Die Acaia Orbit ist eine sehr gute Single Dosing Mühle. Sie überzeugt uns geschmacklich, sie liefert Wiederholbarkeit in den Bezügen und macht auch sonst vieles richtig. Sie ist auch innovativ und führt neue Features ein, die uns gefallen.
So gut die Mühle aber ist, so schwer tut sie sich damit, das Spezialgebiet von Acaia zu integrieren. Das sind seit eh und je hochpreisige, sensible und schnelle Waagen. Und selbstverständlich darf auch bei einer Acaia Mühle auch die Integration einer Waage nicht fehlen. Und dabei scheitert Acaia komplett. Und nein, es ist dieses Mal nicht die Acaia App, die Verwunderung auslöst. Es ist tatsächlich die Kombination aus Waage und Mühle.
Warum die Acaia dennoch eine Mühle ist, die wir empfehlen können und was leider nicht gelingt, ist Thema in diesem Testvideo und Artikel.
Die Orbit ist eine Single Dosing Mühle. Das bedeutet, dass Kaffee zunächst abgewogen und dann in die Mühle gegeben wird. Die Single Dosing Mühle mahlt anschließend die eingegebene Menge wieder aus. Und auch die Acaia Orbit geht genauso vor. Zusätzlich lässt sich sie mit eine App verbinden, die sich wiederum mit einer Acaia Luna verbinden lässt. Mit Hilfe der App kann die Mühle gestartet werden. Es lassen sich weitere Einstellungen wie zum Beispiel die Rotationen pro Minute der Mühle einstellen.
Die Mühle kann dank der Waage auch von einer Single Dosing Mühle zu einer Grind by weight Mühle umgenutzt werden. “Grind by Weight” bedeutet, dass die Mühle stoppt, wenn das Zielgewicht auf der Waage erreicht wird. Dafür ist die Acaia eigene Luna Waage notwendig. Der Kaffee wird in den Bohnentrichter gegeben und die Mühle mahlt, bis die Waage die Ziel-Kaffeemenge wiegt.
So viel zum Funktionsprinzip. Wie gut das in der Praxis klappt, füllt ein eigenes Kapitel dieses Testberichtes.
Neben der Acaia Lunar Bluetooth Waage für 250 Dollar, die als logisches gegenüber der Mühle auch im Bündel mit der Waage verkauft wird, gibt es weitere Accessoires für die Mühle.
Vier Bohnenbehälter mit Größen von 250 Gramm bis 2 Kilogramm unterstützen die Grind by Weight Tätigkeit (Kostenpunkt: 50 bis 200 Dollar) . Ein externer Ionen Generator namens “Ion Beam” soll das Statik-Problem der Mühle reduzieren. Dieser ist für 165 Dollar verfügbar.
Die
Acaia Orbitselbst kostet je nach Mahlscheiben zwischen 1600 und 1700 Dollar.
Die Acaia Orbit lässt sich auf Umdrehungszahlen von 600 bis 1500 Umdrehungen pro Minute einstellen. Wir haben sie überwiegend mit der voreingestellten Standardgeschwindigkeit von 1000 Umdrehungen verwendet, natürlich aber auch schnellere und langsamere Drehzahlen überprüft. Bei 1000 U/min mahlt die Mühle die hineingegeben 18 Gramm Kaffee in 18,5 Sekunden aus. Damit gehört die Mühle zu den langsamen Mühlen. Das ändert sich auch mit gefülltem Hopper bzw. Bohnentrichter nicht. In zehn Sekunden werden 14 Gramm Kaffee durch gemahlen.
Beim Mahlen kommt es zu keinem wesentlichen Temperaturanstieg in der Mahlkammer und somit am Mahlgut. Wir messen 32,6 °C. Das leistet die Mühle bei einer relativ leisen Geräuschkulisse. 76 Dezibel messen wir beim Mahlen von Kaffee.
Die Bedienung der Single-Dosing-Mühle fühlt sich sehr stimmig und smart an. Sie ist auf den ersten Blick eingängig. Wer bereit ist, sich etwas mehr mit der Steuerung zu beschäftigen, findet schnell heraus, dass es auch weitere sinnvolle Shortcuts gibt sowie Funktionen, die auf dem Markt der Single-Dosing-Mühlen die Acaia herausstechen lassen.
Die Mühle wird über einen Knopf gesteuert. Dieser kann über die App auch in der Steuerung angepasst werden. Per einfachem Druck wird das zuletzt angelegte Profil gemahlen. Per doppeltem Druck mahlt die Mühle einen Sekundenbruchteil weiter und löst so noch restliches Kaffeegut oder erhöht die Kaffeemenge im Dosierbecher. Bei dreifachem Druck mahlt die Mühle erst in die eine und dann in die andere Richtung. Das löst aus der Mahlkammer den temporären Totraum ausgezeichnet heraus. Eine wirklich herausragende Funktion!
Mit einem längeren Drücken der Taste wird das Mahlprofil verändert. Ein Farbcode zeigt an, in welchem Profil wir uns gerade befinden. Drücken wir 10 Sekunden, so geht die Mühle in den Standby-Modus, was die Mühle aber auch von selbst nach einiger Zeit macht.
