Kaffee ist bitter.
Bitterkeit gehört zum Geschmacksbild von Kaffee wie Wasser für die Zubereitung gebraucht wird. Und niemand kennt sich damit so gut aus, wie die Wissenschaftlerin Sara Marquart. Sara forscht an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften im Bereich Kaffee (ZHAW Wädenswil, Coffee Excellence Center) und hat eine Doktorarbeit zum Thema Bitterkeit in Kaffee geschrieben. In diesem Artikel fasst sie die wichtigsten Aspekte rund um das Thema Bitterkeit in Kaffee zusammen.
Viele beginnen ihren Tag mit einer Tasse Kaffee morgens, ob als Handfilter gebrüht oder als Espresso extrahiert. Neben dem Aroma, dem Geruch nach röstigen, schokoladigen oder fruchtig-beerigen Aromen, betört uns Kaffee auch mit seinem Geschmack. Doch was macht denn den Geschmack von Kaffee eigentlich aus?
Neben einer ausgeprägten, manchmal fruchtigen Säure sticht die Bitterkeit vor allem hervor. Doch hat die Bitterkeit im Kaffee nicht immer einen guten Ruf. Das ist nur verständlich, denn die meisten verbinden mit Bitterkeit eine unangenehme Geschmacksempfindung. Das lässt sich darauf zurückführen, dass die Rezeptoren für Bitterkeit für den Menschen einen evolutionären Schutzmechanismus darstellen. In früheren Zeitaltern, als es noch keine Enzyklopädien oder Wikipedia gab, wussten die Menschen nicht ob eine Frucht essbar oder giftig ist. Dort half unseren Vorfahren die empfindlichen Bitterrezeptoren, um die potenziell giftige Frucht sofort wieder auszuspucken (Fischer, et al. 2005). Jedoch gibt es auch viele Verbindungen in Lebensmitteln, die bitter schmecken aber vor allem gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen. Und hier sind wir wieder beim Kaffee angelangt: Kaffee besitzt eine komplexe Vielzahl verschiedener, bitter schmeckender Verbindungen, die eine Reihe verschiedener gesundheitlicher Auswirkungen haben.
Bitterkeit ist nicht immer gleich Bitterkeit. So gibt es für Menschen eine als angenehm empfundene Bitterkeit, wie man sie beispielsweise vom Bier, der Schokolade, Tee und auch manchen Kaffees kennt. Daneben gibt es aber auch eine als sehr unangenehm empfundene Bitterkeit in manchen Medikamenten, oder Pflanzen, wie der Bittergurke/-melone. Je nach enthaltenen Bittergeschmackstoffen lösen diese auf unserer Zunge und in unserem Mundraum an den Bittergeschmacksrezeptoren einen Reiz aus. Dieser Reiz gelangt über Nervenbahnen zu unserem Gehirn und wird dort von uns interpretiert. Neben der Art des Bittergeschmackstoffs ist die Interpretation unseres Gehirns der ausschlaggebende Faktor, ob wir das eben gekostete Essen als angenehm oder unangenehm empfinden.
Der Bittergeschmack ist ein sehr stark kulturell abhängiger Geschmackssinn, der vor allem von unserer Genetik und Prägung abhängt. Menschen in Mitteleuropa, die beispielsweise mit vielen bitteren Lebensmitteln wie das vorhin genannte Bier und Kaffee, im Laufe ihres Lebens in Kontakt kommen, sind nicht nur genetisch, sondern auch sozio-kulturell eher bitter unsensibel, im Vergleich zu Menschen in anderen Erdteilen (Ong, et al. 2018). Man könnte also sagen, dass Menschen in Mitteleuropa und auch Nordamerika aufgrund ihrer Genetik und der kulturellen Prägung, wesentlich häufiger zu bitteren Kaffees greifen würden, als Menschen in Südostasien, die möglicherweise eine gesüsste und weniger bittere Kaffeevariante bevorzugen. Dies ist vor allem im Hinblick auf die Ausrichtung des Produktportfolios und die kundenorientierte Röstung und Zubereitung der Kaffeeprodukte von Belang. Denn eine Frage sollten sich RösterInnen und Kaffeeshop-BetreiberInnen stets stellen – welcher Kaffee schmeckt meinen KundInnen und nicht, welcher Kaffee schmeckt mir selbst (Marquart 2018).
Die eigentliche Frage ist jedoch, was macht den Kaffee bitter und gibt es einen Kaffee, der nicht bitter schmeckt? Grundsätzlich schmeckt Kaffee immer bitter. Dies liegt zum einen daran, dass Kaffee Koffein enthält, und dieses bitterschmeckt, zum anderen aber vor allem an der Zusammensetzung von Kaffee und den bei der Röstung ablaufenden Reaktionen.
