So wie es nicht den Kaffee oder den Whisky gibt, existieren eine Vielzahl von Irish Coffees. Es geht um Balance und die Auswahl der Zutaten. Theresa Prüssen, Victoria Arthofer und Nicole Battefeld teilen hier ihre Rezepte. Sie haben gemeinsam, dass sie Landesmeisterinnnen sind, in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.
An einem nebligen Februar-Tag 2015 in Oslo habe ich gelernt, dass Irish Coffee das wohl schwierigste und zugleich wohltuendste Kaffeegetränk ist. Ich jurierte den “Coffee in Good Spirits” Wettbewerb, also die Barista-Disziplin, in der Kaffee mit Alkohol gemischt zu innovativen und leckeren Cocktails kredenzt werden. Der Wettbewerb besteht aus verschiedenen Teilen, einer davon ist der Irish Coffee.
Nun gut, mag man sich denken, Irish Coffee ist ja eigentlich nur Kaffee, Sahne, Zucker und Whiskey – alles für sich alleine ist lecker, dann sind wohl alle Bestandteile zusammen noch leckerer. Tja – bis an dem Tag im Februar 2015 dachte ich ähnlich.
Ein Teilnehmerin brühte für ihre Irish Coffee Basis einen Filterkaffee aus Panama der Varietät Gesha. Der Kaffee war trocken aufbereitet und schmeckte intensiv nach Papaya und Jasmin. Sie nahm Palmensirup zum Süssen, mischte dies mit einem rauchigen Whisky aus Japan und krönte das Getränk mit einer leicht angesäuerten Sahne. Ich war baff. Bis zu dem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass dieses Getränk, das im Vergleich zu anderen Cocktails optisch unattraktiv wirkt, so komplex und überraschend sein kann.
Irish Coffee besteht aus nur vier Zutaten: Kaffee als Basis, gemischt mit Whiskey, alles gesüsst, und gekrönt mit geschlagener Sahne. Es gibt kaum ein anderes Mischgetränk, das so variabel schmecken kann.
Es klingt so, als würden alle Irish Coffees ähnlich schmecken, weil sie ja immer aus den gleichen Zutaten bestehen. Das Interessante aber an diesem Getränk ist, dass jede einzelne Komponente so präzise gewählt werden kann, so dass es in die perfekte Balance kommt und neue Geschmacksnoten hervorruft.
Die klassischen Irish Coffee Rezepte basieren – der Legende nach – auf einem Glas mit 6 Unzen Füllvolumen, also etwa 180ml. Im eingangs erwähnten Coffee in Good Spirits Wettbewerb werden Gläser mit 240ml Füllvolumen gebraucht.
Es kommt wohl auf den Durst und die Aussentemperaturen drauf an, welche Grösse man gerade bevorzugt. Das Glas ist ein klassisches Kelchglas. So kann das Glas erhitzt werden, während dem der Boden gedreht wird. Ein Irish Coffee sieht nur dann gut aus, wenn das Glas bis zum Rand gefüllt wird, und dafür braucht es viel Kaffee.
Das Getränk besticht – und darauf komme ich noch einige Male zurück – durch Balance. Auch beim Kaffee selbst müssen wir hier auf Balance achten. Nur, weil Kaffee eine von mehreren Zutaten ist, sollten wir hier nicht einen x-beliebigen Kaffee nehmen. Ebenso empfehlen wir, nicht mit Espresso zu arbeiten. Espresso oder auch Lungos sind in der Regel zu stark und würden das Getränk dominieren und, eben, aus der Balance bringen.
Kaffees als Filter gebrüht erweisen sich hier als perfekte Zutat. Filterkaffee bringt die Menge in das Getränk und transportiert feinere, komplexere Noten in das Gesamtkonstrukt. Espresso oder ähnlich intensive Getränke sind nicht so feingliedrig und würden die feineren Noten im Whisky überdecken. Jedoch sollte der Filterkaffee etwas stärker, also überdosiert, gebrüht werden als sonst. Er wird ja danach noch deutlich verdünnt. Wir empfehlen mindestens 7g Kaffee pro 100ml Wasser, anstatt wie üblich 6g Kaffee pro 100ml Wasser.
