technologien, Abfolgen oder Bakterien prozessiert wurden. Das Feld für Versuche ist offen - und wenn es schmeckt, dann finden diese Kaffees einen Markt. Gleichwohl irritieren diese Kaffees auch immer wieder. Dazu habe ich mich vor ein paar Jahren hier geäussert.
Über die Jahre hinweg gab es immer wieder Bemühen, die mittlerweile stetig wachsende Anzahl an Nachernteprozessen in einer Grafik runterzubrechen.
Wir sind gerade dran, unsere eigene Grafik zu fertigen, welche wir dann auch hier veröffentlichen werden. Zwei Grafiken möchten wir aber mit euch teilen. Die eine ist von Tim Willems von 2019, der unsere Farm in Nicaragua führt. Die andere ist eine von Chris Kornman von Royal Coffee.
Beide Grafiken sind sehr präzise. Während Tim die Abfolge ins Zentrum stellt, benennt Chris die einzelnen Arbeitsschritte, die statt oder nicht statt finden für einen jeweiligen Nachernteprozess.
Chris Kornman, Royal Coffee, 2020
Bis jetzt lag der Fokus in unserem Artikel darin, auf die mechanischen Verarbeitungsschritte einzugehen, also ob das Kaffeefleisch entfernt wird, oder nicht. Die Erklärung in Verarbeitungsschritten wird immer präziser sein, als die Nennung der Fermentationsmethode - oder wer weiss, was eine Koji Fermentation ist? Eingeweihten könnte dieser Nachernteprozess bekannt vorkommen. Der Name impliziert, dass mit Koji-Pilzen gearbeitet wurde, aber nicht wie, nicht wann, bei welcher Temperatur, wie lange und in welcher Intensität. Selbst bei einer Koji-Fermentation gibt es x-beliebige Kombinationen an Prozessen.
Je mehr wir also die Arbeitsschritte besprechen, und weniger die wohlklingenden Namen, kommen wir zu einem besseren Verständnis, was genau mit welcher Kaffee-Fermentation gemeint ist.
Die Wahl der Methode, wie ein Kaffee nach dem Pflücken weiterverarbeitet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Und wie es keinen besten Kaffee gibt, gibt es auch keine beste Aufbereitungsmethode für Kaffee. Die Nachernteprozesse sind immer abhängig von
Auf vielen Farmen sehe ich heutzutage Regenfässer, die seit Anfang der 2010er Jahre vor allem in Costa Rica für sogenannte anaerobe Fermentationen eingesetzt wurden, bevor sich dieser Ansatz weltweit verbreitet hat. Diese Fässer sind günstig und stabil.
Die Kapital-intensivere Variante besteht darin, mit Stahltanks zu arbeiten, wie das in der Weinproduktion gemacht wird. Die grundsätzlichen Effekte sind die gleichen, jedoch kann in Stahltanks mit noch mehr Druck gearbeitet werden, analog der maceration carbonique beim Beaujolais Wein.
Dieses Verfahren hat sich zuerst in einem kleinen Kreis von Kaffeeproduzierenden etabliert und ist auch heute vielerorts anzutreffen. Wer diesen Prozess in einer kühleren Umgebung durchführt, verlängert die Fermentation und schafft wiederum ein neues Geschmacksbild. Dafür werden eigens klimatisierte Räume geschaffen, worin dann der Kaffee fermentiert wird.
Es scheint so, als ob heute jede neue Idee zu einer abgeändertem Fermentationsprotokoll mit grosser Neugier aufgenommen, angewendet, dann verfeinert und weiterentwickelt wird. Jedoch von einem sehr überschaubaren Zirkel von Kaffeeproduzierenden, die das Know How, die technische Infrastruktur und ein potenzielles Käufernetzwerk mitbringen.
Das birgt Chancen und Risiken, aber vor allem beschleunigt es den Wissenszuwachs auf der Produktionsseite. Die sensorische Vielfalt dieser Kaffees kann kaum mit einem “traditionell” gewaschenen Kaffee verglichen werden.
Durch die verschiedenen Aufbereitungsmethoden können einem Kaffee Aromen hinzugefügt werden, die er vorher nicht hatte. Je nachdem, welcher Nachernteprozess gewählt wird, können andere Attribute wie Aromen, Geschmacksnoten, Säure und die Textur beeinflusst werden.
Grafik
Aus unserer Erfahrung wird die Textur am wenigsten verändert durch die Art der Fermentation. Eine neue Aromatik hingegen ergibt sich relativ schnell aus dem Prozess.
Die Vorbedingung für eine weiche und runde Textur ist ein hoher und uniformer Reifegrad.