Die wichtigste dieser Reaktionskaskaden geht aus von einer Stoffgruppe, die sich Chlorogensäuren nennt. Von diesen sauer schmeckenden Chlorogensäuren gibt es im Kaffee, je nach Art, Varietät und Anbauland, etwa 25–40 verschiedene (Clifford, et al. 2003). Diese Chlorogensäuren zerfallen bei der Röstung in die bitter schmeckenden Chlorogensäurelactone (Abbildung 1).
Da es eine Vielzahl verschiedener Chlorogensäuren gibt, gibt es von den korrespondierenden Lactonen, die allesamt bitterschmecken, wiederum auch eine unzählige Vielfalt verschiedener Moleküle. Das wichtigste dieser Lactone ist das 3-O-Chlorogensäurelacton (3-CGL), dessen Bildung und Zerfall während der Röstung gut dokumentiert ist. So zerfällt bereits nach fünf Minuten der Röstung die Chlorogensäure und es bildet sich 3-CGL. Nach etwa 7,5–10 Minuten, abhängig von der Rösttemperatur und dem gewählten Kaffee, erreicht die Bildung der bitteren Lactone ihr Maximum (Abbildung 2, Farah, et al. 2005). Diese Lactone sind bekannt für ihre sehr ausgeprägt milde, wohlige und fast schon samtige Bittermodalität (Modalität beschreibt die Art der Bitterkeit). Sie sind es, die dem Kaffee seine unvergleichliche Bitterkeit verleihen.
Wie man aus der Verlaufskurve gut erkennen kann, reagieren die bitterschmeckenden Lactone weiter. Denn bei längerer Röstdauer, und höheren Temperaturen können sich sowohl aus den Chlorogensäuren als auch aus den Chlorogensäurelactonen, die Phenylindane bilden. Diese Phenylindane stellen eine weitere Verbindungsklasse von sehr harsch, bitterschmeckenden Verbindungen dar.
Da die Phenylindane sowohl aus den Säuren als auch den Lactonen entstehen könnten gibt es auch bei den Phenylindanen eine Reihe verschiedener, strukturell ähnlicher Verbindungen (sogenannte Isomere), die allesamt sehr langanhaltend und unangenehm bitterschmecken. Viele kennen vielleicht genau diese Art von bitterem Geschmack von sehr dunklen Röstungen, die anschliessend mit heissem Wasser als Espresso zubereitet wurden. Die Phenylindane sind auch so gesehen die Endstation bei der Entstehung des Bittergeschmacks während der Röstung. Denn die Phenylindane können unter Polymerisierung (also einer Verkettung vieler einzelner Phenylindane zu einem grossen Molekül) immer noch komplexere Strukturen bilden (Frank, et al. 2007). Diese, chemisch betrachtet, grossen Phenylindane sind aber dann irgendwann so gross, dass sie von unseren Bittergeschmacksrezeptoren nicht mehr aufgenommen werden können und entsprechend auch keinen Geschmack mehr für uns Menschen haben.
Ein letzter verdächtiger im Reigen der Bittergeschmackstoffe bleibt dennoch noch und das ist das Koffein. Koffein selbst schmeckt zwar bitter, doch wird es beim Rösten kaum abgebaut und macht auch nur etwa 10 % der Bitterkeit des Kaffees aus. Dies liegt zum einen daran, dass sowohl Chlorogensäurelactone als auch Phenylindane wesentlich stärker bitter schmecken, zum anderen aber auch daran, dass die Chlorogensäuren das im Kaffeegetränk enthaltene Koffein «komplexieren», also an sich binden und somit es für die menschlichen Rezeptoren weniger gut wahrnehmbar ist.
Allgemein kann man die Erkenntnisse der Forschung in der Abbildung 3 zusammenfassen. Zuerst werden die Chlorogensäuren in die wohlig, kaffeeartig bitterschmeckenden Chlorogensäurelactone abgebaut. Beide, Chlorogensäuren als auch die Lactone, zerfallen bei weiterer Röstung in die harsch, metallisch und langanhaltend bitterschmeckenden Phenylindane. Und das Koffein? Das zerfällt nur in sehr geringem Umfang während der Röstung.
Die Kunst beim Rösten besteht darin, die Röstung dem Rohkaffee anzupassen. Hierbei kann die Wissenschaft nur einen Ausgangspunkt liefern, die richtige Ausgestaltung der Bitterkeit durch das richtige Rösten haben die Röstenden in der Hand. Durch ihre Erfahrung verstehen sie es, die unsichtbaren Reaktionen im Kaffee zu steuern und dem gewünschten Endergebnis – dunkle Espressoröstung oder heller Filterkaffee – entsprechend anzupassen (Marquart 2019).
