Channeling - Kanalbildung durch den Espresso-Puck Vermeiden

Channeling - Kanalbildung durch den Espresso-Puck Vermeiden

Wer sich intensiver mit der Espressozubereitung beschäftigt, kommt nicht umhin, sich auch mit dem Begriff des Channeling zu befassen. Gemeint ist damit eine Kanalbildung im Siebträger, die eine gleichmäßige Extraktion verhindert und den Kaffeegenuss negativ beeinflusst.

In Kaffeeforen und Videotutorials könnte man fast meinen, Channeling sei das bösartige Monster aus dem Schrank, das nur darauf wartet, um die Ecke zu schleichen und unseren geliebten Kaffee in einen bitteren oder sauren Albtraum zu verwandeln. Es scheint, als wäre Channeling der Grund allen Übels in der Welt des Kaffees – ein heimlicher Saboteur, der darauf aus ist, unsere perfekten Espressos zu ruinieren!

Wir plädieren beim Thema Channeling zu Gelassenheit! In den letzten 50 Jahren, in denen noch keine bodenlosen Siebträger verwendet wurden, hat sich niemand um das Thema Channeling Gedanken gemacht. Und dennoch haben die allermeisten Espressobrühungen sehr lecker geschmeckt und niemandem die Schuhe ausgezogen.

Seit der Third Wave of Coffee und dem intensiveren Interesse an Herkunft und Herstellung des Kaffees wird auch jeder Aspekt der Zubereitung genauer analysiert und unter die Lupe genommen. Die Kanalbildung im Kaffeekuchen beeinflusst den Geschmack des Kaffees negativ, doch sie lässt sich durch einfache Schritte extrem minimieren! In unserem Blog zeigen wir euch, warum Channeling eigentlich den Geschmack beeinflusst, wie ihr Channeling bei eurem Espresso erkennt und welche Fehler ihr bei der Zubereitung des Espressos vermeiden solltet.

Was passiert beim Channeling aus physikalischer Sicht?

Beim Espressobrühen wird das Brühwasser mit etwa 9 Bar Druck durch den Kaffeekuchen und Siebträger gedrückt. Wie ihr bereits wisst, bestimmt die Extraktionszeit des Espressos den Geschmack des Espressos entscheident. Je länger das Wasser in Kontakt mit dem gemahlenen Kaffeepulver ist, desto mehr Teilchen werden aus dem Kaffee extrahiert. Wird der Kaffee zu lange extrahiert ist er überextrahiert, schmeckt bitter und hat ein unangenehmes Mundgefühl. Läuft das Wasser zu schnell durch den Kaffeekuchen, ist der Espresso unterextrahiert. Er schmeckt dann sauer und hat eine wässrige Textur.

Durch das Einstellen des Mahlgrades der Mühle verändern wir den physikalischen Widerstand für das Wasser. Die 9 Bar drücken auf den Kaffeekuchen und der Kaffeekuchen hindert das Wasser hindurch zu kommen. Das Wasser gewinnt diesen Kampf und der Espresso kommt langsam und cremig aus dem Siebträger.

Wasser sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes. Besonders, wenn Wasser unter Druck steht, zischt es dort heraus, wo sich ein kleines Loch auftut oder eine Begrenzung zu dünn ist.

Genau dieser Effekt passiert beim Channeling. Wenn beim Mahlen, Verteilen und Tampen der Kaffeekuchen einen kleinen Riss in seiner Oberfläche hat, wenn sich im Kuchen ein verstecktes Loch verbirgt, wird das Wasser beim Bezug unter Druck genau diesen Weg nehmen. Anstatt gleichmäßig den ganzen Kaffeekuchen in 30 Sekunden zu extrahieren, schießen ein Teil der Brühwassers genau durch diese Bruchstelle in die Tasse.

Obwohl euer Mahlgrad vielleicht perfekt eingestellt ist, wird der Kaffee an dieser Stelle des Kaffeekuchens falsch extrahiert. Die Bereiche um den Bruch im Kaffeekuchen werden sehr stark extrahiert, da dort das gesamte Wasser hindurchfließt. Die anderen Bereiche des Kaffeekuchens werden zu wenig extrahiert. Das Ergebnis in der Tasse ist nicht balanciert und teilweise kaum trinkbar.

Wie erkenne ich Channeling bei meinem Espresso?