Ist dieser nicht gegeben, kann durch eine Fermentation keine “Weichheit” hervorgerufen werden - ausser, und solche Kaffees habe ich zum ersten Mal vor ein paar Jahren von La Palma y el Tucán getrunken, es werden Lactobazillen hinzugegeben, die oft einen positiven Einfluss auf die Textur haben können. Ebenso kann eine reposa, was wir in Nicaragua standardmässig machen, die gefühlte Textur etwas erhöhen - jedoch nur dann, wenn die Kirschen schon gut reif und uniform sind. Es braucht ein gutes Grundmaterial um ein gutes oder noch besseres Fermentations-Resultat zu erreichen.
Kaffees, die in einem wassersparenden descmucilaginador entpulpt und entschleimt werden, kommen dem, was als gewaschene Kaffees bezeichnet wird, am nächsten. Bevor es die Demucilaginators gab, wurde der Kaffee mit Hilfe von Fermentation als mechanischer Prozess von der Mucilage befreit, bevor er gewaschen wurde.
Heute wird es bei mittelgrossen und grösseren Beneficios Standard, die Demucilaginators einzusetzen. Bei dem Prozess kommt es zu keiner Fermentation, weil die Samen aus der Kirsche in wenigen Minuten rausgepresst und entschleimt werden.
Ecopulper / Demucilaginator auf der Finca La Bastilla in Nicaragua, 2017
Mucilage, Miel, Schleim, Finca La Bastilla, Nicaragua, 2017
Wenn gepflückte Kaffeekirschen nicht sofort gepflückt werden, sondern zuerst mehrere Stunden in einem kontrollierten Umfeld ruhen, spricht man in weiten Teilen Zentralamerikas von einer reposa - einer Pause.
Zum ersten Mal ist mir das vor Jahren in Nicaragua begegnet, als ich spätabends einen vollen Auffangtrichter für Kaffeekirschen gesehen habe. Ich fragte meinen Begleiter, ob die Kirschen nicht sofort entpulpt werden müssten? "Nein", hiess es damals - die reposa in einem kühleren Umfeld (durch die nächtlichen Temperaturen) verlangsamen einen Fermentationsprozess, es “könne nicht viel passieren”.
Am nächsten Morgen wurde der Kaffee entpulpt, unter Wasser fermentiert und gewaschen. Heute ist dieser Prozess unser Standardprozess auf der Finca Santa Rita in Nicaragua. Wir wollten verstehen, was genau dabei passiert und haben mit der ZHaW ein Forschungsprojekt durchgeführt. Dabei wurde ein Muster mit der Reposa verarbeitet, das Kontrollmuster wurde ohne Reposa weiter verarbeitet.
Barbara Beck (Foto oben) hat die Entwicklung der Hefen, Bakterien und Säuren in diesem Paper untersucht und dokumentiert.
Kaffees mit einer Reposa haben wir mit ca. 1 Punkt mehr bewertet, z.B. mit 83 statt 82. Reposa-Kaffees zeigen oft etwas mehr Süsse, etwas mehr Textur, aber v.a. eine besser integrierte Säure. Manchmal treffen wir auf Reposa-Kaffees, die eine leichte Fruchtigkeit mit sich bringen.
Besonders auf kleineren Farmen oder in kleineren, zentralisierten Beneficios, wird Kaffee mit Despulpadoras vom Fruchtfleisch getrennt. Da die Mehrheit des Schleims am Samen kleben bleibt, steht die Produzentin nur vor der Entscheidung, ob sie den Kaffee mit der mucilage am Samen trocknen möchte (honey), oder ob sie die mucilage durch eine Fermentation im Sinne eines biologischen Prozesses entfernen möchte. Diese Fermentation kann an offener Luft, in einem geschlossenen Container, oder unter Wasser gemacht werden. Die Zeit für die Hydrolyse, die Aufbrechung des Pektins, das den Schleim zusammenhält, ist je nach gewählter Methode unterschiedlich und hat einen potenziellen Effekt auf den Geschmack.
Despulpadora auf Mil Variedades, unserer Farm in Nicaragua
Entpulpte Kaffees bringen oft den Geschmack eines gewaschenen-entmucilaginierten Kaffees mit, der noch weitere Facetten aufzeigen kann.
Auf einer despulpadora entpulpte Kaffees werden - wie oben beschrieben - fermentiert, um den Schleim zu lösen. Der Schleim, respektive die mucilage, wird auf Spanisch oft miel genannt, also Honig. In der Rückübersetzung ins Englisch wird miel zu honey, und so reden wird also vom honey process, wenn wir entpulpten Kaffee meinen, der mit der Mucilage Schicht getrocknet wird.
Der Anteil der Schleimschicht und die Länge der Trocknung, sowie die Dicke der aufgetürmten Schichten und die vorherrschende Temperatur. Weniger honey am Samen begünstigt eine schnellere Trocknung des Samens auf ca. 12% Restfeuchte, mehr honey braucht eine längere Trocknung.
