Die Crema. Für viele ist sie die Krönung auf dem Espresso. Viele schwören darauf, dass ein gutes Schäumchen auch guten Kaffee verheisst, dass die Tigerstreifen dem Espresso den letzten Kick geben und keine Crema einen schlechten Espresso verheisst. Nun, so einfach ist es eben leider nicht.
Das Schäumchen (ital. crema) auf dem Kaffee ist für viele nicht wegzudenken. Es gibt kaum ein Bild, kaum eine Kaffeeverpackung, kaum eine Kaffeewerbung auf der kein Kaffee drauf ist, der von einem Schaum bedeckt ist. Man bekommt fast das Gefühl, dass ein Schäumchen zum Kaffee dazu gehören muss, da sonst etwas nicht in Ordnung sei. Ja, dass der Schaum genauso wichtig ist wie das Getränk selbst.
Ich gebe zu, das Schäumchen sieht einfach auch so richtig gut aus. Wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir glauben, dass die Crema einfach da sein muss, egal für welches Getränk.
Auf der Basis dieser Beobachtungen bilden sich dann Meinungen und sogar Theorien, die dann so stark werden, dass die Zubereitung des perfekten Espressos, des oft zitierten God Shots, unerreichbar scheint. Und das machte sich eine ganze Branche zu Nutzen – das schönste Schäumchen suggeriert den besten Kaffee.
Eines wird dabei deutlich gezeigt: Espresso ist wohl das Getränk, mit dem meisten Ausdruck, mit dem meisten Mythos, mit der höchsten Attraktivität. Und die Crema ist eben dafür mitverantwortlich.
Die Crema ist ein Schaum, der nur dadurch entsteht, dass wir mit viel Druck und hohen Temperaturen arbeiten. Heisses Wasser von mehr als 90° trifft auf gemahlenen Kaffee mit hohem Druck von +/- 7bar. Das Wasser emulgiert die Öle im Kaffeepulver, während das CO2 im Kaffee durch eben diese hohen Temperaturen und den Druck gelöst wird. Sobald der Kaffee dann aus dem Sieb tritt, kommt die Kaffee-Emulsion aus einem Raum von hohem Druck in einen Raum von atmosphärischem Druck. Da der Druck auf die Emulsion also nachlässt, dehnt sich das darin gefangene CO2 aus und wird zu Schaum.
Etwa ähnlich ist der Vergleich zu einer geschüttelten Limo-Flasche. Wir alle kennen das – wer stark an einer Limo-Flasche schüttelt und gleich danach den Deckel öffnet, wird von einer Limo-Fontäne eingedeckt: eine Flüssigkeit mit CO2 in einem Raum von hohem Druck gelangt in einen Raum von weniger Druck, es gibt Schaum.
Die Crema ist nichts anders als eine besondere Art von Schaum. Der Schaum besteht dabei aus zwei Phasen: der kontinuierlichen Phase, also dem Medium, in dem dann die CO2-Gasbläschen als Dispersion vorhanden sind. Das heisst, dass sie sich nicht in der kontinuierlichen Phase auflösen.
Es sieht halt einfach schon gut aus.
Die Lebenszeit der Crema beträgt bis zu 40min. Und in diesen 40 Minuten ändert sich die Struktur beachtlich. Aus flüssigem, feinporigem Schaum, wird irgendwann trockener, poröser Schaum. Nur ist das für viele Konsument:innen nicht wirklich wichtig, da Espresso i.a.R. schnell getrunken wird.
Die Crema wird weniger, weil sich ihre Molekularstruktur langsam verändert. Das passiert bei jedem Schaum, wenn es zur Drainage kommt. Die schwereren Ölteilchen senken sich ab, da sie von der Erdanziehungskraft angezogen werden. Dabei verändert sich die Crema-Struktur, sie wird instabil und löst sich allmählich auf.
Literaturtipps und andere Videos
Hier findet ihr zwei wissenschaftliche Analysen zum Thema, die wir empfehlen können:
Xiuju Wang, 2014:
Understanding the Formation of CO2 and Its Degassing
Behaviours in Coffee
Illy and Navarini, 2011:
Neglected Food Bubbles: The Espresso Coffee Foam
Das Video von James Hoffmann zum Thema geht noch tiefer in die chemische Komposition der Crema ein und macht einen Bogen zur historischen Herkunft.
Wir nehmen aus dem ersten Schritt mit, dass die Crema also nur eine Art Schaum ist. Welche Faktoren die Menge und die Qualität dieses Schaums bestimmen, besprechen wir hier.
