De’Longhi übernimmt La Marzocco – Das war absehbar!

De’Longhi übernimmt La Marzocco – Das war absehbar!

Das Jahr endet mit einem Paukenschlag in der Kaffeebranche. De'Longhi legt die Karten auf den Tisch und formt einen neuen «Coffee Hub», der La Marzocco, De'Longhi und Eversys unter ein Dach bringt. Diese neue Firmenstruktur wird von De'Longhi SpA (De'Longhi Gruppe) kontrolliert. (An English version of the entire article can be found here.)

Mehrheitseigner wurde De'Longhi Industrial S.A. bereits 2021. La Marzocco CEO Guido Bernardinelli warf damals erfolgreich eine Nebelkerze, in dem er darauf verwies, dass De'Longhi Industrial S.A. und damit die De'Longhi Familie Aktionär geworden sei, nicht aber die umtriebige Kaffeemaschinen und Haushaltsgerätschaften Unternehmung De'Longhi SpA. Und auch die Delonghi Gruppe selbst sah am 8. Februar 2021 Bedarf, ein solches Statement abzugeben.

Etwas absurd, das mit diesem Statement das Thema damals weitgehend vom Tisch war. Schließlich kontrolliert die De'Longhi Industrial S.A. über Giuseppe De'Longhi auch die Mehrheit der Anteile der De'Longhi Gruppe.

Zwei Jahre sprach in der Branche also kaum jemand darüber, dass zumindest in verschiedenen Strukturen mit dem Namen De'Longhi die Mehrheitsanteile an La Marzocco liegen. Heute ist das alles Makulatur.

Die De'Longhi SpA bestätigte nun, dass sie mit einer neuen Tochterfirma ca. 61,4 % der Anteile von La Marzocco übernimmt (pdf). Weitere ca. 26.6 % der Anteile sind in der De'Longhi Industrial verortet sowie ca. 12 % bei Minderheitsaktionären von La Marzocco.

In die neue Tochterfirma wird außerdem der Schweizer Kaffeevollautomatenhersteller Eversys eingebracht. Die De'Longhi Gruppe hatte Eversys bereits 2021 übernommen.

Rückblickend wirkt die Kommunikation von 2021 scheinheilig, denn die De'Longhi Gruppe war offensichtlich bereits auf Übernahme-Kurs. Das La Marzocco CEO Guido Bernardinelli den Kultstatus seiner Marke schützen wollte, ist dagegen wenig überraschend.

zusammen setzung delonghi

La Marzocco wurde zur Barista-Kultmarke auf der ganzen Welt

Das 1927 von den Bambi Brüdern gegründete Florentiner Unternehmen La Marzocco hat über die letzten 20 Jahre erfolgreich den Nimbus des Kult-Espressomaschinen-Herstellers aufgebaut. Schlüsselfaktor war das Sponsoring der World Barista Championship als Maschinen-Sponsor in den Jahren 2000 bis 2008, die dadurch entstandene Nähe zu Weltbaristas und die hochwertige Fertigungsqualität des Unternehmens aus Florenz.

«Handmade in Florence» wurde zum Markenzeichen und ich kann persönlich nach einem Besuch der 30 km von Florenz entfernten Fertigungshalle in Scarperia bestätigen: es wird vor Ort zusammengebaut, geschraubt und getestet.

Auf der Technologie-Seite war La Marzocco für einige innovative Sprünge im Bereich der Espressomaschinen-Evolution verantwortlich. Bereits 1970 wurde ein Patent für einen Doppelboiler angemeldet, der unabhängiges Heizen des Brüh- und Dampfboilers erlauben sollte.

Die Mischung aus Nähe zur Barista-Community, die gute Maschinenqualität und die lokale Fertigung in Italien machten es Baristas weltweit einfach, sich mit der Marke La Marzocco zu identifizieren. Wichtige Wegbereiter waren darüber hinaus lokale Fachpartner und Importeure, wie in Kialoa in der Schweiz. Nicht von ungefähr standen auch in unseren Cafés und Akademien La Marzocco Stradas, Lineas und GB5s.

Diese Mischung sorgte dafür, dass La Marzocco weltweit zur sicheren Espressomaschinen-Wahl wurde, ob gewerblich im Café oder in den heimischen vier Wänden. Weltweit ist nicht übertrieben, wurde der Umsatz 2020 laut L'Economia zu 97 % im Ausland erwirtschaftet. Der Umsatz von LM beträgt 2023 laut De'Longhi Gruppe 240 Millionen Euro, mit einem Ergebnis von 56.7 Millionen Euro bereinigter EBITDA. Der konsolidierte Umsatz der neuen Unternehmung bestehend aus Eversys und La Marzocco für 2023 wird mit 372 Millionen Euro und einer adjustierten EBITDA von 87 Millionen Euro prognostiziert.

new business combination

Was wird aus dem Kult und was wird aus der Qualität?