Wenn eurer Kaffee sauer, bitter oder einfach nicht ausgewogen schmeckt, dann könnte das ein Anzeichen für Channeling sein. Natürlich kann es auch andere Gründe haben. Zunächst empfehlen wir euch unser Video mit 20 typischen Fehlern bei der Espressozubereitung zu schauen. Habt ihr alle Fehlerquellen vermieden und euer Espresso schmeckt in unregelmäßigen Abständen auf einmal ungenießbar, dann ist das ein deutliches Zeichen, dass ihr gelegentlich Channeling habt.

Noch besser erkennt man Channeling, wenn ihr euch den Auslauf eures Siebträgers genauer anschaut. Kommt der Espresso direkt in dunkler Farbe und cremiger Konsistenz heraus und verteilt sich gleichmäßig auf zwei Espressotassen, dann habt ihr sicher kein Problem mit Channeling.

Seht ihr jedoch, dass zu Beginn der Extraktion sehr helles, fast durchsichtiges Wasser herausläuft, könnt ihr euch sicher sein, dass ungewollte Kanäle im Kaffeekuchen entstanden sind. Das Wasser hat dann den Kaffee nicht richtig extrahiert, sondern ist einfach an ihm vorbeigelaufen. Es kann auch passieren, dass eine Bruchstelle im Kaffeekuchen erst während der Extraktion aufbricht. In einem solchen Fall blubbert mitten in der Extraktion Wasser aus den Ausläufen, und der gleichmäßige Fluss wird unterbrochen. Bei Espressomaschinen wie der Decent oder Maro ist dann ein schnellerer Fluss des Wassers im Graph sichtbar.

Bodenloser Siebträger?

Am besten kann man Channeling jedoch mit einem bodenlosen Siebträger erkennen. Durch den Blick auf die Unterseite des Siebes könnt ihr sehen, ob der gesamte Kaffee gleichmäßig extrahiert wird und cremig herunterläuft oder ob es einzelne Stellen gibt, an denen das Wasser geradezu herausspritzt.

Aus dem bodenlosen Siebträger läuft im Idealfall der Espresso zunächst gleichmäßig aus allen Sieblöchern. Dann findet der Espresso sich zu einem mittleren Stream in allen Brauntönen zusammen. Das sieht so gut aus, dass der Espresso auch gut schmecken muss.

Channeling erkennen wir, wenn aus dem Stream dünner Wasserspritzer ausbrechen, und wie mit einer Wasserpistole gespritzt, verteilt rund um die Tasse und sogar der Rückwand der Espressomaschine landen. Dieses Spritzer sind oft viel wässriger, als der Hauptfluss des Espressos.

Aber Vorsicht: ein kleiner Spritzer zur Seite während des Bezugs muss noch kein starkes Channeling bedeuten. Micro-Rissen während der Extraktion kommen immer vor. Das wichtigste ist immer das Ergebnis in der Tasse. 

Lohnt sich das Lesen von Kaffeesatz?

Es soll ja Menschen geben, die aus dem Kaffeesatz sogar die Zukunft vorhersagen können. Wir haben jedoch festgestellt, dass ihr bei der Spurensuche nach Channeling sehr vorsichtig sein solltet. Nicht jedes kleine Loch im Kaffeekuchen ist ein Anzeichen für Channeling. Auch das Entweichen von CO2 kann beispielsweise oberflächliche Löcher erzeugen. Solche kleinen, oberflächlichen Löcher beeinflussen den Geschmack nicht negativ und sind völlig normal.

Seht ihr in eurem Kaffeekuchen jedoch große Löcher, die sich von der Oberseite bis zum Siebboden ziehen, dann könnt ihr euch sicher sein, dass dieser Kanal den Geschmack bei der Extraktion negativ beeinflusst hat.

Wie kann ich Channeling vermeiden?

Ob ihr nun Espresso in einem gastronomischen Betrieb oder zu Hause zubereitet, wir zeigen euch im Folgenden klassische Fehler, die Channeling begünstigen. Wenn ihr diese Fehler vermeidet, verringert ihr die Gefahr von Channeling erheblich!

Fehler 1: Tampen ohne zu verteilen

Das Kaffeepulver landet nicht gleichmäßig aus der Mühle im Siebträger. Es gibt immer eine Stelle im Siebträger, an der sich beim Mahlen ein kleiner Kaffeeberg bildet. Wenn ihr nun den Siebträger aus der Mühle herausnehmt und das Kaffeepulver mit dem Tamper verdichtet, gibt es Stellen im Kaffeekuchen, an denen sich viel mehr Kaffeepulver befindet als an anderen. Der Kaffeekuchen mag auf den ersten Blick glatt und gleichmäßig aussehen, doch das Wasser wird unter Druck durch die Stellen schießen, an denen sich weniger Kaffeepulver befindet, da dort der Widerstand geringer ist.