Die Gasbläschen in der Crema sind gelöstes CO2. Doch woher kommt es und bei welchen Kaffees ist mehr CO2 drin?
CO2 entsteht als Nebenprodukt bei der Kaffeeröstung. Das CO2 lagert sich dann in der Zellstruktur der gerösteten Kaffeebohnen ab. Damit schliesslich ein Schäumchen auf dem Kaffee drauf ist, muss das CO2 in der Bohne gespeichert bleiben. Dafür braucht es eine dichte Verpackung, eine zeitnahe Mahlung und eine korrekt eingestellte Mühle.
Je frischer ein Kaffee ist, umso mehr Crema weist der Kaffee auf. Umso älter er ist, umso weniger Crema wird präsent sein, weil sich das CO2 verflüchtigt hat. Ebenso tickt die Crema-Uhr, sobald eine Packung geöffnet wurde.
Crema ist deshalb ein guter Indikator, um das Alter einer Röstung aufzuzeigen. Espressi erreichen ihre beste Genusszeit rund zwei bis drei Wochen nach der Röstung. Nach rund zwei bis drei Monaten nimmt die Qualität der Röstung ab. Der Indikator Crema kann hier also jedenfalls den Fingerzeig liefern, ob ein Kaffee relativ frisch ist. Daraus lässt sich Qualität aufgrund von Frische ableiten.
Verschiedene Röstgrade ergeben verschiedene Cremavolumen. Es gibt eine hohe Korrelation zwischen Schaumfähigkeiten und Fraktionen, die ein hohes Molekulargewicht von komplexen Zuckern und Proteinen haben, was alles durch die Maillard Reaktionen hervorgerufen werden.
Während der Röstung tritt der Kaffee ab 140° in die Maillard-Reaktionen ein, in nicht-enzymatische Bräunungsreaktionen. Will heissen, dass der Kaffee nun braun wird, aber noch nicht wirklich nach Kaffee schmeckt.
Mit zunehmender Temperatur nehmen auch die Maillard-Reaktionen zu. Reduzierende Zucker gehen mit Aminosäuren neue Verbindungen ein und fangen an, die Aromen des Kaffees zu bilden.
Zurück zur Schaumfähigkeit, die von den ausgeprägten Maillard Reaktionen positiv beeinflusst wird. Röstet ein Kaffee länger, und ist somit länger in der Maillardphasen, entsteht in der Tasse mehr Crema.
Ein unsichtbarer Faktor, der die Crema beeinflussen kann, ist Wasser. Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass der gleiche Kaffee am einen Ort mehr, und am anderen Ort weniger schäumt.
Hartes Wasser tendiert dazu, etwas mehr schäumen zu lassen, während weiches Wasser weniger Schaum produziert. Das ist bei der Seife so, wie auch beim Kaffeeschäumchen.
Obwohl wir von der Crema sprechen, gibt es deutliche Unterschiede in der Konsistenz, der Porosität und der Elastizität.
Espresso aus Siebträgermaschine | ergibt i.d.R. eine dichte, elastische, glänzende Crema |
Espresso mit bodenlosem Siebträger | ergibt eine voluminöse, satte Crema, da der Kaffeestrahl nicht umgelenkt wird. So gelangt die intakte Crema direkt in die Tasse. |
Espresso im Vollautomaten | ergibt eine voluminöse, aber eine weniger elastische Crema. Sie ist poröser, weil sie mehr Luft gefangen hält. |
Filterkaffee | ergibt keine Crema, da der Druck während der Extratkion zu gering ist |
Kapselkaffee | ergibt eine oft sehr luftige Crema, weniger elastisch, aber voluminös |
Moka-Kanne | ergibt wenig stabilen Schaum, da das Verhältnis von Wasser zu Kaffee gross ist. |
Cezve/Ibrik | ergibt nur wenig Schaum, da er ohne Druck zubereitet wird |
Die Crema aus dem Kaffeevollautomaten ist sehr voluminös, aber fluffiger und etwas trockener als die Crema aus der Siebträgermaschine.
Kapselkaffee produziert sehr viel Schaum. Entgegen den Gerüchten, dass da Backpulver oder sonst ein Mittel drin ist, gibt es eine einfache Erklärung.
Die Infos dazu kommen von Patrizio Frigeri, Kaffee-Ingenieur, der auch schon ausführlich über Kapseln hier berichtet hat.
Für Viele ein Grund, eine Kapselmaschine zu kaufen: das todsichere Schäumchen auf dem Kaffee.