Die De'Longhi Gruppe hält fest, dass La Marzocco und Eversys unter dem heutigen Management fortgeführt werden sollen. Zwar wird von einem neuen Coffee-Hub gesprochen, jedoch interpretieren wir, dass das nicht die örtliche Zusammenlegung, sondern die strukturelle Verbindung gemeint ist. Synergie-Effekte, gemeinsame Entwicklung und der Austausch von Technologien können die Espresso- und Kaffeemaschinen aller drei Marken theoretisch besser machen. Auch Cross-Selling wird als Ziel genannt, wobei La Marzocco dem Kaffeevollautomaten von Eversys näher ist, als dem Espressomaschinen-Heimsegment von De'Longhi.

Werden wir also bald eine GS3 mit doppelwandigem Sieb à la De'Longhi Dedica sehen? Das wäre weniger wünschenswert als die Volumetrik der Dedica in der Linea Micra.

Es ist schwer abzusehen wohin die Reise mit La Marzocco (und Eversys) geht. Einmal mehr sind kurzfristige Kapital-Interessen die größte Gefahr für eine gute unternehmerische Idee. Bei allem Vertrauen in das R&D Team von LM, von denen ich einige führende Köpfe persönlich kenne, wird die Frage sein: liegt der Schwerpunkt der Entwicklung in Zukunft auf der Verbesserung der Qualität oder müssen günstigere Bau-Komponenten in die Maschinen integriert werden, um die Margen zu verbessern?

Wie verändert sich die Identifikation des Teams in Scarperia mit der Marke, wenn die Eigentumsstruktur deutlich ferner rückt? Und welche Auswirkungen hat das auf die Nähe der Barista-Community zur Marke? Wenn ich in Zukunft 5000 Euro für eine Espressomaschine ausgeben will und mich damit auch mit einem Unternehmen verbinde, ist es dann vielleicht eher eine Xenia, eine Decent, Maro oder ECM?

Was mich besorgt und von mir bereits in unserem Test der Linea Micra angesprochen wurde, ist eine problematische Entwicklungsrichtung. Mit dem Vermarktungskonzept der Micra hat La Marzocco konsequent auf den Online-Handel direkt aus Italien gesetzt und in den verschiedenen Ländern seine treuen Fachhändler übergangen. In Deutschland beispielsweise, kann die Micra nur über die Tochter Firma LM Deutschland bezogen werden. Diese hat einige Flagship-Stores in den großen Städten aufgebaut, ist aber niemals so nah am Home Barista wie der Fachhandel. Die Folge sind sehr oft Kundinnen und Kunden, die mit ihrer Maschine überfordert sind. Wir kennen die Folgen dieser Entwicklungen und sehen sie tagtäglich in den Kommentaren unter unseren Videos und Artikeln sowie in unseren Kursen: Fragen, Ärger und Enttäuschung, weil Maschinenkäufer alleine gelassen werden und trotz guter Espressomaschine keinen guten Kaffee in die Tasse bekommen.

linea mini montage

Montage von Linea Minis, Besuch bei La Marzocco, Juli 2019

Das Potential ist groß!

In der neuen und nun öffentlichen Allianz liegen auch viele Chancen. La Marzocco, De'Longhi und Eversys bringen zahlreiche Kompetenzen aus unterschiedlichen Märkten mit. Alle können in der Theorie voneinander lernen. Eversys baut die vielleicht besten vollautomatischen Kaffeemaschinen für die Gastronomie. Das Espresso- und Kaffee-Ergebnis ist, wenn die Maschinen gut eingestellt sind, exzellent und in einer Blinddegustation kaum von dem Espresso eines Siebträgers zu unterscheiden. Im Verkaufsgespräch kann der lokale Maschinenhändler also guten Gewissens und ohne Kompromisse der Bäckerei oder dem Café die passende Maschinen für das Nutzungskonzept anbieten.

De'Longhi selbst macht mit Maschinen wie der Dedica vor, dass ordentlicher Espresso auch für wenig Geld möglich ist. La Marzocco hat bereits früh zusammen mit Marco Beverage Systems ein Waagen-Patent angemeldet, welches mittlerweile für den Markt freigegeben wurde. Von dieser Expertise werden Eversys und De'Longhi profitieren.

Und nicht zuletzt kann das neue Konsortium ein Gegenüber im Markt bilden, zu anderen Gruppen wie der wachsenden Breville Group. Breville hat 2022 Lelit (Gemme Italian Producers SRL) übernommen, nachdem 2020 bereits Baratza Teil der Gruppe geworden ist.

Ein letztes Wort zum neuen De'Longhi Coffee Hub, bevor wir die Zeit abwarten und schauen, was die neue Verbindung uns tatsächlich in Zukunft bringen wird.

Sowohl von De'Longhi als auch von La Marzocco habe ich bereits viele Produkte getestet. Von außen betrachtet behaupte ich: es gibt ein fehlendes Puzzle Teil. Es fehlt ein Mühlenhersteller im Coffee Hub. Mich würde nicht wundern, wenn hier noch eine weitere Übernahme kommen wird.

Halten wir fest: Die Fusion dieser drei Unternehmen ist ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte des Kaffeemaschinensektors und wird zweifellos einen Einfluss auf den globalen Markt für Kaffeeprodukte haben.

Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann ist Gründer der Kaffeemacher GmbH. Er war bis Ende 2016 neun Jahre teilhabender Geschäftsführer und Wirt im Kaffeehaus unternehmen mitte. Mit der Kaffeemacher-Akademie, dem Spezialitäten-Café frühling im Kleinbasel und dem Kaffee-Mobil hat er in Basel Massstäbe in Sachen Kaffee gesetzt. In den letzten Jahren sind zum Kaffeemacher-Universum die Kaffeefarm Santa Rita sowie unsere Rösterei hinzu gekommen. Benjamin ist Co-Geschäftsführer der Kaffeemacher verantwortlich für Finanzen, Strategisches und Öffentlichkeitsarbeit. Als Sensoriker und Berater unterstützt er ausserdem Unternehmen und Projekte. Er ist Dozent an der ZHAW Wädenswill im Bereich Kaffee und als Vortragsredner international im Einsatz.

14 Kommentare

Florian E.
Florian E.
Hi Benjamin,

danke für deine, wie ich finde, ausgewogene Expertise in dieser Sache. Ich bin gespannt wie sich die jeweiligen Sparten gegenseitig beeinflussen und wer da am längeren Hebel sitzen wird.

Viele Grüße aus Münster

Florian
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Danke lieber Florian. Schauen wir, wo sich das ganze hin entwickelt.
Steffen Müller
Steffen Müller
Klasse und differenzierter Artikel Benjamin! Danke vielmals dafür. Habt einen guten Start ins neue Jahr, Viele Grüße, Steffen
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Danke Steffen, das wünsche ich Dir auch!
Daniel (kolombian koffee DE)
Daniel (kolombian koffee DE)
Danke für den Artikel Ben, richtig cool. Man kann nur hoffen, dass sich die Qualität der Maschinen im Laufe der Zeit weiter verbessern wird.
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Das hoffe ich auch. Wir werden sehen. Es ist nun ja auch nicht so, dass La Marzocco in Sachen Innovation jedes Jahr die Welt überrascht hat. Langsamer wird der Innovationszyklus bestimmt nicht. Die Frage wird sein, von welcher Qualität die nächsten Schritte sein werden.
Silas
Silas
Danke für die Mühe. Tatsächlich sehr interresant, mich schreckt es gefühlt etwas ab nun eine Micra zu kaufen. Zwar vermisse ich bei der Micra/Mini eine Volumetrik und einen shot Timer an der Maschine und habe da nun Hoffnung das dies vlt umgesetzt wird aber überwiegt bei mir leider das Gefühl das bald nicht mehr so die Qualität sondern noch mehr der Provit in den Vordergrund grät. Technisch gesehen kann man jetzt schon besser ausgestattete Maschinen für weniger Geld kaufen von anderen Herstellern aber mich hat bislang das Design und der romantische Gedanke der Marke an sich überzeugt. Bleibt die Frage jetzt noch kaufen und die Alte Qualität sichern oder abwarten und auf technische Fortschritte hoffen ?
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Gute Frage Silas. Heute machst du mit einer guten soliden La Marzocco wenig falsch, außer dass du viel Geld ausgibst. Und da beginnt ja genau deine Frage und die finde ich ebenfalls sehr spannend. Ist die Marke diese größere Summe wert, heute und in Zukunft. Da kann nur jeder für sich selbst beantworten. Ich bin jedenfalls happy, dass wir z.B. gerade eine Maro und eine Meticulous Espresso bestellt haben und dann irgendwann auf die Unica schauen werden.
Marian
Marian
Super zusammengefasst. Danke für den tollen Artikel. Ich bin gespannt was da die nächsten Jahre so kommt.

Thema Mühlen - hat LaMarzocco nicht auch Mühlen im Programm,? Wäre doch denkbar dass der Markt zusammen mit den anderen ausgebaut wird ?
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
La Marzocco hat Mühlen im Programm. Diese wurden aber in der Vergangenheit von anderen entwickelt (Etzinger) und die erste eigene Mühle, die LM Pico, ist sehr an die Etzingers angelehnt. Ich würde nicht so weit gehen und LM nun Mühlenhersteller nennen. Deshalb hat man ja auch zuletzt enger in Sachen Schnittstellen etc. mit Hemro/Mahlkönig kooperiert (Host 2023).
Roman Bartz
Roman Bartz
Sehr guter Bericht!👍
Denke am Ende folgt jeder Unternehmer dem großen Geld, sobald jemand damit winkt!🤷
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Ja, leider ist das bei klassischen Unternehmen sehr oft so. Umso wichtiger finde ich, dass immer mehr Unternehmen sich an Purpose Strukturen versuchen.
Johann Weber
Johann Weber
Cooler Artikel, Danke Benjamin.
Bin mal gespannt ob durch den neuen Wissenstransfer bei De’Longhi, Sage stark unter Druck gerät und langfristig verdrängt wird.
Benjamin Hohlmann
Benjamin Hohlmann
Danke Dir! Ich bin auch gespannt. Warten wir es ab.

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