Deshalb ist es unbedingt notwendig das Kaffeepulver nach dem Mahlen zu verteilen. Ihr könnt den Siebträger z.B. vorsichtig auf die Arbeitsplatte klopfen, damit sich das Kaffeepulver setzt. Auch könnt ihr mit sanften, seitlichen Karate-Moves den Siebträger anstoßen. Ein gutes WDT-Tool mit einer guten Verteilungstechnik ist ein gutes Werkzeug, um untergrundige Löcher zu verschließen.

Fehler 2: Die Eigenheit der Mühle ignorieren

Je nach dem was für eine Espressomühle ihr verwendet, ist eine andere Praxis in der Puckvorbereitung und Verteilung notwendig. Vor allem einige günstigere Mühlen klumpen den Kaffee bei feineren Mahlgraden stark zusammen. Andere haben die Tendenz den gemahlenen Kaffee stärker auf einer Seite zu einem Turm zu häufen. Bei der Verteilung sollte ihr bewusst gegen diese Phänomene arbeiten. 

Klümpchen sind ein hartnäckiges Phänomen, welches sich fast nur mit einem WDT-Tool aufbrechen lässt. Dort wo Klümpchen nicht aufgelockert und stattdessen angepresst werden, entsteht fast immer eine Sollbruchstelle für das Brühwasser.

Fehler 3: Mit dem Tamper gegen den Siebträger klopfen

In einigen Kursen oder Internettutorials wird euch empfohlen, nach dem Tampen mit dem Tamper noch einmal gegen den Siebträger zu klopfen. Die Idee dahinter ist, dass Partikel, die sich durch statische Aufladung am Rand des Siebträgers festgesetzt haben, auf den Kaffeepuck geschubst werden. Macht das auf gar keinen Fall! Durch die Erschütterungen brecht ihr den bereits präparierten Kaffeekuchen auf und schafft Kanäle, vor allem am Rand des Siebträgers, durch die das Wasser hindurchschießt.

Fehler 4: Zu viel Geschwindigkeit beim Einspannen

Auch wenn es cool aussieht: Wenn ihr den Siebträger einspannt, behandelt ihn bitte mit Bedacht. Hämmert ihn nicht ruckartig in die Brühgruppe – schließlich ladet ihr keinen Revolver nach! Wenn ihr mit dem Siebträger gegen die Brühgruppe knallt, hat das denselben Effekt wie das Klopfen mit dem Tamper. Der Kaffeekuchen bricht auf, und es entstehen Kanäle, die euren Espressogenuss verderben können. Nehmt euch lieber zwei Sekunden mehr Zeit für das behutsame Einspannen und genießt eine perfekte Extraktion!

Fehler 5: Unsauberes Arbeiten

Sauberes Arbeiten ist eine der wichtigsten Disziplinen beim Espressomachen. Ihr solltet stets den Siebträger gut durchspülen, einerseits, um ihn vorzuwärmen, und andererseits, um altes Kaffeemehl zu entfernen. Danach müsst ihr den Siebträger ausputzen. Nutzt hierfür zum Beispiel unsere Barista Tücher . Aufgrund der hydrophoben Eigenschaften von Kaffeepulver kann ein feuchter Siebträger Channeling begünstigen.

Fehler 6: Ungeeignete Dosierbecher verwenden

Wer gerne mit Single Dosing Mühlen arbeitet, mahlt zunächst in einen Dosierbecher und füllt den Kaffee von dort in den Siebträger ein. Klingt trivial, ist aber ein Schritt, der vor allem mit schlechten Dosierbechern deutlich mehr Channeling provoziert, als das direkte Mahlen in den Siebträger.

Schlechte Dosierbecher sinken vollständig in den Siebträger ein und hinterlassen am Rand einen Krater, der sich selbst mit der besten WDT-Technik nicht wieder bis zum Grund des Siebes verschließen lässt. Es gibt auch Dosierbecher, die besonders stark statische Ladung fördern. Andere haben am Boden harte Kanten, wo die Seitenwände des Bechers auf den Grund treffen. Diese Form bildet dann wie ein Sandkuchen-Förmchen einen Abdruck im Mahlgut, wenn es in den Siebträger eingegeben wird.

