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Swiss Sustainable Coffee Plattform. Kaffee-Schweiz, wirst du jetzt nachhaltig?

Swiss Sustainable Coffee Plattform. Kaffee-Schweiz, wirst du jetzt nachhaltig?

Ohne die Schweiz würde die Kaffeewelt anders aussehen. Die Schweiz ist nicht nur größte Rohkaffeehändlerin, sondern exportiert auch viel Röstkaffee. Und jetzt soll eine von der Regierung mitfinanzierte Plattform dafür sorgen, dass der Kaffeesektor in der Schweiz auch nachhaltig wird. Wir haben mitgearbeitet, Politik-Luft geschnuppert und fragen uns: ist das alles ein Papiertiger, oder passiert nun wirklich was?

Vorweg, wir sind auch Mitglied geworden bei der SSCP - der Swiss Sustainable Coffee Platform. Warum genau, schildern wir am Ende des Artikels. Zusammen mit anderen Unternehmen wie Nestlé, Olam, Volcafé, Illy, Organisationen wie Rainforest Alliance, Max Havelaar und Universitäten, sind wir nun Teil in diesem "illustren" Kreis.

Hier besprechen wir:

  • Kontext: Wie kam es zur Swiss Sustainable Coffee Platform?
  • Die SSCP - wer, wie, was
  • Nachhaltigkeit in der Kaffeebranche, was ist das jetzt genau?
  • Warum sollten Unternehmen mitmachen bei der SSCP?
  • Warum sind wir dabei?

  • Es mag so erscheinen, als ob es eine exklusive Version eines Rotary Club der Kaffeeschweiz ist. Oder, wie Public Eye gelinde zynisch formuliert, sei die Plattform nur eine “rechtlich unverbindliche Quasselbude”. Das SRF berichtet ebenfalls und merkt an, dass vom Bund weiterhin nicht reguliert wird, sondern der Dialog im Zentrum steht.

    Die Plattform ist kostenpflichtig für alle Mitglieder. Doch, dass Universitäten für ihren kritisch-wissenschaftlichen Beitrag als Mitglieder der Plattform bezahlen sollten, stößt Manchen auf, so auch Dorothée Baumann-Pauly hier.

    Die Zweifel, aber vor allem die Erwartungen sind hoch, dass die Schweiz als Kaffeeland Antworten auf die drängenden Fragen in der Kaffeebranche liefert:

    • wie kann die Schweiz die Kaffeebranche nachhaltiger machen?
    • wie gelingt es, dass sich die Branche selbst in die Pflicht nimmt?
    • und wie reagiert man als Kaffee-Schweiz auf neue, internationale Gesetze?


    SSCP Swiss Sustainable Coffee Platform

    Bundesrat Guy Parmelin bei der Lancierung der Plattform am 6. Juni 2024 in Bern

    Die Schweiz als Kaffeeland? Oh ja.

    Seit Jahrzehnten werden 60-70% aller weltweiten Rohkaffees über Unternehmen gehandelt, die ihren Sitz in der Schweiz haben. Im Sinne des Transithandels wird der Vertrag durch die Unternehmen gemacht, der Rohkaffee berührt die Schweiz physisch aber nicht. Gleichzeitig ist die Schweiz die drittgrößte Exporteurin von geröstetem Kaffee, was vor allem mit den Kapseln von Nespresso zu tun hat.  

    Am nördlichen Ufer des Genfersees, in Zug oder im Raum Zürich sind einige der weltweit tätigen Handelsunternehmen in der Schweiz beheimatet. Zu ihnen gehören u. A.:

    Die Schweiz hat sich mit dem robusten Franken als Währung, den tiefen Steuern und der neutralen Position auf internationaler Ebene die Rolle des sicheren Hafens für viele transnationale Unternehmen erworben.

    Doch diese Neutralität darf nicht in der Gleichgültigkeit aufgehen. Die EU hat im Zuge des Green Deal über 50 neue Gesetze und Richtlinien erlassen. Eine, welche die ganze Kaffeewelt betreffen wird, ist die EUDR, das Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten. (s. Fußnote)

    Weitere Gesetze betreffen die Kaffeeschweiz direkt oder indirekt - aber weil die Schweiz nicht in der EU ist, brauchte es bisher noch keine rechtlich verbindlichen Verordnungen für die Schweiz. Aber: weil die Schweiz ein Mega-Player ist, muss sie sich positionieren und eine klare Stellung beziehen.