Ein Honey-Processed trocknet in Ocotal, Nicaragua
Dabei wird vor allem in Costa Rica mit verschiedenen Restmengen von honeys gearbeitet. Weniger honey am Pergamino, z.B. 25%, erlaubt eine schnellere Trocknung. Diese Art wird oft white oder yellow honey genannt, weil sich der wenige miel am Parchment gelblich verfärbt. Mit 50% oder mehr honey wird der Kaffee im Pergamino langsamer getrocknet und die Farbe des honeys wird rötlich, bei sogenannten black honey sogar dunkelbraun. Der Spielart der Trocknungszeit in Verbindung mit dem Anteil honey auf dem Pergamino sind keine Grenzen gesetzt.
Ein Black Honey, Ocotal, Nicaragua
ebenso begegnen wir aber auch vielen Honeys, bei denen die Klarheit der Aromen und Säuren übertüncht werden. Dies hat oft damit zu tun, dass die Fermentation am Pergamino nicht sehr gut kontrolliert werden kann - anders z.B. als bei intakten Kirschen
“Naturals”, oder eben “in der Kirsche getrocknete Kaffeesamen” waren in früheren Zeiten das Gegenteil vom “klassisch gewaschenen Kaffee”. Heute stimmt es weiterhin, dass die Kaffeesamen innerhalb der Kirsche mit trocknen, bevor das getrocknete Fruchtfleisch abgerieben wird. Jedoch haben sich vor allem in den letzten zehn Jahren neue Arten von Fermentations- und Trocknungsprotokollen bei Naturals etabliert.
“Früher” galt, dass Naturals mehr Süsse und weniger Säure hätten. Heute gilt, dass eigentlich nichts mehr gilt.
Wir hatten Naturals, die so schlank wie gewaschene Kaffees waren. Dann hatten wir Naturals, üppig fruchtig waren, und dann hatten wir Naturals, die viel mehr (Essig-)Säure hatten als ihr gewaschenes Pendant.
Viele nussig-schokoladige Kaffees aus Brasilien sind Naturals, aber nicht fruchtig (bubble ganz links im Diagramm). Die weissen Pfeile bedeuten nicht, dass sich alle Kaffees die trocken fermentiert werden, sensorisch so entwickeln. Gewisse Kaffees sind von Natur aus fruchtig und können durch eine gezielte Fermentation noch fruchtiger werden. Andere Kaffees, wie z.B. aus Brasilien, sind eher nussig-schokoladig. Diesen Kaffees kann evtl. keine tropische Note verliehen werden, wenn es der Rohkaffee von Natur aus nicht zulässt.
Der Grad und die Dauer der Fermentation definieren die Aromen, die durch das Trocknen in der Kirsche hervorgerufen werden können.
Über die letzten Jahre hinweg haben wir etliche Fermentations-Versuche auf unserer Farm in Nicaragua gemacht. Viele Experimente gingen schief oder waren aufwendig und haben aber keinen massiven sensorischen Gewinn gezeigt.
Es gibt mittlerweile keine Grenzen der Kreativität mehr, wie Kaffee fermentiert werden kann. Das bietet viele Chancen, birgt aber auch Risiken.
Stark fermentierte Kaffees geben dem Kaffee Noten hinzu, die sonst nicht vorhanden wären. Wir verwenden oft Begrifflichkeiten, die wir sonst für klassischere aufbereitete Kaffees nicht verwenden. Es gilt, sich auf etwas Neues einzulassen. Oft reicht das gelernte Vokabular nicht aus, diesen Kaffees gerecht zu werden. Es verhält sich etwa so, wie wenn wir Naturwein verkosten, da greifen wir auch auf ein anderes Vokabular zurück.
Aromen, die wir in stark fermentierten Kaffees immer wieder entdecken, haben wir in der Grafik gesammelt.
Eine Kühlkammer, oder auch cold room, sind Räume, die mit Klimaanlagen auf max. 16 Grad runtergekühlt werden. Kaffee wird meist zuerst in Fässer gegeben und dann in den Kühlraum gebracht, wo sie die Fermentation verlangsamt starten oder fortsetzen.
Cold Room in Nicaragua mit Stickstoffflaschen, um den Sauerstoff in den Fässern zu vertreiben.
Die kühleren Temperaturen bremsen die Fermentation, so dass cold room fermentations zum Teil 40 Tage oder noch länger stattfinden können. Das kann zu super üppigen Noten führen, die sehr intensiv sind. Unsere Erfahrungen sind dahingehend, dass Kaffees aus dieser Fermentation oft länger brauchen, um richtig stabil zu werden.