Bei meinem Erweckungserlebnis in Oslo brühte die Teilnehmerin einen äusserst charakteristischen Filterkaffee, den sie dann im Irish Coffee verwendete. Ein komplexer Kaffee alleine aber macht den Irish Coffee nicht besser, wenn die anderen Zutaten nicht ebenso präzise ausgewählt werden.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich gut entwickelte Filterkaffees bestens als Basis eignen. Die ganz hellen Kaffees tendieren geschmacklich etwas unterzugehen. “Gut entwickelt” heisst für unsere Filterkaffeesprache, dass wir sie 10sec länger als einen anderen Filterkaffee rösten würden.
Charakteristische Kaffees die sehr floral oder fruchtig sind, können genau so Spass machen, wie eher nussig-schokoladige Kaffees. Auch hier gilt es, die Balance mit den anderen Zutaten zu finden. Ein torfiger Whiskey harmoniert beispielsweise weniger gut mit einem sehr fruchtigen Kenianischen Filterkaffee. Jüngere Whiskys mit helleren Tönen passen dagegen sehr gut zu floraleren Kaffees.
Es gibt sicherlich keine Regel, wie Kaffees zu Whiskey harmonieren. Ausprobieren ist die Devise. Es empfiehlt sich auch, einen Filterkaffee zu bestimmen und dann den passenden Whiskey dazu zu suchen. Eine ziemlich spannende Aufgabe, die man am besten an einem Wochenende durchzieht.
Theresa Prüssen betont mehrmals, dass sie Säure-fokussierte Kaffees weniger passend findet, da der Alkohol die Säure im Kaffee noch mehr hervorhebt. Theresa arbeitet mit süssen, ausgewogenen Filterkaffees.
Wer bei “süssen” automatisch an Zucker denkt, sei hier eingeladen, mal was Anderes auszuprobieren. Die Süssekomponente dient dem Getränk, balancierter zu sein und den hohen Alkoholgehalt des Whiskey etwas abzumildern.
Sirups süssen das Getränk nicht nur, sondern geben ihm auch eine weichere Textur. Vom einfacheren Zuckersirup, zu Dattel- oder Palmsirup gibt es verschiedene Methoden, wie Süsse mit Textur verbunden werden kann.
Muscovado-Zucker, Stevia, Melasse, Honig – alles was süss ist, tut seinen Zweck und lädt ein, auszuprobieren. Zu viel Süsse darf es dann aber auch nicht sein – die Balance sollte auf jeden Fall gewährt werden. Und das Getränk ist ohnehin schon ziemlich wuchtig, so braucht es gar nicht so viel Zucker.
Genauso wie beim Kaffee finden wir auch im Whiskey eine Viehlzahl von unterschiedlichen Interpretationen und Geschmacksrichtungen. Wenn ihr erstmal anfängt, euch durch die verschiedenen Whisky-Blogs zu klicken, merkt ihr schnell, dass die Whisky-Welt genau so bunt ist wie die Kaffeewelt.
Whiskykenner unterscheiden bei Geschmacksprofilen zwischen holzig, malzartig, blumig, fruchtig, torfartig, herb, getreidig, grasig, fruchtig, erdig, und weinartig www.maltwhisky.de.
Bevor ihr euch jetzt gleich in die Verkostung stürzt, macht es durchaus Sinn, sich mit den Basics der Whisky-Kunde auseinanderzusetzen. Sucht euch am besten vier komplett verschidene Whiskeys, Fruchtig, Torfig, Getreidig und X, und versucht dies nachher mit einem Kaffee zu kombinieren. Damit habt ihr schon mal eine Grundannahme, was zueinander passt. Danach geht es in die Details, die nicht minder Spass machen, aber etwas an physischer Robustheit abverlangen.
Die Sahne als krönender Abschluss des Getränks ist gleichzeitig der erste Eindruck beim Trinken. Nicht nur die Temperatur ist hier entscheidend, was wir gleich besprechen werden, sondern die Cremigkeit und natürlich der Geschmack.
Frische Sahne schmeckt anders als die lange haltbargemachten UHT- und ESL-Sahnen. Nur schon ein Hauch von alterungsbedingten Aromen, welche die Sahne etwas ranzig, kartonig oder zu butterig machen, können störend wirken.
Auch hier lohnt es sich, verschiedene Sahnetypen und -Marken auszuprobieren, zu schütteln und einfach so zu verkosten. Ja, niemand hat gesagt, dass der Weg zum perfekten Irish Coffee ein Spaziergang ist. Es ist durchaus etwas anstrengend.