Die Chlorogensäurelactone stellen eine ganz besondere Gruppe von bitterschmeckenden Substanzen dar, da Kaffee vor allem diesen Verbindungen seine kaffeeartige Bitterkeit verdankt, die die meisten Menschen als wohlig empfinden. Je nach Zusammensetzung – man könnte fast sagen – Symphonie der Lactone, entfaltet der geröstete Kaffee eine sehr fein ausbalancierte, milde, samtige Bitterkeit beim Genuss des Getränks. Diese Bitterkeit steht im wohlwollenden Wechselspiel mit der bereits erwähnten fruchtigen Säure des Kaffees, die von Verbindungen wie Äpfel-, Zitronen-, China oder der genannten Chlorogensäuren hervorgerufen wird.
Röstet man den Kaffee nun zu lange, oder zu dunkel, bringt man diese wohlige Bitterkeit und fruchtige Säure aus dem Gleichgewicht. Zum einen zerfallen die sauren Verbindungen, und damit entzieht man dem Kaffee einen wunderbaren Teil seiner geschmacklichen Komplexität, zum anderen bilden sich die harschen, metallisch-bitteren Phenylindane. Das lässt sich fast mit einem versalzenen Gericht vergleichen: eine richtige Dosis Salz gibt dem Essen das gewisse Extra, zu viel des Guten ruiniert das Gericht unwiederbringlich.
Abschliessend lässt sich vielleicht sagen, dass Kaffee durch die enthaltene Chlorogensäuren eine einzigartige Stellung einnimmt. Es gibt kaum Lebensmittel auf der Welt, die diese Verbindungen enthalten. Dies und die Kombination mit geschicktem Rösten verleiht dem Kaffee eben genau seine sehr charakteristische und feine Bitterkeit, die ihn und sein Geschmackserlebnis so besonders machen. Die Balance aus seinen Säuren, der Bitterkeit und vor allem seiner aromatischen Feinheit macht ihn zu etwas unvergleichbar Einzigartigen. Richtig geröstet, gemahlen, gebrüht oder extrahiert, wird der Kaffee zu einem Balanceakt des Genusses.
Clifford, et al. Hierarchical Scheme for LC-MSn Identification of Chlorogenic Acids, J. Agric. Food Chem. 2003, 51, pp. 2900–2911.
Farah, et al. Effect of roasting on the formation of chlorogenic acid lactones in coffee, J. Agric. Food Chem. 2005, 53, pp. 1505–1513.
Fischer, et al. Evolution of bitter taste receptors in humans and apes, Molecular biology and evolution. 2005, 22, pp. 432–436.
Frank, et al. Structure determination and sensory analysis of bitter-tasting 4-vinylcatechol oligomers and their identification in roasted coffee by means of LC-MS/MS, J. Agric. Food Chem. 2007, 55, pp. 1945–1954.
Marquart The Rainbow of Taste. 2018, Kultur & Technik.
Marquart Roasting – a story of technical innovations. In Cosmos Coffee, 1st ed.; Marquart, S.; Jahreis, M.; Möllers, N., Eds.; Deutsches Museum: München, 2019.
Ong, et al. Understanding the role of bitter taste perception in coffee, tea and alcohol consumption through Mendelian randomization, Scientific reports. 2018, 8, p. 16414.
Sara Marquart ist Lebensmittelchemikerin und hat über die Röstung und Bitterkeit von Kaffee in ihrer Doktorarbeit geforscht. Im Moment arbeitet sie am Coffee Excellence Center der Züricher Hochschule an «Atomo Coffee», molekularem Kaffee ohne die Bohne. Davor verwirklichte sie als Kuratorin am Deutschen Museum in München die Sonderausstellung Kosmos Kaffee.
Mehr zur sensorischen Bewertung von Fine Robusta, haben wir in einem Artikel beschrieben. Bei der Bewertung von Fine Robusta wird zumindest die Balance von Bitterkeit zu Süsse sensorisch angeschaut. Der Ansatz könnte aber noch weitergehen, in dem man die unterschiedlichen Qualitäten von Bitterkeit beschreibt, wie wir es auch bei Säure oder Körper tun.
Im Rahmen der Coffee Expo der SCA hat Sara ebenfalls über Bitterkeit gesprochen. Daraus ist ein Podcast in englischer Sprache entstanden, den ihr hier nachhören könnt.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
4 Kommentare
zu dem Thema wurde auch eine Interessante Studie veröffentlicht:
https://www.mdpi.com/2304-8158/9/4/493
Kaffee beeinflusst wie wir Bitterkeit uns Süße wahrnehmen. Die Bitterkeit wird verringert und die Süße verstärkt. Der Wirkmechanismus ist jedoch nicht bekannt.
Habt ihr auch damit auch schon Erfahrungen gesammelt?
via https://www.scinexx.de/news/biowissen/kaffee-veraendert-unseren-geschmack/
Vielen Dank!!!!!!
Was denkst du?