Was die Mühle auch auszeichnet, ist eine automatische Erkennung des Mahlendes.
Wenn 3 Sekunden kein Kaffee mehr gemahlen wird, stoppt die Mühle automatisch. Viele Nutzer anderer Mühlen würden sich eine solche Funktion wünschen.
Diese Funktion macht sich die Mühle auch am Ende des Mahlens zunutze. Sobald sie feststellt, dass keine Bohnen mehr gemahlen werden, „purged“ die Mühle. Im Falle einer Mühle bedeutet das, dass sie einmal zurück- und wieder vormahlt. So löst sich ein Großteil des temporären Totraums in der Mahlkammer.
Die Lunar ist nicht nur hochwertig gebaut, sondern auch stylisch. Und wer auf „Flutlichtmahlen“ steht, kann sich beim Mahlen sogar das Mahlgut beleuchten lassen.
Positiv ist auch, dass sich die Mühle konsequent von vorne bedienen lässt und damit für Menschen im Rollstuhl nutzbar ist.
Dieser Ausschnitt zeigt die aktuelle Messung der RPM, die Mahlzeit sowie die effektive gemessene Menge im Dosierbecher. Klein sieht man jeweils die Zielgrößen von Umdrehung (RPM) und Gewicht.In der App können zahlreiche Funktionen vorgenommen werden. Neben einer Fernsteuerung kann auch hier der Mahl-Puls oder das Purging ausgelöst werden. Zusätzlich lassen sich die Mahlprofile definieren, die als Preset A, B, C abgespeichert werden können.
Die App ist im App-Store verfügbar und erfordert keine Anmeldeinformationen. Sie verbindet sich via Bluetooth mit der Waage. Auf der App können die Mahlzeit, die tatsächliche RPM (Umdrehungsgeschwindigkeit pro Minute) und, wenn mit der Lunar verbunden, das Realgewicht angezeigt werden.
Ein ganz neues, zu erkundendes Feature ist die RPM-Steuerung. Diese Funktion erinnert an Druckprofile bei der Espresso-Brühung. Im Mahlprozess selbst kann die RPM verstellt werden. So kann beispielsweise zunächst mit 600 RPM gemahlen werden und nach 10 Sekunden auf 1200 RPM erhöht werden.
Was die Acaia Orbit bis hierhin liefert und ermöglicht, ist einzigartig. Vor allem die automatische Nachmahlung zur Entleerung der Mahlkammer ist hervorragend. Aber auch darüber hinaus ist die Bedienung der Mühle eine Freude, und es ist einfach, mit ihr zu arbeiten. Das RPM-Profiling eröffnet für Kaffee-Aficionados ganz neue Möglichkeiten. Und doch fällt eines auf: Bislang sind wir ohne Waage ausgekommen. Dieses Thema haben wir uns aufgespart, denn wir müssen zunächst über den Totraum sprechen.
Totraum, also der Rückstand von Kaffee in der Mühle nach dem Mahlen, ist zunächst nicht ausgeprägt. Mit einem temporären Totraum von 0,2–0,3 Gramm und einem permanenten Totraum von 0,4 Gramm performt die Acaia Orbit gut, aber nicht sehr gut. Der absolute Totraum von 0,7 Gramm ist im Verhältnis zu den meisten Bohnenbehälter-Mühlen ausgezeichnet. Dieser Totraum bezieht sich nur auf die Mahlkammer! Bei Single-Dosing-Mühlen gibt es allerdings einige, die weniger Totraum haben.
Die Acaia Orbit hat eine ausgeprägte statische Ladung, weshalb der Hersteller optional ein Tool namens „Ion Beam“ verkauft, um die Statik zu reduzieren. Wir haben die Mühle in der Basisvariante ohne Ion Beam getestet. Ohne das Tool ist definitiv das Arbeiten mit Wasserspray zu empfehlen – wie bei vielen Mühlen.
Kommen wir noch einmal zurück zum Totraum. Nutzen wir die Mühle mit Waage als Grind-by-Weight-Mühle, so haben wir ein anderes Totraumproblem. In der Mahlgutausgabe bleiben zusätzliche 0,7–1 Gramm Kaffee zurück, je nachdem, ob wir mit Wasserspray arbeiten oder nicht.
Das untergräbt komplett die Performance der Waagen-Steuerung der Mühle. Die Mühle stoppt, wenn eine definierte Menge in dem Dosierbecher auf der Waage angekommen ist. Da jedoch die oben genannte Kaffeemenge von 0,7 Gramm noch im Auswurf hängt, entspricht die Menge des gemahlenen Kaffees nicht der Zielmenge. Wenn ich nun – was ich im Single-Dosing-Vorgang natürlicherweise mache – das restliche Pulver mit dem dafür gedachten Klack-Löser entferne, fallen die restlichen 0,7 Gramm in den Dosierbehälter.
Und während der Kaffee fällt, fällt damit auch das gesamte Konzept einer Grind-by-Weight-Mühle in sich zusammen. Grind by Weight funktioniert nur, wenn eine Mühle selbstständig ihr gesamtes Mahlgut ausgibt.