    SSCP Swiss Sustainable Coffee Platform

    Am 6. Juni 2024 wurde die Plattform lanciert, wir waren auch dabei

    Hinter den Polit- und Handelskulissen wurde schon vor den neuen EU-Gesetzen oder der Konzernverantwortungs-Initiative darüber diskutiert, wie sich die Schweiz als Kaffee-Megaplayer nachhaltiger positionieren könne. Eine SECO-Quelle sagt, dass die IG Kaffee Schweiz den Kontakt zum SECO suchte und damit die Diskussion ins Rollen brachte.

    Die Zunahme des regulatorischen Drucks, vor allem seitens der EU, hat dann die Gründung der SSCP beschleunigt und für eine großflächige Bewegung in der Branche gesorgt. 

    Kontext: Wie kam es zur Swiss Sustainable Coffee Platform?

    Hinter den Polit- und Handelskulissen wurde schon vor den neuen EU-Gesetzen oder der

    Doch, wer ist denn die Kaffee-Schweiz? Anders gefragt, an wen wendet sich ein SECO?

    • Die SCTA, die Swiss Coffee Traders Association, vertritt die größten Kaffee-Handelshäuser der Schweiz. Damit ist es die Organisation, bei der genau die Unternehmen dabei sind, die die meisten Volumen an Rohkaffee durch die Welt handeln.
    • Die IG Kaffee Schweiz hat sich in Abstimmung mit der SCTA, der Vereinigung für die Förderung von Kaffee in der Schweiz Procafé und der Schweizer Röster Gilde zusammen getan und stand im weiteren Prozess für die Anliegen der Kaffee-Schweiz ein.
    • Im Frühling 2023 haben das SECO und die oben genannten Organisationen zu einem ersten Workshop nach Bern eingeladen, an dem mehr als 60 Vertreter aus Privatwirtschaft, der NGO-Welt, der Wissenschaft und anderen Institutionen wie Zertifizierern teilgenommen haben.
    • Moderiert wurde der Prozess von Beginn an durch Focusright, einer Unternehmensberatung für Nachhaltigkeitsthemen. Mit einer pragmatischen und klaren Führung haben sie den Prozess bis zur Gründung begleitet.

    Welche Rolle hatten wir?

    Wir wurden nach dem ersten Workshop angesprochen, ob wir in der Kerngruppe mitmachen möchten, welche die Absichtserklärung ausarbeitet. Die Plattform versucht verschiedene Sektoren innerhalb der Branche, aber auch verschieden große Unternehmen an Board zu haben. Ohne die Repräsentation verschiedenster Akteure in der Plattform, würde sie an Glaubwürdigkeit verlieren. Wir haben "ja " gesagt, waren an physischen und Online Meetings dabei und konnten reinschauen, wie die Dynamik im Dreieck von Politik, Kaffee und Nachhaltigkeit verlaufen. 

    Viele der anwesenden Akteure des ersten Workshops sind nun auch Mitglied der SSCP geworden und haben sich selbst verpflichtet, die Kaffee-Schweiz nachhaltiger zu gestalten.

    Aber, was heisst das genau? 

    Und was soll wer nun zum Guten verändern?

    Die SSCP - wer, wie, was

    Die Form

    Die Swiss Sustainable Coffee Plattform ist eine Multistakeholder Initiative, kurz: MSI. Eine MSI versucht, verschiedene Interessengruppen einer Branche zusammenzubringen, um gemeinsame Lösungsansätze für Herausforderungen in Sachen menschenrechtlicher und ökologischer Verantwortung entlang der Lieferketten zu suchen, zu formulieren und zu gestalten.

    Unternehmen, Stiftungen, wissenschaftliche Institutionen, Lobby-Gruppen und NGO begegnen sich so in einem Umfeld auf Augenhöhe, was kaum in einem anderen Format realisierbar wäre.

    Diese Initiativen beruhen auf Freiwilligkeit, so auch die SSCP. Es gibt keine Verpflichtung, mitzumachen. Wenn es eine MSI aber schafft, ihr Wertangebot so attraktiv für teilnehmende Akteure zu gestalten, dass es einen griffigen Mehrwert gibt, dann stellt sich für die einen oder anderen vielleicht eine fear of missing out ein, die Angst, Dinge zu verpassen, und so kommen dann neue Akteure dazu.

    Wann wird es konkret?

    Stand August 2024 sind 55 Organisationen, Unternehmen und wissenschaftliche Institutionen dabei. Im Spätherbst wird an der Gründungsversammlung die Roadmap besprochen, bei der es darum geht, konkrete Schritte zu definieren.

