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    Gaggia Classic GT im Test: Der Opel Kadett unter den Dualboilern?

    Gaggia Classic GT im Test: Der Opel Kadett unter den Dualboilern?

    Die Gaggia Classic. Ein Name wie Donnerhall in der Kaffeewelt. Allerdings verblasste das historische Erbe angesichts der Eigentümerwechsel und unreifer Maschinen in den vergangenen Jahren zunehmend – wie eben jener Donnerhall. Mit einer Rückverlagerung der Produktion nach Italien, einer Aufspaltung der Marke Gaggia (Evoca Group: Gastromaschinen und Saeco Professional; Versuni/Philips: Haushaltsmaschinen wie die Gaggia Classic und Vollautomaten), die hier nicht weiter Thema sein soll, und der Rückbesinnung auf alte Werte, soll nun alles besser werden.

    Die Gaggia Classic GT ist Ausdruck dieses Bestrebens und zugleich ein großerer Wurf. Designtechnisch lehnt sie sich an die deutlich günstigere Gaggia Classic an und bewegt sich damit auf den Spuren der Pionierin der heimischen Espressomaschinen, der Gaggia Baby. Vom Anspruch her ist die Classic GT jedoch ein Dualboiler, der mit Vibrationspumpe und einigen vordefinierten Flussprofil-Funktionen durchaus interessante Möglichkeiten eröffnet.

    Die Gaggia Classic GT verspricht viel: Volumetrik, schnelles Aufheizen und Temperaturstabilität. Aber kann sie das auch halten? Unser erster Eindruck ist zwiegespalten. Während die inneren Werte auf dem Papier glänzen, scheiden sich am Äußeren die Geister. Wie immer gilt auch für diesen Test: Wir haben die Gaggia Classic GT selbst gekauft und gewissenhaft getestet.

    Die Espressomaschine kostet im Handel zwischen 1.600 und 1.700 Euro bzw. Franken.

    Design, Masse & Haptik: Charme der 80er Jahre

    Über Design lasst sich streiten, und das haben wir im Team auch getan. Während manche die industrielle Kantigkeit mögen, erinnert mich die Frontpartie mit ihren grossen Tasten und der eigenwilligen Anordnung eher an das Armaturenbrett des Opel Kadett meiner Großmutter. Es ist ein Design, das laut „Retro“ ruft, dabei aber vielleicht eine Abzweigung zu früh genommen hat.

    Mit 23 Zentimetern Breite ist die Maschine extrem schmal, baut dafür mit 42 Zentimetern ordentlich in die Tiefe. Sie passt also auch in kleinere Nischen – sofern nach hinten genügend Platz vorhanden ist. Was uns jedoch stört, ist der Materialmix: Neben solidem Edelstahl finden wir irritierend viel Plastik. Besonders der Siebträgergriff fühlt sich nicht so wertig an, wie wir es in dieser Preisklasse erwarten würden. Tropfschale und Tassenablage neigen zudem zum Klappern, sobald die Pumpe läuft.

    Technik & Aufheizzeit

    Technisch haben wir es hier mit einem waschechten Dualboiler zu tun. Das bedeutet getrennte Kessel für Kaffeebezug und Dampf – anders als bei einem Zweikreiser oder Einkreiser, bei denen immer Kompromisse nötig sind. Gaggia verbaut einen Brühboiler sowie einen Edelstahl-Dampfboiler.

    Der Hersteller verspricht schnelles Aufheizen – und genau das finden wir vor, vor allem im Vergleich zu Dualboilern in ähnlicher Preiskategorie. Viele E61-Boliden benötigen 20 bis 30 Minuten, bis sie wirklich durchgeheizt sind. Unser KM-Temperatur-Protokoll zeigt hier eine erfreuliche Realität: Nach gemessenen 9 Minuten ist die Maschine inklusive Siebträger auf Temperatur. Für einen Dualboiler ist das ein hervorragender Wert und absolut alltagstauglich.

    Aber Achtung: Verlasst euch nicht blind auf die Anzeige der Maschine. Gebt ihr diese knappen 9 Minuten Zeit, damit auch der Siebträger wirklich heiss ist.