Wir haben Grind by Weight als Prinzip verstanden, um genauere Kaffeemengen zu wiegen. Bei der Acaia Orbit müssen wir 17,3 Gramm als Zielmenge programmieren, um die übrigen 0,7 Gramm Kaffee aus dem Shoot nach unten zu klacken und auf 18 Gramm Kaffee zu kommen. Das ergibt für uns keinen Sinn! Viele Mühlen mit Zeitsteuerung sind da deutlich präziser.
Was uns übrigens gefällt, ist der Dosierbecher. Er sitzt auf dem Siebträger, gleitet an den Seiten nicht zu tief hinein und ist weniger geeignet, Kanalbildung zu verursachen.
Noch ein Tipp: An den relativ großen Mitnehmern der Mühle sammelt sich mit der Zeit einiges an permanentem Totraum. Eine regelmäßige Reinigung ist sinnvoll. Dafür müssen leider einige Schrauben gelöst werden. Die Zugänglichkeit der Mahlscheiben ist nicht ideal gelöst.
Ein wenig zeigt der bisherige Artikel Symptome dessen, was eine Mühle mit App und umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten bietet. Wir haben über die Vielzahl der Möglichkeiten geschrieben und uns in der App verloren. Dabei soll es hier doch eigentlich um Espresso- und Kaffeequalität gehen.
Und da überzeugt uns die Acaia Orbit auf ganzer Strecke. Wir haben die 33M-Mahlscheiben verwendet und sehr gute Ergebnisse in der Tasse sowie in der Partikelverteilung festgestellt.
Wir messen ein schmales Hauptpeak von nur 209 Mikron und sind beim Wiederholungsbezug nach zwischenzeitlichem Verstellen der Mühle auch in der Lage, ohne Weiteres zum Ausgangsmahlgrad zurückzukehren. Die stufenlose Verstellung ist präzise, und das Replizieren von verschiedenen Rezepten funktioniert sehr gut.
Die Acaia Orbit ist ohne Zweifel eine sehr gute Mühle. Sie kommt auch mit den günstigeren Standard-Mahlscheiben auf eine Partikelverteilung mit engem Hauptpeak und ist mit diesem Mahlergebnis in der Lage, sehr gute Espresso-Ergebnisse und auch erstaunlich gute Filterkaffees zu ermöglichen.
Die Mühle ist wertig, edel und relativ leise. Die Bedienbarkeit sucht ihresgleichen. Die wichtigsten Funktionen sind intuitiv mit Knopfdruck nutzbar. Wer sich auf die Mühle einlässt und in die App einsteigt, erschließt sich viele weitere Einstellungsmöglichkeiten. Ein Spielfeld bei einer Espressomühle, wie es so bei keiner anderen Mühle vorhanden ist.
Besonders gut gefallen uns die Pulse- und Purge-Funktionen: Das ist wirklich clever gelöst, und das automatische Vor- und Zurückdrehen nach jeder Mahlung würde jeder Mühle gut stehen.
Dass ein Tool zur Reduzierung der Statik gesondert dazu gekauft werden muss, ist frustrierend. Ohne ist die Mühle deutlich besser, wenn sie mit Wasserspray verwendet wird.
Problematisch wird der Funktionsumfang da, wo Acaia versucht, seinem eigenen Namen und seiner Marktführerschaft gerecht zu werden und die eigene Waage in einen sinnvollen Grind-by-Weight-Ablauf einzubauen. Das funktioniert für uns überhaupt nicht, weil die Mühle nicht komplett ausmahlt, sondern 0,7 Gramm Kaffee im Auswurf zurückhält. Damit stimmt auch die Menge auf der Waage nicht, und eine Waage zwecks besserer Präzision wird zur Illusion. Acaia stolpert hier über seine eigene Legacy, so erscheint es uns beim Test. Da wäre es smarter gewesen, die Waage nur als Anzeige für die Umdrehungszahl und zur Profilsteuerung zu nutzen. Das wäre zwar nicht ganz so fancy wie zusätzlich auch noch eine Grind-by-Weight-Mühle zu sein, aber hätte die gute Mühle stimmig abgerundet, ohne zu viel zu wollen.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
2 Kommentare
Vielen Dank für eure wie immer sehr ehrliche Review, die ist wirklich top und bewahrt viele potentielle Käufer allenfalls davor, zur Mühle extra eine Lunar Waage zu kaufen, obwohl sie bereits eine gute Waage habe und sich zu überlegen, ob sie das Gadget wirklich brauchen. Könntet ihr allenfalls einmal auch noch die Zerno Z1 in euer Testprogramm aufnehmen? Scheint eine Single Dose Mühle mit hervorragendem Alignment der 64er Mahlscheiben zu sein und top Ergebnisse zu liefern. Dies ohne unnötige Gimmicks, sieht such schlicht und gut aus. Ich weiss, das ist noch einmal in der sehr hochprieisigen Kategorie und die Lieferzeiten sind lang, aber vielleicht würden sie für eine Review ja etwas rascher versenden…
Herzlichen Dank für eure top Arbeit,
Choolwe
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