    Die Rollenverteilung

    Eine MSI unterscheidet zwischen den Rollen, die Akteure in der Plattform einnehmen. Im Falle der Swiss Sustainable Coffee Platform gibt es vier verschiedene Rollen:

    Der Privatsektor

    Kaffeeunternehmen, das können Röstereien, Händler, Cafés, Maschinenhersteller oder Verpackungsfabrikanten sein, bringen Anliegen aus dem täglichen Handeln ein, co-finanzieren Projekte und würden diese in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen umsetzen.

    Die NGO

    NGO helfen mit, Risiken zu identifizieren und Lösungsansätze zu formulieren. Oft verfügen NGO über ein breites Netzwerk in Projekt-Ländern und können Rückschlüsse aus vergleichbaren Projekten ziehen.

    Academia

    Wissenschaftliche Institutionen, oder Academia, gleichen die angedachten Projekte mit neuesten Erkenntnissen aus der Forschung ab und prüfen die Arbeit der MSI gleich selbst wissenschaftlich

    SECO

    Das Staastsekretariat für Wirtschaft hat eine Doppelrolle inne: einerseits ist es die Schnittstelle zwischen Regierungspolitik und den Anregungen aus der Kaffeebranche, andererseits co-finanziert das SECO im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bewilligte Projekte. In den ersten vier Jahren sollen so acht Millionen CHF investiert werden, prioritär in den SECO-Fokusländern Kolumbien, Peru, Indonesien und Vietnam. 

    SSCP Swiss Sustainable Coffee Platform

    Die Absicht

    Wer mit Kaffee arbeitet, hat nie nur mit Kaffee zu tun. Kaffee betrifft und verbindet nicht nur verschiedene Lebenswelten, Öko- und Wirtschaftssysteme, sondern kann Zugang zu Märkten schaffen oder verschließen. 

    Kaffee ist nie neutral. Es ist ein Mensch-gemachtes Produkt, auch wenn es als auswechselbare Commodity in Future-Kontrakten gehandelt wird.

    Diese Komplexität erlaubt es Akteuren auf der Kaffeekette, sich genau in diesem Dickicht an Verflechtungen zu verstecken, oder zumindest nicht klar in Erscheinung treten zu müssen. Das macht die Kaffeebranche auch immer wieder so undurchsichtig.

    Als ich bei einem Treffen der Kerngruppe einer der größten Trader weltweit fragte: 

    “Du, warum ist der Kaffeehandel manchmal so verflixt undurchsichtig?”, sagte er mit Verwunderung: 

    “Oh, wirkt das so?”

    Die SSCP vereint nicht nur Akteure, sondern fasst Interessen und Herausforderungen zusammen. Es geht darum, vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zu fördern und nachhaltigen Wandel für Kaffeeproduzierende zu fördern.

    Oder wie Krisztina Szalai, Generalsekretärin des SCTA sagt:

    “Der Schweizer Kaffeesektor engagiert sich stark für die Nachhaltigkeit, weshalb wir die Lancierung der Swiss Sustainable Coffee Platform (SSCP) mit Stolz unterstützen. Die Herausforderungen, mit denen die Kaffeeproduzenten und die gesamte Branche konfrontiert sind, erfordern eine gemeinsame Anstrengung. Die SSCP verkörpert diesen Geist der Zusammenarbeit und vereint eine Vielzahl von Interessengruppen, um positive Veränderungen voranzutreiben und eine nachhaltigere Zukunft für Kaffeeproduzenten, Konsumenten und die Branche zu schaffen,”

    Ist das alles nicht zu vage?

    Ja, auf jeden Fall.

    Und das ist teilweise gewollt. 

    Denn: 

    Momentan gibt es als gemeinsamen Bezugspunkt eine Absichtserklärung, die sogenannte Declaration of Intent. Ich habe knapp ein Jahr selbst in einer Kerngruppe daran mitgearbeitet, diese DOI zu formulieren. 

    Sie ist gut zwei A4-Seiten lang und spricht verschiedenste Punkte an, welche Probleme alle angegangen werden sollten, ohne aber sehr konkret zu werden. Der Grund liegt darin, wie MSI funktionieren: 

    wenn die Bedingungen schon am Anfang zu klar sind, also zum Beispiel eine präzise Zahl an fair gehandeltem Kaffee oder eine genaue Prozentzahl genannt wird, auf wieviel CO2 die Emissionen auf der Kaffeekette gesenkt werden müssen, kommen unterzeichnende Parteien in Bringschuld.