    Energieverbrauch überschaubar

    In unserer Leistungsmessung positioniert sich die Gaggia Classic GT als klassische Boiler-Maschine mit soliden Werten. Mit einer gemessenen Aufheizzeit von 8 Minuten und 30 Sekunden benötigt sie initial 0,1457 kWh, um startklar zu sein. Wer morgens einen einzelnen Espresso bezieht, landet inklusive Aufheizen bei 0,1555 kWh. Kommt Milch dazu, steigt der Bedarf für einen Cappuccino auf moderate 0,1759 kWh.

    Gerade im Vergleich zu vielen Dualboilern steht die Gaggia damit erfreulich gut da. Während große Maschinen für das Szenario „ein Espresso inklusive Aufheizen“ häufig deutlich über 0,20 oder sogar 0,30 kWh verbrauchen, agiert die Gaggia vergleichsweise sparsam. Der Warmhalteverbrauch von knapp 0,07 kWh pro Stunde ist für diese Kesselgröße ebenfalls vertretbar.

    Vergleicht man die Gaggia allerdings mit modernen Effizienz-Spitzenreitern wie aktuellen Thermoblock-Maschinen oder isolierten Einkreisern, wird der energetische Unterschied der klassischen Bauweise sichtbar. Wer maximale Energieeffizienz sucht und hauptsächlich einzelne Espressi trinkt, findet dort deutlich sparsamere Alternativen.

    Lautstärke

    Die verbaute Vibrationspumpe arbeitet hörbar. Wir messen etwa 63 dB im Betrieb. Das ist nicht flüsterleise, aber auch kein Presslufthammer. Die Vibrationen übertragen sich jedoch auf das Gehäuse, was das bereits erwähnte Klappern der Tassenablage begünstigt.

    Volumetrik der Gaggia Classic GT

    Um den Espresso einstellen zu können, bietet die Gaggia Classic GT eine Volumetrik, die in unseren Tests erstaunlich präzise arbeitete. Die programmierten Mengen landeten zuverlässig in der Tasse und sorgen für einen angenehmen Workflow.

    Diese Volumetrik ist tatsächlich ein Gamechanger. In dieser Preisklasse – und oft auch deutlich darüber – findet man häufig nur zeitgesteuerte Bezüge. Da der Widerstand des Kaffeepucks schwankt, sind konstante Mengen damit kaum erreichbar.

    Eine verlässliche Volumetrik ist für das Einstellen der Espressomaschine wie auch für den Alltag extrem wertvoll. Ohne sie muss ständig mit Waage gearbeitet werden. Schwankende Wassermengen verändern das Brühverhältnis – und damit den Geschmack in der Tasse deutlich.

    Temperatur-Performance & Geschmack

    Kommen wir zum Wichtigsten: Wie schmeckt der Kaffee? Gibt man der Maschine ausreichend Zeit zum Aufheizen und macht vor dem ersten Bezug einen kurzen Spülshot, liefert die Gaggia Classic GT überzeugend ab. Der erste Shot ohne Spülen ist nämlich deutlich zu heiss. Unsere Messungen zeigen einen Overshoot von über 1 °C gegenüber dem eingeschwungenen Zustand.

    Ein kurzer Leerbezug vor dem ersten Espresso harmonisiert die Temperatur sofort. Wer das berücksichtigt, bekommt volle Punktzahl für die Schnelligkeit.

    Alltagstauglichkeit (KM-Protokoll)

    Im simulierten Heimgebrauch – mehrere Espressi nacheinander mit realistischen Pausen – zeigt sich die Gaggia von ihrer besten Seite. Ist sie einmal eingegroovt, trifft sie die Zieltemperatur von 93 °C sehr präzise. Die Bezüge drei bis fünf waren extrem konstant.

    Typisch für Maschinen mit kleinerem Kesselvolumen zeigt die Temperaturkurve während des Bezugs einen leichten Abfall. Sensorisch ist das kein Nachteil: Viele Espresso-Fans schätzen dieses Profil, da es Bitterstoffe reduziert und den Espresso runder wirken lässt.

    Stress-Test (WBC-Protokoll)

    Im harten WBC-Stresstest mit Dauerbezügen und gleichzeitigem Dampfen stösst die Gaggia Classic GT an ihre Grenzen. Der kleine 0,1-Liter-Brühboiler kann die Energie nicht schnell genug nachliefern. Die Temperatur fällt kontinuierlich ab. Für die Gartenparty mit 20 Cappuccini ist sie also nicht gemacht – für den genussvollen Alltag aber vollkommen ausreichend.