Nicole Battefeld nimmt Kokos-Sahne für das Topping anstatt Milchkuh-Sahne – unbedingt ausprobieren.
Das für mich spannendste Element am Irish Coffee ist der Temperaturkontrast. Wenn die Lippen am Glas ansetzen, spüren wir zuerst die kühle Sahne. Je flacher wir das Glas halten, umso mehr warm-heisses Whisky-Kaffee-Gemisch schwappt unter der Sahne hervor.
Je grösser die Diskrepanz der Temperaturen ist, umso mehr gibt es diesen Überraschungseffekt. Aber Achtung: weder sollte die Sahne so kalt sein, dass die Zähne zu schmerzen beginnen, noch sollte der Kaffee so heiss sein, dass sich jemand die Zunge verbrennt. Das Ziel ist es hier, möglichst nahe an die Extremwerte heranzukommen. Am besten misst ihr das mit einem einfachen digitalen Thermometer.
Wenn nun alle Zutaten stimmen, heisst es leider noch nicht, dass das Endprodukt richtig lecker sein muss. Mein Lieblings-Kuchen, ein schwedischer Buttermilchkuchen, ist nur dann richtig lecker, wenn das richtige Verhältnis gewählt wird. Obwohl die einzelnen Zutaten alle lecker sind, müssen sie deswegen nicht harmonieren.
Um das richtige Mischverhältnis zu finden, brüht ihr am besten einen grossen Filterkaffee und gebt jeweils 50g in Espressotassen. Zur ersten Tasse würdet ihr jetzt 5g Whiskey hinzufügen, bei der zweiten 10g, etc. So versteht ihr, welches Verhältnis für euch stimmt, wie viel Kaffeegeschmack und wieviel Alkohol es sein darf. Da ihr hier mit Verhältnissen arbeitet, könnt ihr diese danach einfach skalieren für grössere Mengen.
Wenn ihr eure besten Zutaten zusammen habt, geht die spanndenste Phase erst richtig los. Etwas mehr von dem, etwas weniger von dem, etwas heisser, etwas kühler – die richtigte Balance zu finden macht grossen Spass.
Es lohnt sich, das Getränk als Alkoholischen Cocktail zu denken und weniger als Kaffee-Cocktail. Barkeeper gehen immer von der bestmöglichen Balance aus. Der Kaffee muss nicht im Vordergrund stehen, eben sowenig der Whiskey. Im besten Fall ergänzen sich die beiden Produkte und gehen eine Synergie ein, so dass neue Geschmacksnoten hervorgerufen werden, an die wir bis anhin gar nicht gedacht haben.
Es ist unmöglich, genau zu sagen, woher der Irish Coffee seinen Namen hat. Die allermeisten Anekdoten zielen aber darauf ab, dass ein Barkeeper namens Joe Sheridan in Irland 1942 eine Gruppe von gestrandeten Fluggästen etwas aufmuntern wollte. Scheinbar habe er Kaffee mit Whiskey gemischt, weil alle gefroren haben. Ein Gast soll Sheridan gefragt haben, ob es Brasilianischer Kaffee wäre? Der Barkeeper soll geantwortet haben: “No, it’s Irish Coffee”.
Der Kaffee mag den gestrandeten Passagieren etwas Wärme gespendet haben, und das macht er heute noch. Die Verfeinerung der Rezeptur ist aber nicht abgeschlossen, sondern geht mit der Entwicklung der Produkte einher.
Drei Coffee in Good Spirits Meisterinnen teilen hier ihre Rezepte für ihren perfekten Irish Coffee. Theresa Prüssen wurde 2016 Schweizer Meisterin, Nicole Battefeld aus Deutschland wurde an den Weltmeisterschaften 2019 grandiose Fünftplatzierte. Victoria Arthofer aus Österreich ist zweifache österreichische Meisterin.
Im Gespräch mit Theresa (siehe Video oben) wurde klar, dass der Irish Coffee für sie ein gepflegter Cocktail ist und nichts mit dem Kafi Schnapps oder Kafi Lutz zu tun hat, bei dem es eigentlich nur um den Alkohol geht.
Irish Coffee ist für Theresa eine Spielwiese, da sie da immer wieder neue Zutaten ausprobieren kann.