    Die Unterzeichnung der Absichtserklärung wäre dann der Beweis, der ins Feld geführt werden könnte, wenn das Unternehmen X nicht die präzise genannten Ziele erfüllen würde. Wenn die DOI zu konkret wäre, würde sie viele Akteure vor einer Teilnahme abschrecken, so die Denkweise.

    Es muss weh tun

    So bleibt die Absicht der SSCP vage - bis jetzt. Denn die eigentliche Arbeit einer MSI beginnt dann, wenn alle Mitglieder sich zusammenraffen und gemeinsam Ziele definieren müssen.

    Und das war, ist und wird kein Spaziergang.

    In der Erarbeitung der SSCP fanden Treffen statt, die auf Unternehmensseite summiert wohl sechsstellige Kosten verursacht haben, nur für die Anwesenheit. Wenn 15 Akteure der größten Kaffeeunternehmen in Bundesbern in einem Raum sitzen und vier Stunden bisweilen emotional diskutieren, was Nachhaltigkeit nun genau heißt, aber am Schluss alle wieder ohne Definition davon ziehen, dann kann das zermürbend sein.

    Oder aber, es ist Teil eines langwierigen Prozesses, der weh tut. Und das muss es. Denn eine MSI ist so viel Koketterie, wie Verhandlungsgeschick, wie Politik. 

    Und nochmals: wenn nun die Player aus der Schweizer Kaffeelandschaft an einem Tisch sitzen, den es vorher nicht gab, wenn sich Save the Children und Nestlé, Helvetas und Olam, Volcafé, Delica und Mikroröstereien über die gleichen Themen unterhalten, dazu ein Pumpernickel mit Gurke und Hüttenkäse essen, dann ist das schon mal ein riesiger Fortschritt. 

    Mit anderen Worten: wenig ist viel, wenn vorher Nichts war.

    Bisher fand der Austausch der tonangebenden Kaffee-Schweiz primär am jährlich stattfindenden Coffee Diner der SCTA statt, alternierend in Genf oder Basel. Wenn die ca. 800 wichtigsten Coffee Trader der Welt sich treffen, wird da der Takt angegeben, zu welchem der Kaffeehandel tanzen soll.

    Eine MSI schafft die Möglichkeit für einen Austausch auf Augenhöhe mit großen und kleinen Akteuren, mit NGO und Academia. Die Anwesenden müssen sich stellen und am Ende auf liefern. Und vor allem müssen sie, und damit auch wir, Nachhaltigkeit mal überhaupt definieren.

    Nachhaltigkeit in der Kaffeebranche, was ist das jetzt genau?

    Am ersten Treffen im Frühling 2023 wurden Stimmen der anwesenden Akteure gesammelt, was der Nachhaltigkeitsbegriff bei Kaffee umfassen soll. Die Frage wurde absichtlich breit formuliert, und so äußerten sich alle Akteure mit der eigenen Ausrichtung. Nachhaltigkeit bei Kaffee sollte in dem Fall folgende Themen abdecken:

    • Kinderarbeit
    • Biodiversität
    • Entwaldung
    • CO2-Ausstoss
    • Klimwandel
    • Bodenfruchtbarkeit
    • Lebensgrundlagen von Kleinbauern
    • existenzsicherndes Einkommen
    • Regenerative Landwirschaft
    • Jugend- und Genderaspekte
    • Agroforst
    • Arbeitsmigration
    • Landscape-Ansätze
    • Branchenübergreifende Zusammenarbeit
    • Belästigung und geschlechtsspezifische Gewalt
    • Kundenbewusstein
    • und weitere

    Es dürfte nicht verwundern, dass in der Erstellung der Absichtserklärung genau die Diskussion um die Definition von Nachhaltigkeit ausufernd und ohne spezifisches Ergebnis war. Was genau wie nachhaltig sein soll, muss in weiteren Schritten definiert werden.

    Ein zu hoher Präzisionsgrad in den Formulierungen der Absichtserklärung ist ein Piece de Résistance und könnte weitere Unternehmen daran hindern, der Plattform beizutreten und auch mit einigen Anwesenden nicht zu machen. Wer unterzeichnet wird der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftsschuldig - und so erstaunt es nicht, dass wir stundenlang über einzelne Formulierungen und sogar Wörter diskutiert haben.

    Und wo sind die Produzenten?

    Ein Anliegen aller Teilnehmenden der Kerngruppen war es, die Stimmen von Kaffeeproduzierenden mit ein zu binden. Es reicht nicht, Produzenten eine Stimme zu geben, sondern sie sollten mit in die Entscheidungsfindung eingebunden werden.