2018 hatten wir zum ersten Mal ein Sample aus Nicaragua, das - gelinde gesagt - uns missfiel. Wir behielten 1kg von dem Kaffee und rösteten ihn ein Jahr später. Der Kaffee war plötzlich balanciert, nicht mehr spitz und sehr süsslich.
Durch Zugabe von Mikrobakterien während des Fermentationsprozesses, der in einem kontrollierten Umfeld (z.B. Tanks) stattfindet, können neue Reaktionen zwischen Hefen, Bakterien und Zuckern hervorgerufen werden. Diese Impfung des Ferment, der zu fermentierenden Substanz, funktioniert nur dann, wenn die Mikrobakterien noch intakt sind. Dafür müssen sie gekühlt sein. Dieser Prozess verlangt also nicht nur viel Präzision, sondern auch einen hohen hygienischen Standard und ein gut ausgerüstetes Labor. Das sind Kriterien, die die aller wenigsten Kaffeefarmen erfüllen können.
Eine Farm, die kreativ mit Bakterien und Hefen umgeht, ist die Finca el Paraíso von Diego Bermudez in Kolumbien. Diese Kaffees haben oft üppig parfümige und fruchtige Noten mit starker Intensität und einem Aromaspektrum, das man bei un-fermentierten Kaffees nicht findet.
Seit Mitte der 2010er Jahre werden zuerst unkommentiert, und später dann stark kommentiert Kaffees angeboten, denen während der Fermentation isolierte Hefestränge beigegeben wurden. Über den Prozess und die Herleitung habe ich hier geschrieben.
Lucia Solis und Oleneska Cespedes sind zwei Ingenieurinnen, die das Thema präzise und verständlich zugänglich machen. Mit Lucia Solis war ich in einem Projekt in Honduras involviert, bei dem wir Laborversuche mit Hefefermentationen auf mehrere Tonnen skaliert haben.
Geschmacklich kann die Hefefermentation - ähnlich wie beim Wein - mit verschiedenen Hefen gesteuert werden. Lallemand waren die ersten die vor knapp zehn Jahren eine spezielle Hefe für die Fermentation von Kaffeekirschen lanciert haben. Auch in Nicaragua haben wir mit verschiedenen Strängen wie Intenso oder Cima gearbeitet.
Intenso macht, wie der Name sagt, den Kaffee etwas intensiver, hier fruchtiger. Cima hebt etwas die Textur und die Länge des Kaffees. Die Hefe kann keine Wunder wirken, aber kann das verstärken, was schon da ist.
Kaffeehefe ist so etwas wie ein Verstärker. Gutes wird vielleicht besser, Schlechtes wird schlechter.
Auch hier kommt es darauf an, wie hoch die Qualität des Rohmaterials, in diesem Falle die Kaffeekirschen, ist. Reife Kirschen bringen per se einen hohen Grad an Zucker, Hefen und Bakterien mit, die Ausgangslage ist gut und eine zugegebene Hefe kann den Metabolismus verstärken oder verschnellern.
Präzision ist hierbei gefragt: Wassertemperatur zum Anrühren der Hefe, die Menge und die Verweilzeit in einem Tank beeinflussen den Erfolg/Misserfolg massiv.
Nacht- und Nebelaktion mit Lucia Solis und Kaffeehefe, 2018
Christopher Feran hat mehrere Jahre daran gearbeitet, einen Prozess mit Koji-Pilzen zu etablieren, was 2021 in der Spezialitätenwelt für grosse Wellen sorgte. Koji ist in Asien weit verbreitet und wird verwndet um Saka, Miso und andere Umami-lastige Produkte herzustellen.
Der grosse Vorteil von Koji ist, dass Pilz-eigene Enzyme Stärken in einfach verfügbare Zucker verarbeiten, die dann in der Fermentation neue Verbindungen mit vorhanden Bakterien und Hefen eingehen.
Christophers Blog-Artikel dazu liest sich wie wie ein Gemisch aus Geschichte, Science Fiction und Rezept, das Lust macht, solche Kaffees zu verkosten.
Die Kaffees, die wir bis jetzt verkosten konnten, sind ebenso fruchtig und süsslich, wie das die besten mit Hefe fermentierten Kaffees auch sind. Coffee Circle hatte kürzlich einen mit Koji fermentierten Kaffee im Sortiment.
Doch auch hier gilt: jede inokulierten Pilze- oder Hefestämme können nur so gut arbeiten, wie es das Rohmaterial zulässt. Die Kirschen müssen von hoher Qualität sein, damit der Prozess wünschenswerte Aromen hervorbringt.
Koji wächst auf Kaffeekirschen. Quelle: Christopher Feran's Blog
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
2 Kommentare
Was denkst du?