Theresas Rezept
Nicole Battefeld erreichte an den Coffee in good Spirits-Weltmeisterschaften 2019 den fünften Platz. Eine solche Leistung ist nicht zufällig – sie beschreibt ihren Weg dahin spannend und ausführlich in ihrem Blog.
Nicoles Rezept ist echt interessant, da sie Kokos-Sahne statt Kuhsahne verwendet. Ich kann es mir (bis jetzt) nur vorstellen, wie das schmeckt, es klingt auf jeden Fall sehr lecker.
Nicoles Rezept
Victoria Arthofer ist Österreichische Coffee in Good Spirits Meisterin und betreibt in Steyr die Café-Bar „Das kleine Schwarze“. Auch sie hat uns ihr Lieblingsrezept verraten und ihre persönlichen Gedanken zum Irish Coffee verfasst.
Warum Irish Coffee?
„Irish Coffee erinnert mich einfach an meine Alchemie-Zeit in Salzburg („wo alles begann“) – und es macht mir einfach wahnsinnig Spaß, ihn zuzubereiten – weil ein Irish Coffee auch einfach super ausschaut, wenn er fertig ist. Das Beste sind die ersten Schlucke durch die kalte Creme, zum warmen, süßen Kaffee-Alkohol-Gemisch.“
Victorias Rezept
Gläser und Whiskey vorwärmen (Wasser und Wasserbad)
Schlagobers (kommt immer auf das Angebot vor Ort an, Fett ist gut, gute Qualität!! – schön sämig shaken, optional durch ein kleines Sieb, mach ich aber eigentlich „im Coffee-Shop-Alltag“ nicht wirklich)
Der Irish Coffee darf schon „stark sein“, ich mag aber die „zu scharfen Whiskeys“ nicht so gerne, ich bin da eher auf der „runden-süßen“ Seite unterwegs
Nina Rimpl ist National Coordinator der SCA Schweiz und seit mehreren Jahren Sensorikjurorin an internationalen Kaffeemeisterschaften. Der Coffee in Good Spirits Wettbewerb, bei dem der Irish Coffee eines der zu servierenden Getränke ist, gefällt ihr besonders gut.
Zum Irish Coffee sagt Nina klar:
ein unterschätztes Getränk, wird leider fast überall schrecklich zubereitet.
Nina Rimpl, Sensorik-Jurorin
Nina sagt weiter: „Irish coffee ist zu den richtigen Momenten fantastisch. Herbst/ Winter, Später Nachmittag, nach einem langen Spaziergang, etwas zwischen Drink/ coffee/ warm up/ Dessert. Der Irish Coffee besteht aus wenigen Zutaten, das Wichtigste dabei: die Balance, beziehungsweise das Verhältnis der Zutaten. Es geht nicht um die Kreativität der Zutaten.“
Und weiter:
Ein klassischer Coffee Cocktail, welcher gut mit Specialty Coffee in Verbindung gebracht werden kann, da man die Charakteristika der Single Origins wunderbar in Synergie mit den restlichen Zutaten bringen kann.
Nina Rimpl, SCA Coordinator Schweiz
Aber wie juriert Nina eigentlich einen Irish Coffee?
„Erstens, ganz wichtig, der Temperaturunterschied zwischen kaltem Rahm und sehr warmen Rest Getränk. Wenn du das Glas ansetzt, er die Lippe den Rahm berührt, der Rahm sich langsam den Weg in den Mund bahnt und plötzlich bei einem gewissen Neigewinkel des Glases die recht warme Flüssigkeit mit völlig anderer Viskosität durchdringt und der Alkohol minim im Mund brennt. Nicht zu süss, Alkohol muss erkennbar sein, ebenso für mich der Charakter des Kaffees. Eine „normale“ Filterrezeptur eignet sich nur selten, das Getränk erhält einen wässrigen Charakter, der Kaffee muss recht intensiv/ dicht sein, um seinen Charakter zu entfalten.“
Zweitens ist für Nina die Kombination der Zutaten entscheidend:
„Ich durfte 2x das Coffee in good Spirits WM Finale jurieren und hab dort unglaublich tolle Irish Coffees getrunken. Komplex, rund, vielschichtig, schmeichelnd. Schade, dass man als Juror nur 2 Schlücke auf der Bühne trinkt. In Erinnerung bleibt mir Dan Fellows IC, der als sticky toffee pudding angekündigt war und mich exakt an dieses Gefühl von Weihnachten und den Gewürzen erinnert hat.“
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
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