    Pressure


    Dieser Punkt wurde schon beim ersten Treffen der Core Group als verpflichtend angesehen. Die Governance-Gruppe schlug dann auch vor, ein Sounding Board aus Produzenten zu bilden, dessen Mitglieder wechseln sollen.

    "Wir brauchen eine große geographische Bandbreite an Produzenten ", 

    sagt Veronika Neumeier, die seit Juni als Coffee Lead die SSCP führt.

    Dabei ginge es um mehr, als nur Repräsentationspflichten. "Checks and Balances " sei nötig, also die sorgfältige Prüfung und Kontrolle der Aktionen der SSCP durch das Sounding Board.

    Jedoch, die Kaffeebranche ist vielfältig. Was und wer ist nun ein Produzent? Ist es eine Person, die eine Farm in Subsistenzwirtschaft führt?

    Ein Saisonnier?

    Eine Kooperativen-Präsidentin?

    Eine Lobbyistin?

    Und dann gibt es gut 60 Kaffeeländer. Muss nun Brasilien als weltgrößte Produzentin vertreten sein? Oder Guinea, als Kaffeeland mit inexistenter Kaffee-Lobby aber hoher Robusta-Produktion?

    Auch hier gibt es bisher keine finale Antwort. Auch hier wird die SSCP starten, sich der öffentlichen Diskussion stellen und im Prozess verbessern müssen. Die Absicht ist da, und das ist viel. Viel zu spät mit Verlaub, aber irgendwann muss man beginnen.

    Warum sollten Unternehmen mitmachen bei der SSCP?

    Erstens,

    die politische Auseinandersetzung mit einem Thema, das oft ausschließlich ökonomisch, sensorisch oder marketingtechnisch angegangen wird, ist für alle Kaffeeunternehmen sinnvoll. Sie zwingt, eine Position einzunehmen und das große Ganze zu sehen. Die SSCP ist für noch unentschlossene Kaffeeunternehmen das rote Abstimmungsbüchlein des Bundesrats, das einem hilft, sich für Themen, die uns alle beschäftigen, schnell eine Übersicht zu bekommen. 

    Zweitens,

    bietet die SSCP die Möglichkeit in den fruchtbaren Dialog zu kommen, Kritik, Fragen und Ideen mit anderen Akteuren zu spiegeln, die man sonst aus der Ferne beobachtet, betrachtet oder kritisiert. Die Möglichkeit zum Austausch ist der Startschuss für eine Verbesserung der Kaffeekette.

    Drittens,

    gibt die Mitgliedschaft bei der SSCP Zugriff auf einen Fördertopf, der vom SECO co-finanziert wird. Damit sollen Anreize für Kaffeeunternehmen geschaffen werden, die Kernprobleme auf der Kaffeekette anzugehen. Und hier unterscheidet sich der EU- vom Schweizerischen Ansatz komplett: Die EU gibt Regeln vor, die Schweiz schafft nach dem Anreizsystem, wie so oft.


    Warum sind wir dabei?

    Wir sind ein Unternehmen der Gemeinwohlökonomie. Für uns sind die Anliegen der SSCP auch Unternehmensziele, die seit der Gründung in den Statuten verankert sind. Nachhaltiges Handeln ist kein Projekt, es gehört zur DNA. Insofern verändert die SSCP mit unserer Ausrichtung Nichts. 

    Heute sind wir froh, die SSCP zu sehen: Endlich gibt es eine Form, wo Austausch mit allen, die wollen, stattfinden kann. In einem Rahmen, der durch das SECO begleitet wird und damit politisches Gewicht hat.

    Aber. Wir sind im 2024. 

    Der Klimawandel verungünstigt den Kaffeeanbau zusehends, weiterhin sind die allermeisten Preise für Produzenten zu tief, es fehlen Arbeitskräfte, etc. - die Probleme sind bekannt. Seit langem.

    Insofern ist die SSCP der kleinste gemeinsame Nenner, den sich die Kaffee-Schweiz nun geformt hat, und das erst noch auf freiwilliger Basis.

    Es gibt jetzt also einen Strohhalm für die Kaffee-Schweiz, einen Beitrag zu leisten, dass Kaffee für alle besser werden soll, auch wenn die Chancen gering sind. Aber nichts tun, ist keine Option. Es wird viel Arbeit geben, die vor allem darauf abzielen wird, Konsens herzustellen - denn die Überbrückung der individuellen Ziele der Unternehmen wird mühsam sein. It's politics

    Für uns war es auch eine Motivation, Einblicke zu gewinnen, wie solche Mühle mahlen und manche Unternehmen denken. Gerade auch, weil es uns so fremd ist. 