Das ist ein Grund, warum unser KM-Dosierbecher am Boden rund gewölbt ist und mit seitlichen Flügeln auf dem Siebträger aufsitzt und so nicht in den Kuchen einsinkt.

Messbecher51mm1

Den KM-Dosierbecher gibt es für 51er Siebträger, die z.B. für die Delonghi Dedica passend sind sowie für 58er Siebträger.

Weitere Faktoren die Channeling begünstigen

Beim Kaffeemahlen werden die Kaffeepartikel elektrostatisch aufgeladen. Das Kaffeepulver fällt also nicht homogen in euren Siebträger, sondern bildet oft kleine Klümpchen. Diese sind je nach Mühle mehr oder weniger stark ausgeprägt. Die Klümpchen können im Siebträger ein homogener Tampen erschweren. Falls eure Mühle solche großen Klümpchen erzeugt, könnt ihr versuchen durch Klopfen des Siebträgers auf die Tischplatte oder mit einem so genannten WDT-Tool die Klümpchen zu zerstören, um ein homogenes Kaffeepulver zu erzeugen.

Das Problem bei den vielen Espresso-Gadgets ist jedoch, dass sie richtig verwendet und gut eingestellt werden müssen. Wenn ein Leveler-Tool falsch eingestellt ist oder ihr mit dem WDT-Tool zu stark im Kaffeemehl herumwühlt, kann es sein, dass ihr genau die Kanäle erzeugt, die ihr eigentlich vermeiden wolltet.

So geht WDT

Die Weiss Distribution Technique (WDT) wurde von John Weiss entwickelt, um Kaffeeklümpchen im Siebträger aufzulösen und eine gleichmäßige Verteilung vor dem Tampen zu gewährleisten. Dabei wird das Kaffeemehl mit dünnen Nadeln (0,3–0,5 mm) sanft umgerührt, um Channelling zu vermeiden und eine bessere Extraktion zu erzielen. Idealerweise erfolgt die Bewegung langsam und gleichmäßig, ohne das Kaffeebett zu stark aufzuwirbeln. WDT lässt sich mit der Ross Droplet Technique (RDT) kombinieren, um statische Aufladung bereits beim Mahlen zu reduzieren. Nach der WDT kann ein Leveling-Tool genutzt werden, um die Oberfläche auszugleichen und die Extraktion weiter zu optimieren.

Ein Leveling-Tool ist aus unserer Sicht aber eher ein optisches Tool. Die wichtigsten Schritte zur Verhinderung von Channeling haben wir weiter oben aufgezählt.

Fazit: Das wichtigste am Espresso ist der Barista

Es ist nur sehr schwer möglich Channeling immer zu 100 Prozent zu vermeiden. Und wie wir euch in der Einleitung schon gesagt haben, Espresso kann auch mit kleinem Channeling lecker schmecken.

Darüber hinaus braucht es keine teuren WDT-Tools, Leveler und auch keine minutenlange „Puck-Preparation-Routine“. Viel wichtiger als diese Dinge seid ihr, als selbstsicherer Barista.

Entscheidet euch für eine gute und solide Mühle. Achtet bei der Befüllung des Siebträgers darauf, dass sich das Kaffeemehl gut setzen kann und keine Berge bildet. Tampt gerade und lasst den Siebträger nicht schneller in die Brühgruppe sausen als Lucky Luke seinen Colt ziehen kann.

All diese Tipps lassen sich leicht in euren Workflow integrieren, dauern nur wenige Sekunden und sind völlig kostenlos! Denn das Wichtigste beim Espressobrühen seid ihr als Barista!

Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann ist Gründer der Kaffeemacher GmbH. Er war bis Ende 2016 neun Jahre teilhabender Geschäftsführer und Wirt im Kaffeehaus unternehmen mitte. Mit der Kaffeemacher-Akademie, dem Spezialitäten-Café frühling im Kleinbasel und dem Kaffee-Mobil hat er in Basel Massstäbe in Sachen Kaffee gesetzt. In den letzten Jahren sind zum Kaffeemacher-Universum die Kaffeefarm Santa Rita sowie unsere Rösterei hinzu gekommen. Benjamin ist Co-Geschäftsführer der Kaffeemacher verantwortlich für Finanzen, Strategisches und Öffentlichkeitsarbeit. Als Sensoriker und Berater unterstützt er ausserdem Unternehmen und Projekte. Er ist Dozent an der ZHAW Wädenswill im Bereich Kaffee und als Vortragsredner international im Einsatz.

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