Oft wird für klassischere Espressointerpretationen ein intensives Schäumchen gewünscht – ein schon kleiner Bestandteil Robusta kann helfen, das Ziel zu erreichen. 100% Robusta ist äusserst schaumig, die Ausgüsse des Siebträgers werden bei der Extraktion fast schon überschäumt. Der Schaum ist in seiner Konsistenz aber anders, er ist poröser, und etwas trockener, weniger glänzend und weniger elastisch.
Warum?
Robusta hat vor allem in mitteldunklen Röstungen bis zu doppelt soviel Co2 wie Arabica-Kaffees. Und: Robusta hat aber etwa nur halb so viel Fett in Form von Ölen als Arabica – und wir wissen, dass Öl sich nicht schäumen lässt. In anderen Worten: die Öle im Arabica verhindern eine intensivere Schaumbildung.
In einem der Klassiker der Kaffeebücher steht, dass für einen „richtigen Espresso“ min. 10% des Getränks Crema sein müssen.
Ich tue mich schwer mit solch harten Definitionen für ein Getränk, das weltweit getrunken und mit verschiedenen Auffassungen von Kaffee interpretiert wird.
10% Crema-Volumen sind ja vor allem mal ein optischer Grund – wenn da nur eine dünne Schicht Crema auf der Flüssigkeit liegen würde, dann denken wir vielleicht, dass der Kaffee schon älter sei, oder dass er schlecht zubereitet wurde.
Wenn die Optik so wichtig scheint, dann können wir auch fragen, ob Espresso ein multi-sensorisches Getränk ist? Gehört die Tasse, der Löffel und das Glas Wasser ebenso dazu? Wahrscheinlich schon, denn Espresso ist ja auch immer ein kurzer Moment des Genusses.
Dennoch: wir sind stark geprägt von der Vorstellung, dass die Crema doch ordentlich vorhanden sein soll. Und schön soll sie sein – immer wieder hören wir von den Tigerstreifen, die eine besonders gut gelungene Extraktion suggerieren soll.
Tigerstreifen sind nichts anderes als feine Kaffeepartikel, die sich während der Extraktion lösen. Jedoch kommen Tigerstreifen nicht bei allen Kaffees gleich – oder gar nicht – vor.
Die harte visuelle Beurteilung und der vermeintliche Einfluss auf den Geschmack wurde lange überbewertet – und das auch an den Barista Weltmeisterschaften. In den Anfangszeiten und bis tief in die 2000-Nuller Jahre machte die Crema 50% der Gesamtnote der Espressokategorie aus. Fünfzig Prozent. Die andere Hälfte galt dem Geschmack – aus heutiger Sicht fast nicht vorstellbar.
„Damals“ wurde lange gekuckt, die Tasse schräg gehalten, die Elastizität bewertet, die Beurteilung der hoffentlich rötlich-braunen Farbe, und das nicht Vorhandensein von Blasen.
Man stelle sich das mal heute vor – fast unmöglich. Und dabei war das Standard bis vor etwas mehr als 12 Jahren. Und heute zählt die Crema – Optik weniger als 2%. Gott sei Dank.
Die Infos bekamen wir liebenswürdigerweise von Sonja Björk Grant und Gloria Pedroza zugesteckt, zwei langjährigen Jurorinnen an Barista-Weltmeisterschaften.
Und das bringt uns zu der – für uns – allerwichtigsten Frage: ist Crema denn lecker? Und, macht Crema den Espresso besser?
Ob euch Kaffee mit oder ohne Crema besser gefällt, entscheidet ihr. Macht doch mal einen Versuch und extrahiert zwei Espressi. Von der einen Tasse entfernt ihr die Crema mit zwei Löffeln, bei der anderen mischt ihr sie unter. Die Kaffees werden deutlich unterschiedlich schmecken.
Also. Crema gehört irgendwie dazu, vor allem aus optischen Gründen, weil wir uns dieses Espressogetränk so visuell verinnerlicht haben.
Mehr Crema ist nicht besser, und keine Crema muss nicht heissen, dass der Kaffee schlecht ist.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
4 Kommentare
ich habe mir eine neue Delonghi La Specialista 9155 geholt.
Leider ist das Einersieb bekannterweise ziemlich trichterförmig, was die Extraktion im Vergleich zum Doppelsieb immer schlechter dastehen lässt. Zudem ist das Kaffeebett bei 8-9g immer sehr feucht weshalb man für einen Espresso immer über 10g verwenden muss.
Habt ihr einen Tipp bzw. ein geeignetes Einersieb, das ihr empfehlen könnt?
Viele Grüße aus Stuttgart
Oberlehrermodus aus. ;-)
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