    Nur wenn wir verstehen, wie die politische Willensbildung, die Übereinkunft, und das Denken in manchen Unternehmen zu Stande kommt, können wir dieses inspirieren, beeinflussen und verschieben. Das haben wir in der Vergangenheit gemacht, machen es jetzt und begleiten auch in Zukunft Unternehmen dabei, den Kompass zu justieren.

    Als kleineres Unternehmen mit Blick für die gesamte Kette aus der Praxis können wir in der SSCP auch genau die Position einnehmen. Wir hoffen, dass sich mehrere kleinere Unternehmen der SSCP anschließen und Beweglichkeit im Denken und Handeln aller Mitglieder einfordern werden. 

    Die SSCP darf kein Verein sein, in dem man sich zurücklehnt und jetzt dafür einen weiteren Label-Kleber auf die Kaffeepackung machen kann. Es ist ein Ort, wo verhandelt und gehandelt werden muss. Aber vor allem müssen alle Unternehmen weiter daran arbeiten, ihre Kaffeeketten zu verbessern.


    Und jetzt?

    Mit Recht wünschten sich die einen oder anderen manchmal mehr Radikalität. Public Eye hat Recht, wenn sie schreiben, dass es die “Regierung beim unverbindlichen Dialog ohne Rechenschaftspflichten und mit höchst ungewissem Ausgang” belässt.

    Und hier muss nachgebessert werden. Wie genau, müssen genau diejenigen beantworten, die Teil der MSI sind - die Großen, die Kleinen, die Stillen, die Lauten. Und das SECO muss die Klarheit einfordern, die der Bundesrat vernachlässigt: Im Zuge der EUDR sieht sich der Bundesrat nicht gezwungen, das geltende Recht zu ändern. 

    Die SSCP beruht auf Freiwilligkeit - das ist eine ihrer größten Schwächen, aber auch ihre Stärke. Wer muss, findet immer andere Wege, Nichts zu tun. Wer dabei ist, handelt vielleicht so, wie es beim Klimaschutz gemacht werden sollte: Nichts tun ist auch keine Lösung.

    Oder wie Rainforest in diesem kecken Video sagt: Pessimism is out. We're all in.


    Fußnote zur EUDR:

    Sie betrifft Importeure, Exporteure oder Unternehmen, die im EU-Raum handeln. Sie müssen sicherstellen, dass die jeweiligen Ketten entwaldungsfrei sind. Dies müssen sie per GPS-Punkten oder Polygonen (Flächendarstellungen) beweisen, wo genau der Kaffee hergestellt wurde. Sie müssen beweisen, dass Kaffee nicht in Räumen gepflanzt wurde, wo nach Ende 2020 Wald stand. Wenn nach Ende 2020 Wald zur Agrarfläche umgestellt wurde, dann ist das Entwaldung. Egal, ob das im herstellenden Land erlaubt war, oder nicht. Dabei stützt sich die EU auf die Definition der FAO, was Wald ist. Würde Kaffee von dort importiert werden, wäre das neu illegal. Zum Podcast mit Janina Grabs.

    Philipp Schallberger
    Philipp Schallberger
    Philipp Schallberger ist Co-Geschäftsführer der Kaffeemacher. Er leitet die Rösterei und ist verantwortlich für den Rohkaffee-Einkauf und die Projekte im Kaffee-Ursprung. Er ist Q-Arabica Grader und jurierte während mehrere Jahren Barista-Weltmeisterschaften. Die Erfahrung aus Stiftungsarbeit für Kleinproduzenten und in der Forschung und Entwicklung einer grossen Rösterei gibt Philipp auch als Berater weiter. Er führt den Kaffeemacher Podcast Coffea, gründete den ersten Schweizer Bio-Haferdrink "Gutsch" mit und wenn er keinen Kaffee machen würde, dann wäre es wohl Wein.

    1 Kommentar

    Peter Lerch
    Peter Lerch
    Vielen Dank Philipp für diesen äusserst differenzierten Artikel mit gutem Überblick über diese neue Multistakeholder Initiative (MSI). Wir von der Rainforest Alliance sind stolz dabei zu sein und freuen uns auf einen regen Dialog und Beitrag in dieser Platform. Pessimism is out. We are all in!

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