    Der Geschmack: Frucht trifft Körper

    Unsere Tests mit dem „Mano“-Espresso bestätigen die Messwerte. Mit klassischem Druckaufbau (9 Bar) zeigt sich eine gute Balance, Süße und eine klare Fruchtigkeit – ein Zeichen sauberer, kontrollierter Temperaturen.

    Nutzt man hingegen die manuelle Preinfusion, verschiebt sich das Geschmacksbild. Eine lange, sanfte Vorbrühung von rund 15 Sekunden sorgt für mehr Körper, Schokolade und Nuss. Das zeigt: Trotz Einschränkungen unter Last bietet die GT echtes Experimentierpotenzial.

    In unserem Temperatur-Rating erreicht die Gaggia Classic GT 6 von 10 Punkten – solides Mittelfeld. Sie ist kein Gastronomie-Monster, aber ein schneller, thermisch gutmütiger Partner für zuhause.

    Flussprofile

    Gaggia bewirbt die Preinfusion stark, mit Profilen wie „Light“, „Medium“ und „Dark“. Leider sind die voreingestellten Wassermengen so gering, dass der Puck oft nicht vollständig durchfeuchtet wird. Das begünstigt eher Channeling als eine saubere Extraktion.

    Unsere Empfehlung: Nutzt die manuelle Preinfusion. Sie gibt euch Kontrolle und ermöglicht eine gleichmäßige Sättigung des Kaffeepucks – was sich in einem süßeren, komplexeren Espresso auszahlt.

    Wir gehen auf dieses Thema ausführlich im Video ein.

    Schäumen & Dampf: Power mit Hindernissen

    Dank Dualboiler-Prinzip profitieren wir beim Milchschäumen von konstanter Dampfbereitschaft. Warten oder Entlüften wie bei einem Thermoblock oder Einkreiser entfällt. Die Dampfleistung ist für den Heimgebrauch absolut ausreichend.

    Das Gummielement an der Dampflanze ist etwas klobig und stört gelegentlich bei kleinen Kännchen. Das Ergebnis überzeugt dennoch: feinporiger Milchschaum gelingt zuverlässig. Für eine 0,6-Liter-Kanne benötigt die Maschine rund 40 Sekunden – eher langsam für einen Dualboiler, insgesamt aber ein solider Durchschnitt.

    Fazit & Empfehlung

    Für wen ist die Gaggia Classic GT die richtige Wahl? Für alle, denen das Design gefällt, die Wert auf gute Temperaturkonstanz und vor allem auf Volumetrik legen. 8:30 Minuten Aufheizzeit sind konkurrenzfähig, die Dampfleistung ist solide. Abgesehen von den wenig überzeugenden Profilen leistet sich die Maschine keine groben Schnitzer.

    Alles andere ist – wie so oft – Geschmackssache. Und dieser liegt bekanntlich auf der Zunge. Dort lässt die Gaggia Classic GT kaum Wünsche offen.

    Habt ihr Erfahrungen mit der Gaggia Classic GT? Schreibt sie uns gerne in die Kommentare.

    Gaggia Classic GT

    Testbericht Zusammenfassung. Protokoll 2.1 aktualisiert am 7.12.2025
    60,4
    Gesamturteil
    Gut / Standard
    Score
    0 - 100
    Espresso

    6,5
    x3
    Temperatur

    6,0
    x2
    Volumetrik

    8,0
    x2
    Schäumqualität

    7,0
    x2
    Wertigkeit

    5,5
    x2
    Bedienbarkeit

    5,5
    x2
    Aufheizzeit

    6,0
    x2
    Stromverbrauch

    6,0
    x2
    Preis/Leistung

    4,3
    x1
    Lautstärke

    6,0
    x1
    Zubehör

    6,0
    x1
    Catering Pot.

    3,0
    x1
    9,3+ Weltklasse
    8,0+ Exzellent
    6,5+ Sehr Gut
    5,0+ Gut / Standard
    3,0+ Kompromiss
    < 3 Ungenügend

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